Année politique Suisse 2001 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Parteiensystem
Zu den Sitzanteilen der Parteien auf Exekutiv- und Legislativebene sowie zu den Frauenanteilen vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie anhang_2001.pdf. Zu den Parolen der Parteien zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe die Tabelle parolen_2001.pdf. Siehe auch die verschiedenen Sachkapitel.
Gemäss einer politikwissenschaftlichen Untersuchung der Berner Andreas Ladner und Michael Brändle zum schweizerischen Parteiensystem verfügt die FDP mit etwa 1300 Ortsparteien über das dichteste Netz, gefolgt von der CVP mit 1100 Ortssektionen und der SP mit 1050 Lokalparteien. Die SVP umfasste zum Zeitpunkt der Befragung 1010 Sektionen. Nach der Schätzung der Autoren sind rund 300 000 Wahlberechtigte Mitglied einer politischen Partei. Damit liegt die Schweiz mit einem Anteil von 6.4% im europäischen Vergleich über dem Mittel (am höchsten: Österreich 17,7% und Finnland 10%; am niedrigsten: Grossbritannien 1,9% und Frankreich 1,6%). Über die meisten Mitglieder verfügt die FDP (87 000), gefolgt von der CVP (74 000), der SVP (59 000) und der SP (38 000). Bei der SP machen die Mitgliederbeiträge den grössten Teil der Gesamteinnahmen aus (52%). Bei der FDP und der CVP dominieren hingegen die Zuwendungen Dritter (54% resp. 38%). Die SVP weist sämtliche Spendeneinnahmen als freiwillige Zuschüsse von „Parteimitgliedern“ aus (rund 50% der Gesamteinnahmen). Das Gesamtvolumen der Beiträge, die den Schweizer Parteien auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene zur Verfügung stehen, schätzten die Autoren auf über 40 Mio Fr. jährlich (in Wahljahren über 60 Mio). Sie kamen zum Schluss, dass sich das Schweizer Parteiensystem in den nächsten Jahrzehnten verändern werde, zugleich aber auch stabilisierende Merkmale aufweise. Sicher sei, dass der Druck zur Professionalisierung und Zentralisierung weiter zunehme, so dass die Schweiz letztlich nicht um eine staatliche Parteienfinanzierung herumkäme. Besonders den nationalen Generalsekretariaten fehlten die finanziellen Mittel für eine professionelle Bearbeitung politischer Themen. Erschwerend komme hinzu, dass Spenden an politische Parteien seit 2001 nicht mehr von den Steuern abgezogen werden dürfen; vor Inkrafttreten des Steuerharmonisierungsgesetzes waren solche Abzüge in rund der Hälfte aller Kantone erlaubt [1].
Da nach wie vor unklar ist, wie viel Politikerinnen und Politiker für ihren Wahlkampf ausgeben und wer die Abstimmungskampagnen finanziert, schlug der Staatsrechtler und Politikwissenschafter Tiziano Balmelli vor, die Wahlkampfbudgets nach oben zu beschränken, um die Chancengleichheit zu vergrössern und die Gefahr von Bestechung zu verringern. Konkret sollte für jeden Wahlkreis ein Höchstbetrag sowohl für die Kandidierenden als auch für die Parteien im Verhältnis zur Zahl der Stimmberechtigten festgelegt werden. Strenge Sanktionen, z.B. hohe Bussen, der Verlust des politischen Mandats oder der zeitweilige Entzug passiver politischer Rechte sollten Missbräuche verhindern. Weiter forderte Balmelli von den Parteien, ihre Abrechnungen offen zu legen – einzig die Kantone Genf und Tessin kennen gesetzliche Vorschriften, die mehr Transparenz ermöglichen sollen. Öffentliche Mittel als Ersatz für private Spenden seien keine Lösung, sondern würden als Ergänzung gebraucht, wie ein Blick ins Ausland zeige. Die Parteien lehnten diese Vorschläge ab: Ob jemand gewählt werde, hänge nicht in erster Linie vom Budget ab, betonte CVP-Sprecher Paul Felber. SVP-Generalsekretär Jean-Blaise Defago wollte lieber den Markt spielen lassen, während Guido Schommer von der FDP grosse Umsetzungsprobleme sah. SP-Generalsekretär Reto Gamma genügte es, offen zu legen, woher das Geld stamme; damit könnte die Wählerschaft selber entscheiden, ob sie diese Person wählen wolle [2].
Innerhalb von nur einem Jahr besetzten alle vier Bundesratsparteien und die Grünen die meisten Spitzenämter neu. Es fand eine Verlagerung vom Berg ins Tal, vom Land in die Stadt und teilweise von der Zentral- in die Ostschweiz statt: Nachdem im Oktober 2000 die SP Christiane Brunner zur Präsidentin gewählt hatte, folgte im April 2001 die FDP, als Franz Steinegger nach über zwölf Jahren Gerold Bührer das Amt übergab. Einen Monat später wählte die CVP Philipp Stähelin zum Nachfolger von Adalbert Durrer. Im Oktober schliesslich bestimmten die Grünen ein Kopräsidium mit Ruth Genner und Patrice Mugny, das Ruedi Baumann ablöste. In den Generalsekretariaten übernahmen überwiegend Junge die Leitung oder das Amt des Pressesprechers: Im Vorjahr hatten bei der FDP Guido Schommer Johannes Matyassy und bei der SP Reto Gamma Jean-François Steiert als Generalsekretär ersetzt. Im Berichtsjahr folgte bei der SVP Gregor Rutz auf Jean-Blaise Defago und bei der CVP Reto Nause auf Hilmar Gernet. Auch die Parteisprecher wechselten: Bei der FDP ist neu die 32-jährige Barbara Perriard, bei der SVP der 29-jährige Yves Bichsel, bei der CVP die 25-jährige Béatrice Wertli und bei der SP Jean-Philippe Jeannerat (47) zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit [3].
Auffällig war, dass die Bundesratsparteien auch während der Sommerferien Pressekonferenzen organisierten, mit neun Anlässen waren dies dreimal mehr als im Wahljahr 1999. Dieser Aktivismus ist umso bedeutsamer, als im September keine Volksabstimmung stattfand [4].
 
[1] NZZ und SZ, 5.7.01; SHZ, 8.8.01; Lit. Ladner/Brändle.1
[2] CdT und QJ, 12.1.01; NLZ, 13.1.01; BaZ, 30.1.01; Lit. Balmelli.2
[3] LT, 16.3. und 21.3.0; BZ, 17.7.01.3
[4] LT, 31.7.01; TA, 13.8.01.4