Année politique Suisse 2001 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport
Sozialhilfe
Gemäss einer vom BFS in Auftrag gegebenen breit angelegten Studie waren 1999
7,5% der Erwerbstätigen sogenannte
Working Poor, erreichten also mit ihrer Arbeit lediglich einen Lohn unterhalb der Armutsgrenze. Betroffen waren auch die im gleichen Haushalt wohnenden Familienangehörigen, gesamthaft rund 535 000 Personen, davon mehr als zwei Fünftel Kinder. Der konjunkturelle Einbruch während der neunziger Jahre verschärfte das Problem: Die Working Poor-Quote stieg 1996 sprunghaft von 4,9% auf 7,3% an, um auf diesem Niveau zu verharren. Ob jemand zum Working Poor wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Gemäss der Studie wird das Risiko durch die
Stellung auf dem Arbeitsmarkt ebenso geprägt wie durch die
Familienstruktur. Besonders gefährdet sind Ausländer, schlecht Ausgebildete, Selbständigerwerbende in Kleinstbetrieben, Beschäftigte in Tieflohnbranchen sowie Teilzeitangestellte. Stark betroffen sind Alleinerziehende und Grossfamilien
[42].
In seiner Antwort auf eine Interpellation Schwaab (sp, VD) bezeichnete der
Bundesrat diese Ergebnisse als
besorgniserregend und erinnerte an die Sozialziele in der Bundesverfassung (Art. 41), die den Bund verpflichten, mit gewissen Einschränkungen dafür zu sorgen, dass „Erwerbsfähige ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können“. Er vertrat allerdings auch die Ansicht, der Lohnbildungsprozess sei in der Schweiz in erster Linie Sache der Sozialpartner, weshalb sich der Bund hier nicht einmischen könne
[43].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Leutenegger Oberholzer (sp, BL), das den Bundesrat beauftragt, einen
Bericht über die Tieflohnsituation in der Schweiz sowie die Lebensumstände der Working Poor ausarbeiten zu lassen. Ein ebenfalls angenommenes Postulat ihrer Zürcher Parteikollegin Fehr regte einen Bericht über die Wohlstandsverhältnisse und die
Verteilung der Konsumkraft in der Schweiz nach Abzug aller Steuern und Abgaben an, um Grundlagen für die anstehenden Steuerrevisionen zu erhalten
[44].
Vier Jahre nach dem Terroranschlag von
Luxor (Ägypten) konnte die Entschädigung der Opfer abgeschlossen werden. Im Oktober wurden die letzten 876 000 Fr. aus dem von den beiden betroffenen Reiseveranstaltern, acht Privatversicherungen, SUVA, AHV/IV, 16 Kantonen und den Geschädigten gegründeten Luxor-Fonds verteilt. Insgesamt erhielten 78 Personen 4,7 Mio Fr. Der Fonds kam für Schäden auf, die weder durch Sozial- und Privatversicherungen noch durch das Opferhilfegesetz gedeckt waren
[45].
[42]
Lit. Streuli / Bauer; Presse vom 24.3.01. Die Armutsgrenze wurde nach den Richtlinien der SKOS definiert (Einkommen – nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen – von weniger als 2100 Fr. pro Monat für einen Einpersonenhaushalt, von weniger als 4000 Fr. für eine vierköpfige Familie). Die Analyse wurde von den jüngsten Zahlen der Städteinitiative „Ja zur sozialen Sicherung“ bestätigt (Presse vom 22.6.01; vgl.
SPJ 2000, S. 252). Für Massnahmen zugunsten von Familien siehe unten, Teil I, 7d (Familienpolitik).42
[43]
AB NR, 2001, IV, Beilagen, S. 534 f.43
[44]
AB NR, 2001, S. 354 und 1440. Zum Steuerpaket siehe oben, Teil I, 5 (Direkte Steuern).44
[45]
NZZ, 11.10.01. Siehe
SPJ 2000, S. 211.45
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