Année politique Suisse 2002 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Forschung
Ende November verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Technologie (BFT) in den Jahren 2004-2007 ans Parlament. Er beantragte, die Mittel für diesen Bereich nach einer Phase der Stagnation deutlich aufzustocken. Gemäss seinen Anträgen soll der BFT-Bereich 2004-2007 mit rund 17,3 Mia Fr. unterstützt werden. Das entspricht gegenüber dem Finanzplan 2003 einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 6%, wovon 1% – im Jahr 2005 1,5% – noch der Kreditsperre unterstellt bleiben. Das finanzielle Engagement des Bundes betrifft die berufliche und die höhere Bildung sowie die Forschung und ist mit Ausnahme des ETH-Bereichs subsidiär zu den Leistungen der Kantone. Für den Einsatz dieser Ressourcen setzte der Bundesrat vier Schwerpunkte: die Erneuerung der Lehre, die Intensivierung der Forschung, die Förderung der Innovation sowie die Verstärkung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit. Gemäss Botschaft will der Bundesrat die Voraussetzungen schaffen, damit die Studierenden in angemessener Zeit eine solide Grundausbildung erwerben können. Diese soll das Fundament für die in einer weltweit vernetzten Bildungslandschaft erforderliche Mobilität und für eine lebenslange Weiterbildung gewährleisten. Hochschulübergreifend gilt es, die Aufgabenteilung zwischen den ETH, den kantonalen Universitäten und den Fachhochschulen zu bereinigen. Als wichtiges Thema erachtet der Bundesrat die zügige Umsetzung der Bologna-Doktrin. Er möchte zudem wichtige Investitionen vornehmen, um die Betreuungsverhältnisse an den kantonalen Universitäten, insbesondere bei den Geistes- und Sozialwissenschaften, zu verbessern.
Als eines der Hauptziele im BFT-Bereich nannte der Bundesrat eine bessere Nutzung des wissenschaftlichen Potenzials der Hochschulen, um Forschungsresultate rascher in erfolgreiche Produkte umzusetzen. Dazu sollen die Hochschulen und die Wirtschaft in der angewandten Forschung und Entwicklung (FuE) intensiver zusammenarbeiten. Der Bundesrat möchte vor allem Projekte in den Bereichen Life Sciences, Informations- und Kommunikationstechnologien, Nano- und Mikrosystemtechnologie unterstützen sowie die Entwicklung von neuen High-tech-Unternehmen fördern. National und international will der Bundesrat auf eine verstärkte Zusammenarbeit und Arbeitsteilung im Hochschulbereich, auf eine Stimulierung der internationalen Kooperation der schweizerischen BFT-Institutionen im Rahmen des europäischen Forschungs- und Hochschulraums sowie auf vermehrte wissenschaftliche und wirtschaftliche Präsenz der Schweiz auf internationaler Ebene setzen [53].
Im Hinblick auf die BFT-Botschaft des Bundesrates publizierte der Rat der schweizerischen wissenschaftlichen Akademien (CASS), in dem die vier Akademien (technische und medizinische Wissenschaften, Natur- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften) zusammengeschlossen sind, erstmals ihre Vorstellungen von künftigen Forschungsfeldern in der Schweiz. Zu den vorgeschlagenen Themenschwerpunkten gehörten die ökologische Nachhaltigkeit, die Entwicklung der Gesellschaft, die Wissenschaft an sich und Fragen, die sowohl medizinische wie philosophische Wissenschaften betreffen. Hinzu kamen Prioritäten der einzelnen Bereiche [54].
