Année politique Suisse 2000 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche / Hochschulen
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Kooperation unter Hochschulen
Grosses Aufsehen erregte im Berichtsjahr das komplexe Kooperationsprojekt der drei Hochschulen am Genfersee – das sogenannte „Projet triangulaire“, welches Teil des Bundesprogramms für die Hochschulförderung ist und die Zusammenarbeit der Universitäten Genf und Lausanne sowie der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) vorsieht. Im März präsentierten die drei Institute ein ehrgeiziges Programm, in dessen Mittelpunkt das Projekt „Sciences, Vie, Société“ steht. Dieses zielt darauf ab, die Kräfte im Genferseeraum zu bündeln und die Lebenswissenschaften zu stärken. Vorgesehen ist die Schaffung zweier regionaler Schwerpunkte mit neuen Organisations- und Entscheidungsstrukturen – einerseits bei den Naturwissenschaften (Biowissenschaften, Genomik), andererseits bei den Geisteswissenschaften (gesellschaftliche-ethische Relevanz moderner Technologien). Wie schon 1998 vorgesehen, soll mit der geplanten Restrukturierung die Genfer Hochschule als vollständige Universität erhalten bleiben, wohingegen sich beim Hochschulplatz Lausanne eine deutlichere Arbeitsteilung zwischen Universität und EPFL abzeichnet. Geplant ist ein Transfer der Fächer Mathematik, Physik und Chemie von der Uni Lausanne zur EPFL sowie eine Fusion der Ecoles de pharmacie von Genf und Lausanne [57].
Noch vor der Präsentation des Projekts hatte es in der hochschulpolitischen Gerüchteküche zu brodeln begonnen. An der ETH Zürich waren angesichts des Verteilkampfs um die Geldmittel zur Finanzierung der anstehenden Reformen im ETH-Bereich Befürchtungen geäussert worden, der Genferseeraum werde bevorzugt behandelt. Unmut machte sich im weiteren an der Lausanner Architekturabteilung gegen die Pläne des neuen EPFL-Präsidenten, Patrick Aebischer, bemerkbar. Aebischer, der auf den 1. März die Nachfolge von Jean-Claude Badoux antreten sollte, wollte den im Entstehen begriffenen Lausanner Neubau, der die Architekturabteilung als einzige noch in der Stadt verbleibende Sektion der EPFL in das Hochschulgelände am Genfersee integrieren soll, teilweise der Biologie zuweisen, die neu an der EPFL geführt werden wird [58]. Statt auf den 1. März trat Aebischer den Präsidentenposten erst gegen Ende des Monats an, da seine Wahl, aber auch seine Nomination dreier Vizepräsidenten auf ungewöhnlich starke Opposition gestossen war und eine regelrechte Krise an der EPFL ausgelöst hatte. Insbesondere der Nomination von Stefan Catsicas – wie Aebischer ein Mediziner und im biotechnologischen Bereich tätig – schlug von Seiten einer Mehrheit der Professorenschaft Widerstand entgegen – unter anderem in Form eines Protestschreibens an Bundesrätin Dreifuss. Die Biowissenschaften seien durch Aebischers Kommen überstürzt und ohne vorgängige Konsultation der Betroffenen zum neuen Entwicklungsschwerpunkt an der EPFL erkoren worden. Inakzeptabel sei es, dass dieser Schwerpunkt in der Schulleitung durch Catsicas und Aebischer nun auch noch doppelt vertreten werde; Präsident und Vizepräsident dürften nicht aus der gleichen Disziplin stammen. Mangelnde Kommunikation und Intransparenz führten dazu, dass zahlreiche Presseberichte teilweise den Eindruck entstehen liessen, die Hochschulpolitik werde von einem kleinen, der Gentechnologie freundlich gesinnten Kreis um ETH-Rat-Präsident Francis Waldvogel, Staatssekretär Kleiber sowie Aebischer und Catsicas selbst bestimmt. Als der ETH-Rat Mitte März die drei Vizepräsidenten gemäss dem Vorschlag Aebischer wählte, zeigte sich der Lehrkörper enttäuscht und forderte, dass im Rahmen der Reorganisation künftig Transparenz bei der Zuteilung von Stellen und Finanzen herrsche [59].
