Année politique Suisse 2002 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
Mit dem
Inkrafttreten des neuen Heilmittelgesetzes auf den 1. Januar 2002 wurde auch eine neue Organisation für die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinalprodukten in Betrieb genommen. Während bisher für Impfstoffe, legale Betäubungsmittel und medizinische Apparate der Bund zuständig war, lag seit rund 100 Jahren die Zulassung von Medikamenten für Mensch und Tier in den Händen der Kantone, die dafür die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) unterhielten. Da in einem zunehmend internationalen Umfeld Kompetenz- und Koordinationsprobleme nicht ausblieben, wurde mit dem neuen Heilmittelgesetz der gesamte Bereich einem öffentlich-rechtlichen Institut des Bundes,
Swissmedic, unterstellt, das auch für die Überwachung der klinischen Medikamentenversuche am Menschen zuständig ist
[32].
Bei der Beratung der
2. KVG-Teilrevision im Nationalrat setzte sich ein Antrag Goll (sp, ZH) durch, welcher verlangte, dass die Ärzte künftig nur noch Wirkstoffe verschreiben dürfen und nicht mehr die einzelnen Produkte. In der Apotheke soll dann bei gleichwertigem Angebot das kostengünstigste Medikament abgegeben werden. Mit dieser gesetzlichen Regelung möchte Goll den Verkauf von
Generika (gleichwertige Nachahmerprodukte von Originalpräparaten) ankurbeln, die mit einem Marktanteil von 3% im Vergleich mit den umliegenden Ländern immer noch ein Schattendasein fristen. Der Antrag stiess im bürgerlichen Lager auf Widerstand. Im Namen der FDP-Fraktion erinnerte Egerszegi (AG) daran, dass die Stimmbürger erst 2001 die „Denner-Initiative“ ähnlichen Inhalts verworfen haben. Unterstützung erhielt sie von Drogist und SVP-Nationalrat Stahl (ZH), der vor einer Qualitätseinbusse im Gesundheitswesen warnte. Die CVP äusserte sich nicht, stimmte dann aber fast geschlossen mit der Linken und den Grünen und verhalf so dem Antrag mit 75 zu 73 Stimmen knapp zum Durchbruch. Da die KVG-Revision in der Gesamtabstimmung abgelehnt wurde, ist dieser Beschluss – zumindest vorderhand – hinfällig
[33].
Ausgehend von den Ergebnissen eines im Vorjahr vom EDI einberufenen runden Tisches zum Thema Medikamentenkosten und nach intensiven Abklärungen mit den interessierten Verbänden, der Wettbewerbskommission und dem Preisüberwacher beschloss der Bundesrat, ab dem 1. Juli neben Deutschland, Dänemark und den Niederlanden auch
Grossbritannien als
Vergleichsland bei der Festlegung des Vergütungspreises eines Medikaments hinzuzuziehen; die Nachbarländer Frankreich, Italien und Österreich werden subsidiär in den Vergleich einbezogen. Der Preis eines neu zugelassenen Arzneimittels wird neuerdings bereits nach zwei Jahren wieder überprüft und nicht erst nach Ablauf der Patentschutzfrist. Wird dabei festgestellt, dass der Preis zu hoch war, muss das betroffene Pharmaunternehmen die entsprechenden Einnahmenüberschüsse zugunsten der Versicherten zurückerstatten
[34].
Wie der Schweizerische Apothekerverband mitteilte, konnte der Kostenanstieg für grundversicherte Medikamente gegenüber dem Vorjahr um 200 Mio Fr. gebremst werden. Die Einsparungen kamen einerseits durch das
leistungsorientierte Abgeltungsmodell (LOA) zustande, andererseits durch die Einführung des Kostenstabilisierungsbeitrags (KBS), nach dem die Apotheken den Versicherern pro rezeptpflichtiges Medikament einen Rabatt gewähren. Noch nicht richtig angelaufen sei hingegen der Verkauf von Generika
[35].
[32] Presse vom 12.1.02;
NZZ, 18.10.02. Siehe
SPJ 2000, S. 203 f.
[33]
AB NR, 2002, S. 2003 ff., 2055 ff., 2072 ff., 2105 ff., 2123 ff. und 2144 ff. Siehe
SPJ 2001, S. 179. Zur 2. KVG-Revision siehe oben (Spitäler und Medizinalpersonen) und unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung). Vgl.
SPJ 2001, S. 181. Zu den Generika siehe auch eine Interpellation Gross (sp, TG) (
AB NR, 2002, Beilagen, IV, S. 282 f.;
TA, 6.6.02).
[34] Presse vom 4.7.02. Siehe
SPJ 2001, S. 181. Mit dem Entscheid, nur GB vollumfänglich in den Preisvergleich einzubeziehen, kam der Bund den Einwänden der Pharmaindustrie entgegen (
TA, 18.5.02). Im Berichtsjahr reagierte Swissmedic auf Meldungen, wonach gewisse Pharmakonzerne alte (preisgesenkte) Medikamente unter neuem Namen herausgeben und dafür höhere Preise verlangen. Swissmedic erstellte für Ärzte und Apotheker eine Liste dieser Arzneimittelkopien (Presse vom 11., 14., 15. und 22.5.02;
NZZ, 13.6.02). Das neue Heilmittelgesetz würde den Parallelimport von Medikamenten mit abgelaufenem Patentschutz erlauben, doch wurde von der neuen Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht (
TA, 6.4.02). Zu Parallelimporten generell siehe oben, Teil I, 4a (Wettbewerb).
[35] Presse vom 13.12.02. Siehe
SPJ 2001, S. 182. Für 2002 betrugen die Einsparungen rund 130 Mio Fr. (Presse vom 4.4.03).
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