Année politique Suisse 2002 : Economie / Politique économique générale
Konjunkturlage und -politik
Die nach dem weltweiten Konjunktureinbruch des Vorjahres erhoffte Wiederbelebung trat nicht ein. Nachdem bis zu den Sommermonaten noch einige positive Anzeichen ausgemacht werden konnten, verlor die Wirtschaftsentwicklung in der zweiten Jahreshälfte wieder an Schwung. Beigetragen haben dazu die aufgedeckten Unregelmässigkeiten in der Rechnungsführung grosser Unternehmen und die dadurch ausgelösten massiven Kurseinbrüche an der Börse. Daneben führte die Verschlechterung der weltpolitischen Lage mit der sich abzeichnenden Intervention der USA im Irak einerseits zu einer Verunsicherung der Investoren und der Konsumenten und andererseits zu einer massiven Verteuerung der Erdölpreise.
Nicht alle Regionen waren im gleichen Masse von dieser flauen Konjunkturentwicklung betroffen. So lagen die Wachstumsraten der USA und – nach dem massiven Einbruch im Vorjahr – auch der meisten Industrie- und Schwellenstaaten Asiens (mit Ausnahme Japans) über dem weltweiten Durchschnitt; die Mehrzahl der europäischen Volkswirtschaften erreichten hingegen nicht einmal die schwachen Zuwachsraten des Vorjahres. Das reale Bruttoinlandprodukt stieg in den USA um 2,3%, in Grossbritannien um 1,5% und im Euro-Raum um 0,8% an; besonders schwach fiel das Wachstum in Deutschland und in Italien mit 0,4% resp. 0,3% aus. Eine ähnlich bescheidene Zunahme verzeichnete Japan mit 0,3%. In Lateinamerika verschärfte sich die Wirtschaftskrise in Argentinien, während die Entwicklung in den anderen Staaten uneinheitlich verlief.
Die
Teuerung auf Konsumentenstufe bildete sich in den meisten Industriestaaten zurück: massiv in den USA (von 2,8% auf 1,6%) hingegen nur schwach im Euro-Raum (von 2,5% auf 2,4%) und in Grossbritannien (von 2,1% auf 2,0). In Japan verzeichnete man zum vierten Mal hintereinander ein rückläufiges Preisniveau. Das Ausbleiben einer wirtschaftlichen Erholung wirkte sich negativ auf die
Beschäftigung aus. Die Arbeitslosenquote stieg im Jahresmittel sowohl in den USA (auf 5,8%) als auch im Euro-Raum (8,3%), im Vereinigten Königreich (5,2%) und in Japan (5,5%) an
[6].
Die schweizerische Konjunktur bewegte sich im Gleichschritt mit derjenigen des Euro-Raumes. Die im ersten Halbjahr gehegte Hoffnung auf einen Wiederaufschwung verflüchtigte sich vom Sommer an. Das reale Brutto-Inlandprodukt stagnierte nach ersten Schätzungen mit einer Zuwachsrate von 0,1% beinahe (2001: 0,9%). Die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung hatte eine weitere Schrumpfung der Ausrüstungsinvestitionen zur Folge (-10,7%), und die im Vorjahr stark angewachsenen Exporte von Waren und Dienstleistungen nahmen nur noch um 0,4% zu. Die Exportwirtschaft litt stark unter der eingebrochenen Nachfrage aus dem Euro-Raum und dabei insbesondere aus dem wirtschaftlich stagnierenden Deutschland. Noch stärker als die Ausfuhren gingen allerdings die realen Importe zurück (-2,6%). Als Konjunkturstützen wirkten weiterhin der private und der öffentliche Konsum (+0,9% resp. 1,9%), wobei deren Zuwachsraten deutlich unter dem Vorjahreswert blieben. Die Handelsbilanz schloss mit einem geschätzten Überschuss von 4,5 Mia Fr. ab. Gemäss ersten Schätzungen erreichte der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz 24,9 Mia Fr. und der Überschuss in der Ertragsbilanz stieg auf 49,6 Mia Fr. (2001: 38 Mia Fr.).
