Année politique Suisse 2002 : Economie / Politique économique générale / Strukturpolitik
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Tourismus
Im September veröffentlichte der Bundesrat seine Botschaft über die Verbesserung von Struktur und Qualität des Angebots des schweizerischen Tourismus. Er entsprach damit auch einer Forderung, welche das Parlament im Jahr 2000 mit der Überweisung einer Motion der WAK-NR erhoben hatte. Der Bundesrat ging in seinem Antrag davon aus, dass die Anpassung der schweizerischen touristischen Infrastrukturen an die Anforderungen dieses weitgehend globalisierten Marktes in erster Linie im Verantwortungsbereich der privaten Wirtschaft liegt. Wegen der strukturellen Eigenheit des schweizerischen Tourismus, welcher schwergewichtig in peripheren Regionen (Berggebiete) angesiedelt ist und dort oft die einzige wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit darstellt, sind aber nach Ansicht der Regierung flankierende Stützungsmassnahmen des Staates sinnvoll. Ziel des vorgeschlagenen und auf die Jahre 2003-2007 befristeten Tourismusprogramms ist es, sowohl innovative Veränderungen als auch die Qualität von touristischen Angeboten und Strukturen zu fördern.
Konkret beantragte die Regierung eine Verlängerung des Bundesbeschlusses von 1997 über die Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus (InnoTour) [11]. Die dazu zur Verfügung stehenden Mittel sollen von jährlich 3,6 Mio Fr. auf 5 Mio Fr. aufgestockt werden; sie dürfen neu auch für Forschungsprojekte eingesetzt werden. Gestützt auf Art. 2d dieses Gesetzes sollen zusätzlich 2 Mio Fr. pro Jahr für Massnahmen zur Aufwertung touristischer Berufe zur Verfügung stehen. Als dritte Massnahme schlug die Regierung eine Totalrevision des Bundesgesetzes über den Hotel- und Kurortkredit vor. Mit einem zinslosen und nicht amortisierbaren Darlehen von jährlich 20 Mio Fr. wird die Gesellschaft für Hotelkredit unterstützt. Die Aufgabe dieser vor allem von der öffentlichen Hand und den Kantonal- und Grossbanken getragenen Genossenschaft ist es, die Struktur von überlebensfähigen kleingewerblichen Beherbergungsbetrieben zu verbessern. Als Instrumente dazu dienen ihr Darlehen für die Finanzierung von Investitionen und für Kapitalumstrukturierungen. Ein weiteres Ziel des von der Regierung vorgestellten Tourismusprogramms ist die Restrukturierung der touristischen Zwecken dienenden Seilbahnen. Konkrete Massnahmen dazu sind jedoch in der Botschaft nicht enthalten, da der Bundesrat nach Absprache mit den Kantonen entschied, diesen Prozess weiterhin im Rahmen des Investitionshilfegesetzes für Berggebiete zu unterstützen. Ende Jahr gab er ergänzend bekannt, dass diese Bundeshilfe in Zukunft vom Vorliegen eines kantonalen Konzepts zur Entwicklung der Seilbahnen abhängig sein wird [12]. Das Förderungspaket für den Tourismus gab im Ständerat zu keinen Diskussionen Anlass und wurde ohne Gegenstimme verabschiedet [13].
Die WAK des Ständerats beantragte mit einer parlamentarischen Initiative, den Ende 2003 auslaufenden reduzierten Sondersatz der Mehrwertsteuer für Beherbergungsleistungen von 3,6% (statt 7,6%) um weitere drei Jahre zu verlängern. In ihrer Begründung hielt die WAK unter anderem fest, dass erstens rund 60% der Leistungen dieser Branche an im Ausland ansässige Personen verkauft (also eigentlich exportiert) werden, dass zweitens die 1996 erfolgte Einführung des reduzierten Satzes die Nachfrage belebt habe und dass drittens auch eine Mehrheit der EU-Staaten Sondersteuersätze für den Tourismus kennen würden. Der Bundesrat sprach sich in seiner Stellungnahme grundsätzlich gegen diesen Sondersatz aus, der als unspezifische Massnahme auch einer Politik der gezielten Branchenförderung widerspreche. Das Argument der internationalen Wettbewerbsfähigkeit liess er nicht gelten, da der schweizerische Normalsteuersatz immer noch günstiger sei als die meisten der reduzierten Sätze in den EU-Staaten. Trotz dieser Einwände erklärte er sich mit einer – seiner Ansicht nach allerdings definitiv letzten – Verlängerung bis Ende 2006 als Übergangsmassnahme einverstanden. Der Ständerat hiess die Verlängerung des Sondersteuersatzes ohne Gegenstimme gut [14].
Im Sommer nahm in Luzern das erste der sieben Spielcasinos der Klasse A den Spielbetrieb auf. Damit konnten in der Schweiz zum ersten Mal seit dem Verbot vor 125 Jahren wieder Glücksspiele mit grossem Einsatz gewagt werden [15].
 
[11] Da die neue BV das Instrument des allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses nicht mehr kennt, muss ein Bundesgesetz geschaffen werden. Um das Innovationsförderungsprogramm nicht automatisch zur Daueraufgabe zu machen, wurde für die Unterstützung durch den Bund die „kann“-Formulierung gewählt.
[12] BBl, 2002, S. 7155 ff.; Presse vom 10.1.02; NF, 25.11.02 (Bergbahnkozept); siehe auch Die Volkswirtschaft, 2002, Nr. 6, S. 4 ff. Zur Motion WAK siehe SPJ 2000, S. 96, zum letzten Tourismusprogramm siehe SPJ 1999, S. 127 f.; zu Innotour auch SPJ 1997, S. 114; zur verbesserten Berufsbildung siehe NZZ, 23.1.02.
[13] AB SR, 2002, S. 1279 ff.
[14] BBl, 2002, S. 7312 ff. und 7323 ff. (BR); AB SR, 2002, S. 679 f. Vgl. SPJ 1996, S. 112 und 1999, S. 158 sowie Carsten Colombier, „Gefährdet die Aufhebung des MWST-Sondersatzes die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Hotellerie?“, in Die Volkswirtschaft, 2003, Nr. 3, S. 35-39.
[15] TA, 14.6.02. Für den Text der 2001 erteilten 21 Konzessionen für A- und B-Casinos siehe BBl, 2003, S. 2213. Zu der umstrittenen Nichtberücksichtigung des Genfer Casinos der Loterie romande siehe AB NR, 2002, I, Beilagen, S. 507 ff. sowie TG, 25.2.02. Vgl. SPJ 2001, S. 80.