Année politique Suisse 2002 : Eléments du système politique / Structures fédéralistes
Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
Die Kantone messen der Zusammenarbeit mit den anderen Kantonen, aber auch mit Nachbarregionen im Ausland wachsende Bedeutung zu. Dies zeigt sich daran, dass immer mehr Kantone über spezielle Institutionen (Sekretariate, Koordinationsstellen) für die Pflege dieser Beziehungen verfügen. Nicht zuletzt die Ausmarchungen über den Sitz der beiden neuen Bundesgerichte verstärkte im Berichtsjahr zudem bei den meisten Kantonen den Wunsch, die
Nähe zu den Entscheidungszentren der Bundespolitik in Bern zu suchen. In diesem Sinne beschloss die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), den Sitz ihres Sekretariats von Solothurn in die Bundesstadt zu verlegen
[1].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Ratifizierung des 2. Protokolls zum europäischen Rahmenabkommen über die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften. Dieses stellt eine Ergänzung des bestehenden Abkommens dar, indem es die entsprechenden Regeln der regionalen Zusammenarbeit auf Gebietskörperschaften (Gemeinden, Kantone) ausweitet, welche
nicht an den Staatsgrenzen liegen. Das Parlament hiess den Beschluss diskussionslos und ohne Gegenstimme gut
[2].
Als Erstrat befasste sich der
Ständerat mit den Vorschlägen des Bundesrats zur
„Neuausgestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen“ (
NFA). In der Eintretensdebatte wurde die generelle Stossrichtung der NFA allgemein begrüsst. Einzig der Sozialdemokrat Gentil (JU) äusserte daran grundsätzliche Kritik, indem er bemängelte, das Projekt lege zuviel Gewicht auf die positiven Effekte des Wettbewerbs unter den Kantonen und zuwenig auf die Festlegung von national gültigen Mindeststandards für staatliche Leistungen (z.B. im Sozialbereich). In der Detailberatung fasste der Ständerat auf Antrag seiner vorberatenden Kommission die Bedingungen enger, unter welchen der Bund vorschreiben kann, dass Kantonsaufgaben zwingend in Zusammenarbeit und mit Lastenausgleich erfüllt werden müssen. Er beschloss erstens, die für solche
allgemeinverbindliche Abkommen in Frage kommenden neun Aufgabenbereiche
[3] abschliessend in der Verfassung aufzulisten; und zweitens siedelte er die Kompetenz, diese Abkommen allgemeinverbindlich zu erklären (also renitente Kantone zum Beitritt zu verpflichten) bei der Bundesversammlung und nicht beim Bundesrat an. Etwas verschärft wurde auch der Schutz der ressourcenstarken Kantone vor überbordenden Wünschen der vom Finanzausgleich Profitierenden. So wurde die Rücksicht auf die internationale steuerliche Konkurrenzfähigkeit in den Verfassungsrang erhoben und die Obergrenze dieser Leistungen auf höchstens drei Viertel der entsprechenden Aufwendungen des Bundes begrenzt (der Bundesrat hatte diese Limite bei 100% angesetzt). Die Verfassungsbestimmungen zum NFA hiess der Ständerat ohne Gegenstimme gut.
Die kleine Kammer stimmte auch dem
zugehörigen Finanzausgleichsgesetz zu. Dabei beschloss sie, dass der mit 430 Mio Fr. dotierte Härteausgleich für Kantone, welche mit der neuen Regelung schlechter fahren, nach vier Jahren automatisch (um jährlich 5%) abgebaut werden soll (der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dem Parlament beim Abbau freie Hand zu lassen). In der Gesamtabstimmung gab es zwar keine Gegenstimmen, aber einige Enthaltungen. Diese wurden zum Teil damit begründet, dass der Rat einen Antrag Spoerry (fdp, ZH) abgelehnt hatte, welcher verlangte, dass der neue Finanzausgleich erst in Kraft tritt, wenn auch der neue Lastenausgleich (welcher die Sonderbelastungen der städtischen Agglomerationen ebenfalls berücksichtigt) eingeführt ist. Enthaltungen gab es zudem wegen der zeitlichen Begrenzung des Fonds für den Härteausgleich
[4].
In seiner Antwort auf ein überwiesenes Postulat Joder (svp, BE) hielt der Bundesrat fest, dass die verlangte gesetzgeberische Umsetzung des
Gemeinde-, Städte- und Berggebietsartikels der neuen Bundesverfassung (Art. 50, Abs. 2 und 3) eingeleitet sei
[5].
[1] Vgl. dazu etwa
AZ, 1.3.02,
NZZ, 8.3. und 30.12.02. KdK:
NZZ, 16.3.02. Zum Sitz der neuen Bundesgerichte siehe oben, Teil I, 1c (Gerichte).
[2]
BBl, 2002, S. 3135 ff.;
AB SR, 2002, S. 423;
AB NR, 2002, S. 1681. Vgl.
SPJ 1998, S. 56.
[3] Es handelt sich um die Bereiche Straf- und Massnahmenvollzug, kantonale Universitäten, Fachhochschulen, Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung, Abfallbewirtschaftung, Abwasserreinigung, öffentlicher Agglomerationsverkehr, Spitzenmedizin und Spezialkliniken sowie Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Invaliden.
[4]
AB SR, 2002, S. 829 ff. und 857 ff. Vgl.
SPJ 2001, S. 38 sowie unten, Teil I, 5 (Finanzausgleich). Zur Allgemeinverbindlicherklärung von kantonalen Zusammenarbeitsverträgen siehe auch René Rhinow und Rainer Schweizer in
NZZ, 7.5. resp. 25.6.02. Zur NFA siehe auch
Lit. Wettstein.
[5]
AB NR, 2002, S. 1128. Siehe dazu auch
Lit. Kölz/Kuster.
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