Année politique Suisse 2001 : Enseignement, culture et médias / Médias
Presse
In einer erstmalig vom Bundesamt für Statistik durchgeführten Studie wurden die vom
Wandel der Zeitungslandschaft zwischen 1980 und 1999 ausgehenden Einflüsse auf die
Pressevielfalt untersucht. In dieser Zeitspanne war die Zahl der Zeitungstitel um fast ein Viertel geschrumpft. Seit dem konjunkturellen Einbruch der 90er Jahre prägten Fusionen, Einstellungen und Konzentrationen das Bild – allein von 1990 bis 1999 ging die Anzahl der mindestens einmal wöchentlich erscheinenden Blätter um 22% zurück. Ein Rückgang von 29% war bei den sogenannt publizistischen Einheiten – Zeitungen mit einem gemeinsamen überregionalen Teil – zu verzeichnen; gleichzeitig wuchs die durchschnittliche Anzahl der in einer publizistischen Einheit vereinten Titel um 10%, wobei der Zuwachs bei den deutschsprachigen Tageszeitungen mit 25% besonders hoch war
[17]. Mit der „
MACH Basic 2001“ wurden die für den Zeitraum April 2000 bis April 2001 relevanten Leserzahlen zum zweiten Mal aufgrund einer neuen, international standardisierten Erhebungsmethode präsentiert. Generell konnte beobachtet werden, dass die grösseren Schweizer Tages- und Wochenzeitungen relativ stabile Leserzahlen auswiesen. An der Spitze der Tageszeitungen stand erneut der „Blick“ mit 739 000 Leserinnen und Lesern. Der „Tages-Anzeiger“ büsste als einzige grosse Deutschschweizer Tageszeitung mit einem Reichweiten-Rückgang von 8% statistisch signifikant an Leserschaft ein. Der Verlust war insbesondere auf die Konkurrenz der Gratiszeitungen „20 Minuten“ und „Metropol“ zurückzuführen, die erstmals erfasst wurden und mit 314 000 resp. 216 000 Leserinnen und Lesern pro Ausgabe aufwarten konnten. Ganz allgemein hatten die Gratiszeitungen einzelnen Titeln Leserschaft abgenommen und den Wettbewerb verschärft, jedoch nicht zu grundsätzlichen Kräfteverschiebungen geführt
[18]. Die Gratiszeitung „
Metropol“ wurde ab November aus Kostengründen
nur noch im Grossraum Zürich verteilt
[19].
Mit dem Vormarsch französischer Medienhäuser in die Westschweiz erhielt das Quasimonopol von Edipresse Konkurrenz. Die Pariser Tageszeitung „
Le Monde“ beteiligte sich mit 20% am Westschweizer Blatt „
Le Temps“; 47% des Kapitals verblieben im Besitz von Edipresse als Hauptaktionärin. Das Verlagsimperium „
Hersant“, zu dem unter anderem „Le Figaro“ gehört, stieg seinerseits beim Lokalblatt „
La Côte“ ein. Während das Ziel von „Le Monde“, mit „Le Temps“ sein europäisches Netzwerk unabhängiger Zeitungen auszubauen, auf allgemeines Wohlwollen stiess, witterte die ebenfalls am Kauf von „La Côte“ interessierte Edipresse bei „Hersant“ eine gezielte Konkurrenzstrategie mit der Absicht, weitere Akquisitionen auf dem regionalen Zeitungsmarkt zu tätigen
[20].
Erneute Konzentrationsbewegungen in der Schweizer Presselandschaft ergaben sich durch die Kooperation von vier Tageszeitungen in den Kantonen Aargau und Solothurn im Rahmen der „
Mittelland Zeitung“. Mit dem Zusammenschluss von „Aargauer Zeitung“, „Solothurner Zeitung“, „Oltner Tagblatt“ und „Zofinger Tagblatt“ entstand zwischen Baden und Grenchen die drittgrösste Schweizer Tageszeitung mit einer Auflage von 200 000 Exemplaren und einer Reichweite von 374 000 Leserinnen und Lesern. Die vier Blätter erscheinen ab Januar 2002 mit dem gemeinsamen Untertitel „Mittelland Zeitung“, wobei die „Aargauer Zeitung“ klar den Ton angeben wird
[21]. Als Reaktion auf diese Kooperation vollzog die Berner Espace Media Groupe – vormals Berner Tagblatt Mediengruppe (BTM) – ihre im Mai angekündigte Expansion in den Wirtschaftsraum Jurasüdfuss nicht wie geplant erst im Januar 2002, sondern bereits im Oktober des Berichtsjahres und lancierte das „
Solothurner Tagblatt“ als Kopfblatt der BZ
[22].
