Année politique Suisse 2002 : Economie / Crédit et monnaie / Geld- und Währungspolitik
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Nationalbank
Ende Juni legte der Bundesrat seine Botschaft für eine Totalrevision des Nationalbankgesetzes vor. Bei der in der Vernehmlassung heftig umstrittenen Konkretisierung der in der neuen Bundesverfassung festgeschriebenen Zieldefinition („Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes“) kam der Bundesrat der Linken einen Schritt entgegen. Diese wollte neben der Preisstabilität auch andere wirtschaftspolitische Ziele wie die Vollbeschäftigung verankert haben. Der Entwurf des Bundesrates sieht vor, das die Nationalbank die Aufgabe hat, die Preisstabilität zu gewährleisten, dabei aber die konjunkturelle Entwicklung beachten muss. Der in die neue Verfassung aufgenommene Grundsatz der Unabhängigkeit der Nationalbank wird im Gesetzesentwurf mit der Bestimmung konkretisiert, dass es der Nationalbank und ihren Organen untersagt ist, Weisungen von der Regierung, dem Parlament oder anderen Stellen entgegenzunehmen. Im neuen Gesetz sollen im weiteren die Hauptaufgaben der Nationalbank, welche in der neuen Bundesverfassung nicht mehr aufgeführt sind, einzeln aufgezählt werden (z.B. Bargeldversorgung), hingegen nicht mehr die erlaubten geschäftlichen Tätigkeiten. In der Frage der Rückstellungen und damit implizit der Höhe des an die Kantone und den Bund abzuliefernden Gewinns konnte sich die Nationalbank, welche hier für grösstmögliche Autonomie plädiert hatte, nicht durchsetzen. Zwar obliegt es ihr, den Umfang der für die Währungspolitik benötigten Reserven und die dazu erforderlichen Rückstellungen festzulegen. Diese Entscheide müssen jedoch vom Bankrat, der von den Aktionären und dem Bundesrat gewählt wird, genehmigt werden. Dieser Bankrat soll gemäss Antrag des Bundesrats von 40 auf 11 Mitglieder verkleinert werden. Im Rahmen einer Straffung der Organisation sollen zudem einige Gremien (Bankausschuss, Lokalkomitees und Lokaldirektionen) abgeschafft werden [6].
Die Auseinandersetzung über die Frage, ob mit dem Erlös aus dem Verkauf der nicht mehr benötigten Goldbestände der Nationalbank eine Solidaritätsstiftung gegründet werden soll, fand im Berichtsjahr ihren Abschluss. Volk und Stände lehnten die von Bundesrat und Parlament vorgeschlagene Drittelslösung (je ein Drittel der Erträge eines aus den Goldverkäufen alimentierten Fonds an eine Solidaritätsstiftung, an die AHV und an die Kantone) ab. Sie sprachen sich aber auch gegen die von der SVP mit einer Volksinitiative geforderte Zuweisung der gesamten Verkaufserträge an die AHV aus. Wir informieren über diesen Abstimmungskampf an anderer Stelle (oben, Teil I, 1a, Grundsatzfragen).
Nach dem Scheitern der Solidaritätsstiftung in der Volksabstimmung begann sofort der Wettbewerb der Vorschläge, wie die Erträge aus den Goldverkäufen der Nationalbank denn sonst zu verteilen und zu verwenden seien. Dabei tauchte die Idee einer Neuauflage der Solidaritätsstiftung nicht mehr auf. Die FDP, und nach einigem Zögern auch die CVP sprachen sich für die Anwendung der normalen Verteilungsformel für Nationalbankgewinne aus (zwei Drittel Kantone, ein Drittel Bund). Diese Position machte sich auch die Konferenz der Kantonsregierungen zu eigen und wurde von den Kantonen Jura, Obwalden und Solothurn mit Standesinitiativen bekräftigt. Nach Ansicht des Eidg. Finanzdepartements bräuchte es aber auch dazu einen speziellen referendumsfähigen Beschluss, da es sich um aussergewöhnliche Erträge handle. Im Parlament wurden in Bezug auf die Verwendung der Mittel verschiedene Vorstösse deponiert. So verlangten die Freisinnigen Merz (AR) und Favre (VD) in gleichlautenden Motionen in den beiden Räten, dass die Erträge zum Schuldenabbau verwendet werden müssen. Ein weiterer Freisinniger (Dupraz, GE) schlug hingegen mit einer parlamentarischen Initiative eine analoge Verteilung wie das eben abgelehnte Gegenprojekt vor, nur dass anstelle einer Solidaritätsstiftung ein Forschungsfonds alimentiert werden soll. Ebenfalls mit einer parlamentarischen Initiative forderte der Christlichsoziale Fasel (FR) die vollumfängliche Verwendung der Erträge durch den Bund für die Erhöhung der Kinderzulagen. Die SVP hielt an ihrer ursprünglichen Idee fest, primär die AHV zu begünstigen. Sie reichte eine parlamentarische Initiative ein, welche einen Drittel der Erträge den Kantonen und zwei Drittel der AHV zukommen lassen will. Eine identische Verteilung schlug der Genfer Nationalrat Grobet (alliance de gauche) ebenfalls mit einer parlamentarischen Initiative vor. Die SP hat sich noch nicht definitiv festgelegt; bevorzugt aber Lösungen, welche neben der AHV auch Forschung und Bildung von den Erträgen profitieren lassen. Schliesslich konnte ein vor allem von SP-Politikern getragenes Komitee, das in der Endphase der Unterschriftensammlung aktive Unterstützung durch die SP erhalten hatte, seine Volksinitiative für eine Zuweisung der ordentlichen Jahresgewinne der Nationalbank an die AHV (abzüglich eines Betrags von 1 Mia. Fr. für die Kantone) einreichen [7].
 
[6] BBl, 2002, S. 6097 ff.; Presse vom 17.1.02. Vgl. SPJ 2001, S. 84 f.
[7] 24h, 24.9.02 (EFD); LT, 24.9.02; NZZ, 17.10.02; AZ, 17.10.02 (CVP); TA, 9.11. und 10.12.02 (SP); NZZ, 13.11. (Kantone) und 29.11.02 sowie SZ, 19.12.02 (Standesinitiativen); BaZ, 7.12.02. Im Berichtsjahr noch nicht behandelte parlamentarische Vorstösse: Merz (02.3452), Favre (02.3451), Dupraz (02.447), Fasel (02.445), SVP (02.449) und Grobet (02.446). Volksinitiative: BBl, 2002, S. 7328 f.; LT, 5.10.02. Vgl. SPJ 2001, S. 15.