Année politique Suisse 2001 : Politique sociale / Groupes sociaux / Flüchtlingspolitik
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Gesetzgebung
Mitte Juni präsentierte Bundesrätin Metzler den Vernehmlassungsentwurf für eine neuerliche Revision der Asylgesetzgebung. Inhaltlich wich er nur in unwesentlichen Punkten von den im Vorjahr zur Diskussion gestellten Vorschlägen ab. Im Vordergrund steht eine konsequente Drittstaatenregelung: Wenn sich ein Asylbewerber vor seiner Ankunft in der Schweiz einige Zeit in einem aus menschenrechtlicher Sicht „sicheren“ Staat (in erster Linie einem westeuropäischen Land) aufgehalten hat und dorthin zur Beantragung von Asyl zurückkehren kann, soll auf sein Gesuch in der Regel nicht mehr eingetreten werden. Bei der Präsentation bemühte sich Metzler, die Lösung des Bundesrates gegen die ähnlichlautende hängige Volksinitiative der SVP („gegen Asylrechtsmissbrauch“) abzugrenzen, die verlangt, dass jeder Aufenthalt in einem Drittland automatisch zu einem Ausschluss aus dem Asylverfahren führt. Als zweite zentrale Massnahme ist ein neues Finanzierungssystem für die Sozialhilfe geplant, mit dem Kosten eingespart werden sollen. Durch die heute geltende Pauschalabgeltung profitieren jene Kantone, die viele Asylbewerber haben und diese knapp halten, weshalb sie wenig daran interessiert sind, abgewiesene Personen rasch wegzuweisen. Neu sollen die Kantone Globalpauschalen für die Aufwendungen im Asylbereich erhalten, die zum Teil an eine Leistungskomponente gekoppelt sind: damit die Pauschalen ausgerichtet werden, müssen gewisse „asyl- und sozialpolitische Ziele“ erreicht werden.
Im Gegenzug zu diesen Verschärfungen will der Bundesrat eine einheitliche Aufenthaltsregelung für die sogenannten Härtefälle schaffen: Personen, deren Asylverfahren ohne eigenes Verschulden nach sechs Jahren nicht abgeschlossen ist, die sich deswegen in einer schweren persönlichen Notlage befinden und nicht kriminell wurden, sowie Personen, deren Rückkehr in den Heimat- oder Herkunftsstaat sechs Jahre seit Anordnung der vorläufigen Aufnahme nicht erfolgen kann, sollen neu den Anspruch auf eine Jahresbewilligung erhalten. Seinen früheren Vorschlag auf Ausweitung des Arbeitsverbotes verfolgte der Bundesrat nicht weiter, da sich gezeigt hatte, dass damit enorme Mehrkosten verbunden sind und die Arbeitsmigration nicht effizient eingedämmt werden kann. Hingegen nahm er sein altes Anliegen wieder auf, die Asylbewerber und vorläufig Aufgenommenen aus dem für den Risikoausgleich der Krankenkassen massgebenden Bestand auszunehmen und die Kantone zu ermächtigen, die Krankenversicherung sowie die freie Arzt- und Spitalwahl dieses Personenkreises auf HMO- und andere Sparmodelle einzuschränken [18].
Die Stellungnahmen der Parteien und Interessengruppen zu diesen Vorschlägen zeigten die bekannte Polarisierung in Asylfragen. Der SP und den Hilfswerken ging die Drittstaatenregelung zu weit; sie wollten an der bisherigen Praxis festhalten, wonach ein maximal dreiwöchiger Aufenthalt in einem Transitland nicht als Ausschlussgrund gilt. Die CVP stimmte der Neuregelung explizit zu, die FDP durch Stillschweigen ebenfalls. Die SVP bezeichnete sie als halbherzig und beharrte auf den Forderungen ihrer Volksinitiative, wonach auch Asylsuchende, die in keinem Transitland ein Gesuch stellen können, vom Verfahren ausgeschlossen und damit höchstens vorläufig aufgenommen werden. Bezüglich der pauschalen Abgeltung der kantonalen Fürsorgeleistungen durch den Bund lagen die Positionen näher beieinander, doch wurden Fragen der Umsetzung kontrovers beurteilt. Breit opponiert wurde von bürgerlicher Seite den neuen Ansprüchen auf Aufenthaltsrechte. Widerstand kam hier auch von den Kantonen, die für eine allfällige Sozialhilfe an Jahresaufenthalter aufzukommen hätten [19].
Der Bundesrat empfahl dem Parlament, die Volksinitiative der SVP „gegen Asylrechtsmissbrauch“ ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung, da sie nicht praktikabel sei und der Bundesrat verschiedene Forderungen bereits erfüllt habe oder daran sei, ihnen Rechnung zu tragen. Nach kurzer Debatte folgte ihm der Ständerat mit den geschlossenen Voten von CVP, FDP und SP mit 36 gegen 6 Stimmen [20].
 
[18] Presse vom 16.6.01. Siehe SPJ 2000, S. 244. 18
[19] Presse vom 22.9. und 9.10.01. Ein im Auftrag des UNHCR erstelltes Gutachten bezeichnete die vorgesehene „Drittstaatenregelung“ als die „weitaus schärfste“ im ganzen westeuropäischen Raum und kritisierte v.a. die mangelnden Rekursmöglichkeiten (NZZ, 29.11.01). 19
[20] BBl, 2001, S. 4725 ff.; AB SR, 2001, S. 900 ff. Als einziger SVP-Vertreter sprach sich der Berner Lauri gegen die Initiative aus. 20