Année politique Suisse 2001 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
Im Berichtsjahr erhitzte die Frage der
Forschung an embryonalen Stammzellen die Gemüter. Dabei werden die bei einer In-vitro-Fertilisation anfallenden überzähligen Embryonen zur Züchtung von menschlichem Gewebe verwendet. Gemäss Verfassung (Art. 119 Abs. 2) und dem neuen Fortpflanzungsmedizingesetz, das auf den 1.1.2001 in Kraft trat, ist die Gewinnung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken verboten, ebenso Eingriffe in das Erbgut menschlicher Keimzellen und Embryonen, eine beschränkte therapeutische Forschung hingegen möglich. Ein wissenschaftliches Team der Universität Genf reichte beim
Schweizerischen Nationalfonds (SNF) ein Gesuch für die Finanzierung eines Versuchs mit importierten Stammzellen ein. Unterstützung fand es bei der Ethikkommission des Universitätsspitals Genf und bei der Zentralen Ethikkommission der SAMW sowie in einem Rechtsgutachten, das den Import von Stammzellen als mit dem Gesetz vereinbar erachtete. Der Forschungsrat des SNF diskutierte das Gesuch sehr kontrovers und leitete es schliesslich an den vom Glarner FDP-Ständerat Schiesser präsidierten Stiftungsrat weiter, um gewissermassen eine politische Entscheidung zu erwirken. Ende September entschied dieses Gremium, das Genfer Forschungsprojekt finanziell zu unterstützen. An einer Medienkonferenz äusserte sich Schiesser grundsätzlich positiv zur Stammzellenforschung, forderte aber den Gesetzgeber auf, rasch die noch fehlenden Grundlagen für diese Arbeiten zu schaffen
[29]. Anders sah dies die im Fortpflanzungsmedizingesetz vorgeschriebene
nationale Ethikkommission für den humanen Bereich (NEK), die der Bundesrat Mitte Jahr eingesetzt hatte. Ohne sich im Grundsatz für oder gegen die Stammzellenforschung auszusprechen, empfahl sie, das Genfer Gesuch abzulehnen, da die ethischen und rechtlichen Fragen noch ungenügend geklärt seien
[30].
1999/2000 war der Bundesrat mit einer von beiden Kammern überwiesenen Motion Plattner (sp, BS) verpflichtet worden, ein Rahmengesetz über die medizinische Forschung am Menschen vorzulegen. Als Reaktion auf die Kontroverse um das Genfer Gesuch beschloss er, die Regelung der Forschung an menschlichen Embryonen in einem
eigenen Bundesgesetz vorzuziehen und dieses später in das Gesetz über die Forschung am Menschen zu integrieren. Das Vorgehen des SNF bezeichnete das EDI als „legal“, da es keine klare Regelung für den Import von Stammzellen gebe
[31]. Die Parteien hielten sich in dieser Frage relativ bedeckt. SVP und FDP erklärten, sich noch kaum mit der Materie beschäftigt zu haben; die FDP begrüsste allerdings den Entscheid des Nationalfonds. Die SP gründete eine Fachkommission, fasste aber keine Beschlüsse. Für die CVP verlangte Nationalrätin Dormann (LU) ein vorläufiges Verbot der verbrauchenden Forschung und strenge Regelungen für den Import embryonaler Stammzellen. Die GP sprach sich für ein umfassendes Verbot aus
[32].
[29]
Ww, 14.6.01;
TG, 31.8.01; Presse vom 29.9.01.29
[30] Presse vom 4.7. und 27.9.01;
Bund, 10.8.01;
LT, 22.8.01;
TA, 30.8.01;
24h, 11.9.01.30
[31] Presse vom 22.11.01. Vgl. auch die Stellungnahme des BR zu zwei Interpellationen (GP-Fraktion und Gutzwiller, fdp, ZH) in
AB NR, 2001, IV, Beilagen, S. 307 ff. und 432 f. Siehe
SPJ 2000, S. 207. Der NR wollte sich ebenfalls nicht festlegen und lehnte eine pa.Iv. Schmied (svp, BE) ab, die ein absolutes Verbot der Embryonenforschung verlangte (
AB NR, 2001, S. 268 f.).31
[32]
NZZ, 19.9. und 4.10.01. Siehe dazu auch unten, Teil I, 8a (Forschung).32
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