Mitte Jahr unterzeichneten Bundesrätin Dreifuss, die Genfer Bildungsdirektorin Martine Brunschwig und ihre waadtländische Amtskollegin Francine Jeanprêtre eine Absichtserklärung, die den festen Willen des Bundes und der beiden Kantone zum Ausdruck brachte, sich bis Ende des Berichtsjahres für die notwendige Finanzierung des „Projet triangulaire“ einzusetzen. Kurz zuvor hatte der Bundesrat eine Erweiterung des Leistungsauftrags an den ETH-Rat gutgeheissen und diesem 111 Mio Fr. als sogenannte „Autonomiedividende“ für die Realisierung von Kooperationsprojekten mit Universitäten und Fachhochschulen zur Verfügung gestellt. Eigentlich war dieser Betrag den ETH im Gegenzug zur Einräumung von mehr Selbstverwaltung entzogen worden. Von den durch die EPFL beantragten 76,2 Mio Fr. bewilligte der ETH-Rat nur 63 Mio, worauf Aebischer in der Westschweizer Presse seiner Sorge hinsichtlich der Einhaltung des Zeitbudgets für die geplante Restrukturierung Ausdruck gab. Dies wiederum sorgte für Argwohn in der Deutschschweiz, wo für das zweitgrösste Paket der Innovations- und Kooperationsprojekte in Zürich lobbyiert wurde. 44,5 Mio erhielt die ETH Zürich für computer- und informationswissenschaftliche Programme sowie ein Life-Science-Projekt; 14 Mio Fr. wurden im weiteren unter den vier eidgenössischen Forschungsinstitutionen Paul-Scherrer-Institut, Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz und Materialprüfungs- und Forschungsanstalt aufgeteilt [60]. Das seit Anfang des Berichtsjahres herrschende Regime, in dessen Rahmen der ETH-Rat die beiden Schulen und die vier Forschungsanstalten mit jährlichen Leistungsvereinbarungen und Budgets regiert, während die Institutionen jährlich Bericht erstatten müssen – wobei der Bundesrat dem ETH-Bereich einen vierjährigen Leistungsauftrag und ein vom Parlament zu genehmigendes jährliches Budget vorgibt – entbehrt einer klaren rechtlichen Grundlage. Um diese Lücke zu füllen, wurde eine Revision des ETH-Gesetzes in die interne Vernehmlassung gegeben [61].
Gegen Herbst entfachte der Plan, die Pharmazieausbildung auf den Standort Genf zu konzentrieren und in der leer werdenden Lausanner Ecole de pharmacie die Genomik einzurichten, heftige Turbulenzen und erbitterten Widerstand. Die Studenten- und Professorenschaft der Pharmazieschule wehrten sich gegen einen Auszug aus dem erst zehnjährigen, für über 20 Mio Fr. eigens für ihre Bedürfnisse gebauten Gebäude. Solidarität erfuhren sie von Seiten der waadtländischen Apothekerinnen und Apotheker, welche den Verlust ihres Fachzentrums befürchteten. Grundsätzliche Bedenken am „Projet triangulaire“ meldete schliesslich der Studentenverband Fédération des associations d’étudiants (FAE) an und warnte vor einer Förderung der Forschung auf Kosten der Lehre, vor einer Vernachlässigung der Geisteswissenschaften sowie vor einer ungenügenden demokratischen Kontrolle der neuen Strukturen. Im Dezember stimmte der Waadtländer Grosse Rat der Vorlage für das „Projet triangulaire“ zu und unterstellte angesichts des vehement geäusserten Widerstands die Fusion der Ecole de pharmacie dem obligatorischen Referendum [62].
Zur engeren Zusammenarbeit in der pharmazeutischen Lehre unterzeichneten die Leitungen der ETH Zürich und der Universität Basel eine Vereinbarung über ein Zentrum für pharmazeutische Wissenschaften. Das Zentrum setzt sich aus dem betreffenden ETH-Institut und dem analogen Basler Departement zusammen. Statt einer räumlichen Zentralisierung wird eine Verstärkung der Kooperation zwischen den beteiligten Einheiten angestrebt [63].
Der Kanton Bern kündigte aufgrund finanzieller Erwägungen und der durch die neuen Universitätsgesetzgebungen veränderten Rahmenbedingungen das Abkommen über die universitäre Koordination mit den Westschweizer Universitäten. Dem gemeinsamen Programm der Universitäten Freiburg, Genf, Neuenburg, Lausanne und ETH Lausanne im Bereich der Doktorandinnen- und Doktorandenausbildung war Bern 1980 beigetreten. Mit der Streichung des Ausbildungsbeitrags versprach sich nun der Kanton für 2002 jährliche Einsparungen in der Höhe von 170 000 Fr., ab 2003 von 340 000 Fr. [64].
 
[57] LT, 18.3.00; 24h, 23.3.00; Presse vom 30.3.00. Vgl. SPJ 1998, S. 311.57
[58] 24h, 12.1.00; LT, 27.1. und 10.2.00; NZZ, 12.2.00.58
[59] Presse vom 23.2., 24.2., 29.2., 1.3., 2.3., 10.3., 11.3. und 14.-17.3.00; LT, 3.3. und 7.3.00; 24h, 8.3.00. Vgl. hierzu auch die Antworten des BR zu den Vorstössen Neirynck (cvp, VD) (AB NR, 2000, S. 323), Sandoz (fdp, VD) (AB NR, 2000, S. 163) und Widmer (sp, LU) (AB NR, 2000, S. 163) zur Lage an der ETH Lausanne.59
[60] Presse vom 19.5., 1.7. und 28.10.00; NZZ, 20.5. und 22.9.00; TA, 6.6.00. Vision, 4/2000, S. 30 f. Siehe hierzu auch die Antwort des BR zum Vorstoss Neirynck (cvp, VD) betreffend die strategische Reserve des ETH-Rates (AB NR, 2000, S. 715 f.).60
[61] NZZ, 19.1. und 14.11.00; TA, 1.2.00; BaZ, 7.11.00.61
[62] Presse vom 18.8., 7.10. und 11.10.00; 24h, 22.9.00; LT, 27.10. und 24.11.00; Lib., 10.11. und 29.11.00; TG, 22.11.00; NZZ, 1.12.00. Vgl. SPJ 1999, S. 319 f.62
[63] BaZ, 24.5.00; Presse vom 2.6.00.63
[64] Bund, 17.3.00; Presse vom 9.6.00.64