Im Frühjahr präsentierte der Schweizer Wissenschafts- und Technologierat (SWTR) ein Programm mit neun Punkten zum Forschungsplatz Schweiz. Der Präsident erklärte, die Krise drohe nicht, sie sei bereits da. Die kantonalen Universitäten erstickten in den Studierenden und verarmten, die Nachwuchsförderung verharre auf einem ungenügenden Niveau, Reformen, die in grossem Umfang angestrebt und auch durchgeführt würden, stiessen an finanzielle Grenzen. Der SWTR postulierte deshalb eine Steigerung der Bundesmittel um 10% pro Jahr. Insbesondere möchte er die Grundlagenforschung wieder vermehrt zum Zuge kommen lassen, ebenso die klinische Forschung und die Geistes- und Sozialwissenschaften. Er trat zudem für bessere Betreuungsverhältnisse, für ein zentrales Forschungszentrum sowie für eine Internationalisierung der Berufungskommissionen und der Beurteilung von Forschungsgesuchen ein. Beim Grundstudium verlangte er eine „rigorose Selektion“. Für die hochschulpolitischen Strukturen skizzierte der SWTR ein Modell mit gemeinsamen Rechtsgrundlagen für ETH und kantonale Universitäten, die eine gleiche Autonomie haben sollten. Die Finanzierung würde in einem gemeinsamen System nach Finanzkraft der Kantone und nach Leistungen der Empfänger erfolgen. Ein gemeinsames Organ von Bund und Kantonen übernähme die strategischen Steuerungsaufgaben, während ein schweizerischer Universitätsrat aus Rektoratsvertretern und unabhängigen Persönlichkeiten für Planung und Koordination auf operativer Ebene zu sorgen hätte. Der SWTR unterstützte zudem die Forderung, dass für Wissenschaft, Bildung, Kultur und Technologie nur ein Departement zuständig sein sollte und nicht wie bisher EDI und EVD [55].
Im Vorjahr hatte der Nationalrat eine Motion der liberalen Fraktion angenommen, welche die Konzentration der Zuständigkeiten in Bildung und Forschung auf ein Departement verlangte. Weil damit in organisatorische Belange des Bundesrates eingegriffen würde, lehnte der Ständerat die Motion ab, überwies aber eine entsprechende Empfehlung [56].
Da sich der Staat in den letzten Jahren zunehmend aus dem Bereich der Forschung zurückgezogen hat, diese im Bereich der klinischen Medizin jedoch stets aufwändiger wird, sehen sich immer mehr wissenschaftliche Equipen gezwungen, Gelder der Pharmaindustrie in Anspruch zu nehmen. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) sah sich deshalb veranlasst, eine Reihe von berufsethischen Empfehlungen auszuarbeiten. Der Zehn-Punkte-Katalog sieht vor, dass die beteiligten Ärztinnen und Ärzte keine finanziellen Interessen an den Versuchen oder Ergebnissen haben und für die von ihnen geprüften Produkte nicht werben dürfen. Bei Publikationen sei die Finanzierung offen zu legen, der Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen und Kongressen aus der eigenen Tasche zu finanzieren [57].
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Forschungsprogramme und -gelder
Der Bundesrat genehmigte im November die neuen Statuten, die der Stiftungsrat des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) zwei Monate zuvor verabschiedet hatte. Der SNF ist das zentrale Instrument des Bundes zur Förderung der Forschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der Schwerpunkt der Totalrevision liegt in der Klärung der Aufgaben, Kompetenzen und Funktionen der wichtigsten Organe des SNF. Gemäss den neuen Statuten nimmt der Stiftungsrat als oberstes Führungs- und Kontrollorgan vermehrt übergeordnete strategische Aufgaben im Bereich der Wissenschaftspolitik wahr. Der Anteil der direkt vom Bundesrat gewählten Mitglieder aus Politik und Wirtschaft wird auf einen Drittel erhöht (bisher 20%), um dem SNF vermehrt die ausserakademische Verankerung zu sichern. Der Nationale Forschungsrat, das wissenschaftliche Leitungsorgan des SNF, wird in seiner Autonomie und Verantwortung deutlich gestärkt. Zur verbesserten Trennung von Politik und Wissenschaft wird der Bund künftig keine Mitglieder des Forschungsrates mehr direkt bestimmen; diese sollen vielmehr in erster Linie nach den wissenschaftlichen Bedürfnissen des SNF ausgewählt werden. Die Geschäftsstelle wird neu explizit als selbständiges Organ mit eigenen Aufgaben und Kompetenzen statuarisch verankert. Da sie in Zukunft auch für die Vorbereitung der wissenschaftlichen Expertisierung zuständig ist, wird sie wesentlich zur zeitlichen Entlastung der Mitglieder des Forschungsrates beitragen [58].