Die anhaltende Konjunkturflaute verschärfte die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Der Stellenabbau, welcher im dritten Quartal 2001 eingesetzt hatte, hielt weiter an. Die Zahl der Beschäftigten schrumpfte im Jahresmittel um 0,4%. Hart davon betroffen war die verarbeitende Industrie (-2,5%), während der Dienstleistungssektor eine im Vergleich zum Vorjahr zwar kleinere, aber immerhin noch positive Wachstumsrate auswies (0,4%). Die Zahl der registrierten Arbeitslosen stieg kontinuierlich an, um im Dezember den Höchststand von 129 000 zu erreichen (Ende 2001: 79 500). Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote erhöhte sich im Jahresmittel auf 2,8% (2001: 1,9%); im Dezember betrug sie 3,3% (Dezember 2001: 2,2%). Da vor allem im Kanton Zürich eine starke Zunahme der Arbeitslosigkeit registriert wurde, glichen sich die Unterschiede zwischen den Sprachregionen etwas aus. Die Quoten waren mit 4,6% resp. 4,8% im Dezember in der französischsprachigen Schweiz und im Tessin aber immer noch deutlich höher als in der Deutschschweiz (3,2%). Bei den ausländischen Erwerbstätigen war sie mehr als doppelt so hoch als bei den schweizerischen. In dieser Zahl sind die in Weiterbildungs- und Arbeitsprogrammen integrierten Arbeitslosen nicht enthalten. Die für internationale Vergleiche konzipierte Sake-Erhebung, welche diese Personen auch berücksichtigt, wies für das 2. Quartal 2002 eine Arbeitslosenquote von 2,9% aus.
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene
Teuerung nahm 2002 im Jahresmittel
um 0,6% zu und war damit tiefer als im Vorjahr, wo sie 1,0% betragen hatte. Erneut hatten ausschliesslich die Preise der inländischen Waren und Dienstleistungen zur Inflation beigetragen (+1,4%), der Konsumentenpreisindex für Importgüter bildete sich nicht zuletzt wegen des gestiegenen Frankenkurses um weitere 1,7% zurück. Der Index der Produzenten- und Importpreise sank um durchschnittlich 1,2%. Das BfS publizierte im Dezember zum ersten Mal Indexzahlen, welche dem
unterschiedlichen Konsumverhalten einzelner sozialer Gruppen (Rentner, Alleinerziehende, Familien mit Kindern etc.) Rechnung tragen. Ein derartiger differenzierter Teuerungsindex war im Jahr 2000 vom Parlament mit der Überweisung einer Motion Cottier (cvp, FR) gefordert worden. Obwohl bei der Zusammensetzung des Warenkorbs zwischen den einzelnen sozialen Gruppen durchaus Differenzen bestehen, blieben die Auswirkungen auf die Entwicklung des Teuerungsindexes gering
[7].
Das Ausbleiben einer konjunkturellen Belebung, aber auch der anhaltende Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken und das Absinken der Inflationsrate unter die Einprozentmarke veranlasste die Nationalbank, ihre
expansive Geldpolitik weiter zu führen. Sie reduzierte in zwei Schritten (Mai und Juli) das Zielleitband für den Dreimonats-Libor von 1,25%-2,25% auf 0,25%-1,25%
[8].
Trotz der wirtschaftlichen Stagnation und den steigenden Arbeitslosenzahlen blieben im Berichtsjahr die Rufe nach staatlichen
Konjunkturförderungsmassnahmen fast gänzlich aus. Als sich abzeichnete, dass die auf den Herbst angesagte konjunkturelle Erholung nicht eintreten würde, reichte die SP-Fraktion im Herbst im Nationalrat zwar einige Vorstösse für eine Wiederankurbelung der Wirtschaft ein. Gemessen an den Vorankündigungen in den Medien blieben die Forderungen allerdings bescheiden und wurden ohne besonderen Nachdruck formuliert. Konkret regte die SP mit Postulaten ein Programm zur Förderung der beruflichen Weiterbildung und Umschulung, die Einberufung einer Gesprächsrunde mit Vertretern von Kantonen und Gemeinden zur Vorbereitung eines Impulsprogramms für den Wohnungsbau sowie die Verlängerung der Bezugsdauer der Entschädigung für Kurzarbeit von 12 auf 18 Monate an. Letztere Forderung wurde vom Bundesrat kurz nach der Einreichung des entsprechenden Postulats erfüllt. Im Oktober gab zudem das EVD die von den Unternehmen freiwillig angelegten
steuerbegünstigten Arbeitsbeschaffungsreserven frei. Rund 1000 Unternehmen wurden damit ermächtigt, angesparte Mittel im Umfang von insgesamt 350 Mio Fr. für Investitionen einzusetzen
[9].
[6] Schweizerische Nationalbank,
95. Geschäftsbericht 2002, S. 7 ff.
[7] Schweizerische Nationalbank,
95. Geschäftsbericht 2002, S. 21 ff. Zum Arbeitsmarkt siehe auch unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt). Differenzierter Preisindex des BfS:
24h, 1.12.02 sowie
SPJ 2000, S. 94.
[8] Schweizerische Nationalbank,
95. Geschäftsbericht 2002, S. 42 ff.
[9]
Bund, 27.9.02;
AB NR, 2002, S. 2162 (Kurzarbeit; das Postulat wurde in der Wintersession abgeschrieben). Noch nicht behandelte Postulate: 02.3509 (Wohnungsbau) resp. 02.3512 (Weiterbildung). Arbeitsbeschaffungsreserven:
TA, 15.9.02; Pressemitteilung des Seco vom 15.10.02.
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