Année politique Suisse 2002 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Sozialhilfe
2000 hatte der Bundesrat von einer umfangreichen Evaluation des seit 1993 in Kraft stehenden Opferhilfegesetzes Kenntnis genommen. Dabei hatte sich gezeigt, dass sich die Praxis immer stärker von den Absichten des Gesetzgebers entfernt, da in den letzten Jahren die normalerweise vorgesehenen
Entschädigungen (beispielsweise für Arzt- und Spitalkosten oder für Lohnausfall) zunehmend von den eigentlich nur für besondere Fälle konzipierten
Genugtuungen für einen erlittenen moralischen Schaden verdrängt wurden. Diese Entwicklung bewog mehrere Kantone, welche primär für die finanziellen Leistungen an die Opfer einstehen müssen, entweder die Abschaffung der Genugtuungen oder zumindest eine Einschränkung der Anspruchsbedingungen zu verlangen
[61].
Ende Jahr gab das EJPD seine Vorschläge für eine
Revision des Opferhilfegesetzes (OHG) in die Vernehmlassung. In Übereinstimmung mit den Experten schlug das Departement r
estriktivere Voraussetzungen für die Auszahlung von Genugtuungen vor: Danach soll ein Anspruch nur bestehen, wenn die Straftat zu einer schweren Beeinträchtigung des Opfers geführt hat, die sich während längerer Zeit auf die Arbeitsfähigkeit, die ausserberuflichen Tätigkeiten oder die persönlichen Beziehungen auswirkt. Überdies soll die Summe nach oben begrenzt sein und sich am maximal versicherten Jahresverdienst in der Unfallversicherung orientieren. Opfer sollen höchstens zwei Drittel (rund 70 000 Fr.), Angehörige ein Drittel (ca. 35 000 Fr.) dieses Betrags erhalten. Eine Besserstellung der Opfer wurde hingegen in der Frage der Verjährungsfrist von Ansprüchen vorgeschlagen: diese soll von zwei auf fünf Jahre, für kindliche Sexualopfer sogar noch weiter verlängert werden. Bei Straftaten, die im Ausland begangen wurden, soll überprüft werden, ob auch ausländische Opfer mit mindestens fünfjährigem Wohnsitz in der Schweiz finanziell entschädigt werden könnten
[62].
[61] Vgl.
SPJ 2000, S. 211. Für das Ausmass der 2001 im Rahmen des OHG erbrachten Leistungen siehe Presse vom 25.10.02.
[62] Presse vom 20.12.02. Für eine als Postulat überwiesene Motion Jossen (sp, VS) zur Verjährungsfrist siehe
AB NR, 2002, S. 459. Zum Sexualstrafrecht siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
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