In seiner Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Technologie (siehe oben) in den Jahren 2004-2007 anerkannte der Bundesrat, dass der SNF seit einigen Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die zu einer Verringerung der finanziellen Unterstützung pro Projekt und einer Zunahme der Ablehnungsquote bei den Gesuchen führten. Nach dem Willen des Bundesrates soll nun die Förderung der freien Grundlagenforschung hohe Priorität erhalten. Vermehrt zu unterstützen sind seiner Auffassung nach insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften. Der wissenschaftliche Nachwuchs soll gezielt auf den drei Stufen Doktorat, Postdoktorat und Förderprofessur gestärkt werden. Bei den Nationalen Forschungsschwerpunkten (NFS) als Instrument der orientierten Forschung wird mit der Ausschreibung von weiteren drei bis sechs NFS eine Konsolidierung angestrebt, wobei die Geistes- und Sozialwissenschaften besonders berücksichtigt werden sollen [59].
Beide Kammern stimmten dem vom Bundesrat vorgelegten Kredit von 869 Mio Fr. zur Integration der Schweizer Forschung in das sechste EU-Rahmenprogramm von 2003 bis 2006 oppositionslos zu [60]. Dennoch kann sich die Schweiz nicht von Anfang an daran beteiligen. Das bilaterale Forschungsprogramm war das einzige der neun sektoriellen Abkommen, das am 1. Juni nicht in Kraft trat, weil es an das auslaufende fünfte Rahmenprogramm gekoppelt war. Der leztmögliche Beitritt wäre der 1.1.2002 gewesen. Für das sechste Rahmenprogramm sah der Vertrag mit der EU vor, dass es „im gegenseitigen Einverständnis erneuert oder neu ausgehandelt werden kann“. Wegen der Differenzen zwischen der Schweiz und der EU bei der Zinsbesteuerung und der Betrugsbekämpfung kam es im Berichtsjahr aber zu keinem Abschluss, obgleich sich der EU-Forschungskommissar stark dafür einsetzte [61].
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Gentechnologie im ausserhumanen Bereich
Zur Gentechnologie im Humanbereich siehe oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
Im Vorfeld der Beratung der Gen-Lex im Nationalrat löste vor allem die Frage eines Freisetzungsmoratoriums eine breite Kontroverse [62] aus. Noch bevor die vorberatende Kommission in dieser Frage Stellung bezogen hatte, meldeten sich die Forscher zu Wort. Ein Moratorium wäre gemäss der Präsidentin des nationalen Forschungsrates eine grosse Benachteiligung für den Forschungsplatz Schweiz und hätte eine Abwanderung von Forschern ins Ausland zur Folge. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass das Problem der antiobiotikaresistenten Marker gelöst werden könne. Einzelne Forscher drohten bereits mit dem Referendum, falls der Nationalrat ein Freisetzungsmoratorium beschliessen sollte. Unterstützung fanden sie bei der FDP, deren Generalssekretär erklärte, die Partei werde ein allfälliges Referendum tatkräftig unterstützen [63]. Im September traten – eine Premiere – der Schweizerische Bauernverband (SBV) zusammen mit Umweltverbänden vor die Medien und plädierten für ein Moratorium. Untermauert von Umfragen und Studien begründeten sie ihre Haltung mit dem mangelnden Vertrauen der Bevölkerung in GVO-Produkte und mit der Kleinräumigkeit der Schweiz, die einen gleichzeitigen Anbau von GVO- und gentechfreien Pflanzen verunmöglichen würde [64].
