Année politique Suisse 2000 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
Fachhochschulen
Der
Aufbau der Fachhochschulen (FHS) als eines der grossen Projekte der Schweizer Bildungsreform hatte im Berichtsjahr Halbzeit, was der Bundesrat als Anlass für eine
Standortbestimmung nahm. Im Hinblick auf das hoch gesteckte Ziel, bis 2003 das Hochschulangebot um international anerkannte, berufsorientierte Ausbildungsgänge zu erweitern und damit den Nachwuchs an praktisch und wissenschaftlich ausgebildeten Kaderleuten zu sichern, musste die vom zuständigen Wirtschaftsminister Couchepin gezogene Bilanz zwiespältig ausfallen. Denn die Konzentration der FHS auf sieben Standorte als wichtigste Vorgabe des Bundes stiess nach wie vor auf erheblichen Widerstand. Die ungebrochene Tendenz zur Besitzstandwahrung jedes einzelnen Standortes zeitigte seine Folgen in einem Überangebot an Lehrgängen. So boten die sieben vom Bund anerkannten FHS der Schweiz (Tessin, Westschweiz, Bern, Zentralschweiz, Ostschweiz, Nordwestschweiz und Zürich) rund 221 Ausbildungslehrgänge an, von denen aber etwa die Hälfte von weniger als 15 Studierenden besucht wurden. Um der drohenden Ineffizienz entgegenzuwirken, betonte Bundesrat Couchepin die Notwendigkeit, dass die Schulen den Konzentrationsprozess zu Ende führten, ihr Angebot um rund die Hälfte kürzten und schliesslich auch zur Schliessung gewisser Schulstandorte schritten. Bis 2003 sollen die FHS-Ausbildungsgänge mittels Peer-Reviews – von unabhängigen, aus Vertretungen der Forschung und der Wirtschaft international zusammengesetzten Kommissionen vorgenommene Evaluationen – auf ihre Qualität hin überprüft werden
[68]. Anfangs des Berichtsjahres hatten sich die sieben FHS in der
Konferenz der Fachhochschulen der Schweiz (
KFH) zusammengeschlossen, um gemeinsam die Interessen der FHS wahrnehmen zu können. Die KFH will sich für eine Koordination der Bildungsangebote, eine enge Zusammenarbeit mit den Universitäten und den ETH sowie für eine internationale Anerkennung der schweizerischen FHS-Ausbildungen einsetzen
[69].
Die Zusammenfassung der FHS-Projekte Aargau, Solothurn und beider Basel im
FH-Verbund Nordwestschweiz (
FHNWCH) bot auch in diesem Berichtsjahr Anlass zu heftigen Diskussionen. Im Februar kam es zu einer überraschenden
Studiengang-Rochade zwischen der FHS Aargau und der FHS der beiden Basel: Die Architektur und das Ingenieurwesen gingen nach Muttenz; der Aargau erhielt im Gegenzug den Ausbildungsgang Bauprozess-Manager. Dadurch konnte das lange Seilziehen um die Studiengänge entschieden werden
[70]. Hingegen war der Aufbau einer gemeinsamen FHS mit
Doppelstandort in Aarau und Olten, auf den sich die Kantone Solothurn und Aargau im Dezember 1999 geeinigt hatten, immer noch stark umstritten. Die Standortfrage spaltete insbesondere im Kanton Aargau die politischen Lager und führte zum Regionenstreit, da der Ostaargau den bisherigen Standort Brugg nicht zugunsten von Aarau aufgeben wollte. Im April wurde die Vernehmlassung zum 300-Millionen-Projekt in beiden Kantonen abgeschlossen. Die Vernehmlassungsergebnisse stützten die Idee einer fusionierten FHS mit Doppelstandort Aarau-Olten. Eine erneute Aufforderung zur Kooperation ging an die beiden Basler Kantone, wobei die Standortfrage nicht vorweg, sondern in einem „Gesamtpaket“ entschieden werden soll. Entsprechende Vorlagen an die Parlamente der Kantone Solothurn und Aargau wurden für die erste Hälfte 2001 in Aussicht gestellt
[71].
Die beinahe einstimmige Zustimmung der Zentralschweizer Kantonsparlamente zum FHS-Konkordat ebnete den Weg zur
Fachhochschule Zentralschweiz (
FHZ). Der Konkordatsrat als politisches Leitorgan und oberste vollziehende Behörde der FHZ konnte zu Jahresbeginn seine Arbeit aufnehmen
[72]. In einer Absichtserklärung bekräftigten die Erziehungsdirektoren der Kantone
Neuenburg, Jura und Bern ihren Willen zur Schaffung einer einzigen
Ingenieurschule. Mit der Fusionierung der bisherigen Schulen von Le Locle (NE) und St. Imier (BE) soll die neue Schule als Teil der FHS Westschweiz künftig ihren Standort in St. Imier haben
[73].
Der Nationalrat überwies eine Motion Imhof (cvp, BL), welche vom Bundesrat die
Wiedereinführung der vom Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit abgeschafften
praktischen Fachprüfung für gymnasiale Maturandinnen und Maturanden, die in eine FHS technischer Richtung eintreten wollen, verlangt. Damit solle Chancengleichheit bei der Aufnahme in Technische FHS hergestellt und dem Missstand vorgebeugt werden, dass Kandidatinnen und Kandidaten mit einer abgeschlossenen Berufslehre die technische Prüfung nicht bestünden, während Maturandinnen und Maturanden mit einem ungleich kleineren technischen Verständnis und Wissen prüfungsfrei eintreten könnten
[74]. Der Ständerat überwies seinerseits mit 20 zu 18 Stimmen eine Motion Beerli (fdp, BE), die einen
vereinfachten Zugang zu den FHS in der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) für Absolventinnen und Absolventen eines Gymnasiums verlangt. Die Ermöglichung des examenfreien Einstiegs in eine IKT-Ausbildung für Maturandinnen und Maturanden sei durch eine entsprechende Änderung des Gesetzes über die Fachhochschulen im Sinne einer Flexibilisierung nötig, um den Mangel an Informatikerinnen und Informatikern aufzufangen. Kritik an diesem Vorschlag war von Seiten des Christlichnationalen Gewerkschaftsbundes (CNG) laut geworden, der insbesondere eine Aufwertung der Gymnasialmatura auf Kosten der Berufslehre, eine Bevorteilung der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten sowie eine Verschulung des ersten Fachhochschuljahres befürchtete
[75].
[68]
AZ, 1.4.00;
NZZ, 25.5.00; Presse vom 12.12.00;
Vision, 3/2000, S. 27-32. Vgl. auch
SPJ 1999, S. 321 f. sowie die Ausführungen des BR zum Vorstoss Kofmel (fdp, SO) betreffend Wettbewerbsverzerrungen im Fachhochschulbereich (
AB NR, 2000, S. 849 und 941).68
[70]
SZ, 3.2.00;
NZZ, 11.2.00.70
[71]
SZ, 7.3., 5.4. und 8.4.00;
AZ, 9.3.00;
TA, 18.4.00; Presse vom 23.5.00;
NZZ, 24.5.00. Vgl.
SPJ 1999, S. 323.71
[73] Presse vom 26.9.00;
Bund, 27.9.00.73
[74]
AB NR, 2000, S. 484 f. Siehe hier auch die Antwort des BR auf den Vorstoss Pfister (svp, SG) betreffend Zulassungsbestimmungen zu FHS (
AB NR, 2000, II, Beilagen, S. 457).74
[75]
AB SR, 2000, S. 260 ff.; Presse vom 7.6.00;
TA, 4.12.00.75
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