Année politique Suisse 2001 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Suchtmittel
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Drogen
Im März leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) zu. In den grossen Linien entsprachen seine Vorschläge dem Vernehmlassungsentwurf aus dem Vorjahr. So sollen der Cannabiskonsum und dessen Anbau zum Eigengebrauch straffrei sowie Herstellung und Vertrieb von Cannabisprodukten für kommerzielle Zwecke nach dem Opportunitätsprinzip zugelassen, aber streng reglementiert werden (Verkauf nur an volljährige, in der Schweiz wohnhafte Personen, Verbot von Export und Import sowie Kontrolle der angebauten und gehandelten Mengen). Handel und Konsum von harten Drogen wie Heroin und Kokain bleiben weiter strafbar; der Bundesrat war allerdings der Auffassung, der Konsum solle, falls er nicht in der Öffentlichkeit stattfindet, gemäss dem Opportunitätsprinzip ebenfalls von der Strafverfolgung ausgenommen werden können, ebenso die sogenannten Vorbereitungshandlungen (Kauf und Besitz geringer Mengen zum Eigengebrauch). Die Vier-Säulen-Politik des Bundes (inkl. heroingestützte Therapie), bisher durch einen dringlichen Bundesbeschluss geregelt, wird in ordentliches Recht überführt [38].
Der Ständerat behandelte die Vorlage in der Wintersession. Die Verankerung des Vier-Säulen-Modells mit der kontrollierten Heroinabgabe war nicht bestritten. Den Hauptdiskussionspunkt bildete der künftige Umgang mit Cannabis. Befürworter und Gegner einer Entkriminalisierung waren quer durch alle Parteien zu finden. Erkennbar war der traditionelle drogenpolitische Graben zwischen fortschrittlicher Deutschschweiz und bremsender Romandie. Gegnerische Wortführer waren Studer (sp, NE), Langenberger (fdp, VD) und Epiney (cvp, VS), die monierten, der Cannabiskonsum dürfe nicht gesellschaftsfähig werden. Aus der Deutschschweiz erhielten sie die Unterstützung der SVP. Die Ratsmehrheit machte für ihre Zustimmung die gesellschaftliche Realität, die geringe Schädlichkeit von Cannabis im Vergleich zu Tabak und Alkohol sowie die Stärkung des Jugendschutzes geltend. Mit 32 zu 8 Stimmen wurde die Strafbefreiung von Konsum und Anbau zum Eigenbedarf schliesslich gutgeheissen, die Alterslimite allerdings auf 18 Jahre hinaufgesetzt; der Bundesrat hatte 16 Jahre vorgeschlagen. Gar oppositionslos passierte die Zulassung eines streng kontrollierten Anbaus zu kommerziellen Zwecken. Zurückhaltender als die Regierung zeigte sich die kleine Kammer beim Konsum von harten Drogen: dieser soll in allen Fällen strafbar bleiben, eine Aufweichung beim privaten Konsum nach dem Opportunitätsprinzip schien dem Ständerat nicht angebracht. Das revidierte Gesetz wurde einstimmig verabschiedet [39].
Da dies der Rechtssprechung des Eidg. Versicherungsgerichts widersprechen würde, lehnte der Ständerat eine Motion der SGK des Nationalrates ab, die den Bundesrat beauftragen wollte, weiterhin Institutionen der privaten Drogenrehabilitation mit Mitteln der IV zu unterstützen. Weil viele dieser Einrichtungen durch die Praxisänderung des BSV in eine schwierige finanzielle Situation geraten sind, überwies er den Vorstoss jedoch in der Postulatsform mit der Bitte, Hand für Übergangslösungen zu bieten; Bundesrätin Dreifuss verwies auf bereits unternommene Anstrengungen und versicherte, dass alles getan werde, um den Betrieb dieser Institutionen sicherzustellen [40].
Im Sommer öffnete in Genf der erste Fixerraum der Romandie seine Tore. Genf ist auch der erste – und bisher einzige – welsche Kanton, der sich an den Programmen mit der ärztlich verschriebenen Abgabe von Heroin beteiligt [41].
 
[38] BBl, 2001, S. 3715 ff.; Presse vom 10.3.01. Siehe SPJ 2000, S. 209 f. Eine Umfrage der Schweiz. Fachstelle für Alkohol- und Drogenprobleme ergab, dass ein Viertel der Jugendlichen regelmässig Cannabis raucht – ohne sozial abzustürzen. In der Gesamtgesellschaft hat die Bereitschaft, Cannabis als „normales“ Genussmittel anzusehen, stark zugenommen (Presse vom 16.2.01).38
[39] AB SR, 2001, S. 971 ff.39
[40] AB SR, 2001, S. 209. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR zu zwei Interpellationen Rossini (sp, VS) und Ménétray-Savary (gp, VD) in AB NR, 2001, III, Beilagen, S. 460 ff. und IV, Beilagen, S. 409 ff. sowie CHSS, 2001, S. 336 ff.40
[41] Presse vom 23.5.01.41