Der Nationalrat behandelte in der Herbstsession elf Stunden lang das neue Gentechnikgesetz (GTG) resp. Gen-Lex. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission (WBK) hatte dem Plenum in drei wichtigen Punkten (fünfjähriges Freisetzungs-Moratorium, Ausdehnung des Verbandsbeschwerderechts, Haftung der bewilligungs- und meldungspflichtigen Person vs. Kaskadenhaftung) eine Verschärfung gegenüber der Version des Ständerates beantragt [65]. Im Plenum versuchten Gentech-Befürworter, das GTG als Ganzes abzuschiessen. Orchestriert vom Novartis-Manager Randegger (fdp, BS) und unterstützt von der nahezu geschlossenen FDP-Fraktion stellten Triponez (fdp, BE) und Polla (lp, GE) je einen Nichteintretensantrag, weil die Vorlage kein Regelwerk, sondern ein „Verhinderungsgesetz“ sei. Neirynck (cvp, VD), Wandfluh (svp, BE) und Frey (fdp, NE) plädierten für Rückweisung an die Kommission, mit der Auflage, zwei Vorlagen auszuarbeiten, eine für die Forschung und eine für die Anwendung in der Landwirtschaft. Vehement setzten sich Linke, Grüne, ein Teil der CVP sowie Bundesrat Leuenberger dafür ein, sechs Jahre nach der Überweisung der ausgerechnet von Randegger stammenden Gen-Lex-Motion nun endlich für einen griffigen Schutz von Mensch, Tier und Umwelt vor den befürchteten negativen Auswirkungen der Gentechnik zu sorgen. Randegger hatte gehofft, die Bauernvertreter im Rat auf seine Seite ziehen zu können. Seine Rechnung ging aber bei Weitem nicht auf. Mit 119 zu 62 Stimmen beschloss der Rat, auf das GTG einzutreten und mit 103 zu 77 Stimmen, es nicht an die Kommission zurückzuweisen [66].
In der Detailberatung konnten die eher gentechkritische Kommission, die Linke und die Grünen allerdings nur gerade zwei Erfolge verbuchen. Auf Vorschlag der Kommission wurde ganz knapp mit 84 zu 83 Stimmen ein Artikel angenommen, der die biologische und konventionelle IP-Landwirtschaft vor den Auswirkungen der GVO schützen soll. Anstatt dem vom Ständerat im Vorjahr eingeführten zehnjährigen Moratorium für die Freisetzung gentechnisch veränderter Wirbeltiere wurde ein Verbot festgeschrieben. Ansonsten setzten sich aber die von den Freisinnigen angeführten Gentech-Befürworter in allen Punkten durch. In den Zweckartikel des Gesetzes wurde nicht nur der Schutz von Mensch, Tier und Umwelt aufgenommen, sondern auch die Förderung der Gentechnologieforschung. Das vom Bauernverband und den Konsumentenschutzorganisationen gemeinsam geforderte fünfjährige Moratorium für die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen, das nur den kommerziellen Anbau, nicht aber die Forschung betroffen hätte, wurde mit 90 zu 83 Stimmen knapp abgelehnt. Den Ausschlag gaben vier Bauernvertreter, die Nein stimmten resp. sich der Stimme enthielten sowie die CVP, deren Fraktion sich von ihrem erst ein Jahr zuvor verlangten Moratorium verabschiedete und mehrheitlich dagegen votierte. Mit 118 zu 64 Stimmen wurde zudem ein Antrag Ricklin (cvp, ZH) angenommen, wonach GVO selbst dann freigesetzt werden dürfen, wenn die angestrebten Erkenntnisse auch ohne Gentechnologie gewonnen werden könnten. Der Nationalrat war zwar wie der Ständerat der Ansicht, antibiotika-resistente Markergene seien zu verbieten, doch wurde der Forschung eine Übergangsfrist bis 2008 gewährt. Eine weitere Niederlage mussten Kommission, Linke und Grüne bei der Diskussion um die Trennung des Warenflusses hinnehmen. Eine Mehrheit der WBK wollte alle jene, die GVO-Produkte in Verkehr setzen, dazu verpflichten, von Anfang an für die Trennung des Warenflusses zu sorgen. Nach Meinung von Randegger (fdp, BS) wäre dies aber reines Bio-Marketing, das die Gentech-Industrie diskriminiere und den Wirtschaftsstandort Schweiz schwäche. Obgleich Aeschbacher (evp, ZH) geltend machte, hier gehe es nicht um Werbung, sondern darum, die Befürchtungen der Bevölkerung vor GVO-kontaminierten Lebensmitteln ernst zu nehmen, setzte sich Randegger durch. Mit 89 zu 80 Stimmen entschied sich der Rat für die Fassung der Kommissionsminderheit und überliess es dem Bundesrat, Bestimmungen zum Warenfluss zu erlassen.