Im Juli gaben die Freiburger Nachrichten AG und die Espace Media Groupe als Herausgeberinnen der „
Freiburger Nachrichten“ (FN) beziehungsweise der „
Berner Zeitung“ (BZ) die Zusammenarbeit der beiden Blätter bekannt. Ab September bezog die FN die überregionalen Seiten von der BZ, welche damit die „Solothurner Zeitung“ als bisherige Lieferantin dieser Seiten ablöste. Die BZ bezog ihrerseits redaktionelle Beiträge von der FN. Betont wurde, dass die Selbständigkeit sowie die redaktionelle Unabhängigkeit der beiden Blätter durch diese Zusammenarbeit nicht tangiert würden
[23]. Die Freiburger Tageszeitung „
La Liberté“ stieg beim „
Quotidien jurassien“ ein, indem ihre Herausgeberin das Druck- und Verlagshaus „Le Pays“ – seinerseits mit 50% an der Herausgeberin des „Quotidien jurassien“ beteiligt – übernahm
[24].
Im Waadtland kam es zum Zusammenschluss von „La Presse“ und „Le Nord Vaudois“, womit den beiden Zeitungen das Überleben gesichert werden sollte. Die Titel erscheinen mit einer kumulierten Auflage von 35 000 Exemplaren neu unter den Namen „
La Presse/Riviera Chablais“ und „
La Presse/Nord vaudois“
[25].
Ende des Berichtsjahres gab die Basler Mediengruppe den Verkauf des Zürcher Verlagshauses
Jean Frey AG an Ringier bekannt und führte dazu finanzielle Gründe an. Unterschrieben worden war vorerst nur ein Vorvertrag; für einen definitiven Entscheid standen noch eine Überprüfung der finanziellen Situation des Unternehmens sowie die Zustimmung der Weko aus. Was Ringier mit den wichtigsten Verlagsprodukten der Jean Frey AG – so die „Weltwoche“, „Bilanz“, der „Beobachter“ oder „TR7“ – vor hatte, blieb unklar
[26].
Ende Mai kündigte die „Neue Zürcher Zeitung“ die Lancierung einer
NZZ-Sonntagsausgabe ab Frühling 2002 an und forderte damit die zwei schon bestehenden Produkte auf dem lukrativen Sonntagszeitungsmarkt – die „SonntagsZeitung“ aus dem Hause Tamedia sowie Ringiers „SonntagsBlick“ – heraus. Mit einer eigenständigen Redaktion und einer spezifischen Ausrichtung auf den Schweizer Markt wurde mittelfristig eine Auflage von 150 000 Exemplaren angestrebt
[27].
Im Oktober erschien erstmals die von den Gewerkschaften GBI, VHTL und SMUV getragene Zeitung „
Work“. Im Zeitungsformat soll „Work“ ein nicht nur links orientiertes Zielpublikum, sondern die arbeitende, lohnabhängige Bevölkerung ganz allgemein alle vierzehn Tage über Themen aus der Arbeitswelt informieren. Die Gewerkschaftsmitglieder erhalten das Blatt kostenlos; auf dem freien Markt wollen die Trägerinnen 20 000 Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen
[28].
Ab April erschien mit „
Tacheles“ ein neues jüdisches Wochenblatt, das die „Jüdische Rundschau“ und das „Israelische Wochenblatt“ ersetzte. Laut der Basler Mediengruppe – zusammen mit dem Serenada-Verlag Herausgeberin des Magazins – richtet sich „Tacheles“ an eine jüdische Leserschaft, ohne jedoch den Austausch mit einem nichtjüdischen Publikum vernachlässigen zu wollen. Nicht tangiert von dieser Neuerscheinung wurde die französischsprachige Schwesterpublikation „Revue juive“
[29].
[17] Presse vom 24.4.01. 17
[18]
BaZ, 2.5.01 (Gratiszeitungen); Presse vom 11.9.01; vgl.
SPJ 2000, S. 298. 18
[19] Presse vom 3.11.01;
BaZ, 7.11.01;
TA, 8.11.01;
Bund, 10.11.01; vgl.
SPJ 2000, S. 298 f. 19
[20] Presse vom 26.9.01;
LT, 3.10.01;
Bund, 5.10.01;
NF, 9.11.01;
TG, 11.10.01. 20
[21] Presse vom 15.3.01;
NZZ, 3.7.01;
Bund 3.7. und 6.10.01;
BaZ, 4.9. und 29.12.01. 21
[22] Presse vom 18.5. und 22.10.01;
Bund, 28.9.01;
NZZ, 6.10.01. 22
[24]
LT, 18.1.01;
NZZ, 30.1.01. 24
[25] Presse vom 4.4.01. 25
[26] Presse vom 30.6. und 28.12.01;
Bund,19.10.01;
BaZ, 18.10.01. 26
[27] Presse vom 30.5.01;
TA, 31.5.01;
LT, 18.8.01. 27
[28] Presse vom 26.10.01. 28
[29]
BaZ, 1.2.01;
NZZ, 2.2.01. 29
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