Keine Gefolgschaft fand die Kommissionsmehrheit auch beim Verbandsbeschwerderecht. Sie hatte dieses ausweiten und nicht nur Umweltschutz-, sondern auch Konsumentinnenorganisationen und bäuerliche Körperschaften zulassen wollen. Eine derart sensible Materie brauche Sicherungsmechanismen, argumentierte Aeschbacher (evp, ZH): Chappuis (sp, FR) meinte, besonders die Bauern müssten eigentlich ein Interesse am Vorschlag der WBK haben. Das war aber offenbar nicht so. Zum Erstaunen vieler plädierte der Luzerner Landwirt Kunz (svp), der in der Kommission noch für die Ausweitung votiert hatte, für die ersatzlose Streichung des Verbandsbeschwerderechts und unterstützte einen entsprechenden Antrag seines Bauernkollegen Scherer (svp, ZG), der mit 84 zu 75 Stimmen angenommen wurde. Auch bei der Haftung wich der Rat mit 87 zu 81 Stimmen von der von der Kommission vorgeschlagenen durchgehenden Kanalisierung auf die bewilligungs- oder meldepflichtige Person ab. So soll beim zugelassenen In-Verkehr-Bringen von GVO die Produktehaftung zum Zug kommen. Die strengere Gefährdungshaftung gilt nur noch für Freisetzungsversuche, in geschlossenen Systemen und bei unerlaubter Anwendung. Heberlein (fdp, ZH) warnte mit Erfolg, sonst würden die Schweizer Firmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten diskriminiert. In der Gesamtabstimmung wurde die Gen-Lex mit 67 zu 48 Stimmen angenommen [67].
In der Wintersession nahm der Ständerat im Eilzugverfahren die erste Differenzbereinigung vor. Eine Minidiskussion gab es nur zu der vom Nationalrat eingefügten Bestimmung über die Förderung der Gentechnologieforschung. Ein Antrag Leumann (fdp, LU), hier dem Nationalrat zu folgen, unterlag mit 25 zu 15 Stimmen. Ebenfalls chancenlos blieb der Einsatz von David (cvp, SG) für den Schutz der gentechnikfreien Produktion. Sein Antrag wurde mit 25 zu 14 Stimmen abgelehnt, jedoch wurde den für den Umgang mit GVO Verantwortlichen eine Sorgfaltspflicht auferlegt. Als weitere Sicherheitsmassnahme führte der Ständerat die Bestimmung ein, dass jemand, der einem Landwirt GVO-Produkte verkauft, von diesem eine schriftliche Bestätigung einholen muss, dass er die damit zusammenhängenden Anweisungen zur Kenntnis genommen hat. Dem Verbot der Freisetzung von gentechnisch veränderten Wirbeltieren stimmte die kleine Kammer diskussionslos zu, ebenso dem erst 2009 in Kraft tretenden Verbot von antibiotikaresistenten Markergenen. Bei der Haftung schloss sie sich weitgehend dem Nationalrat an, dehnte allerdings die Gefährdungshaftung des Herstellers auf den Landwirtschaftsbereich aus. Diese soll aber nicht spielen, wenn in einem Betrieb, der Saatgut produziert, versehentlich gentechfreies mit gentechverändertem Saatgut vermischt wird; dann haftet dieses Unternehmen und nicht der GVO-Hersteller. Das Beschwerderecht der Umweltverbände wurde wieder in die Vorlage eingefügt [68].
Nach der Ablehnung des Moratoriums plädierten Bauern, Verarbeiter, Grossverteiler und die Stiftung für Konsumentenschutz in einer gemeinsamen Stellungnahme für einen freiwilligen Verzicht auf GVO-Produkte. Der Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV), Hansjörg Walter (svp, TG), der sich im Nationalrat der Stimme enthalten hatte, erklärte dazu, das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten sei das wichtigste Kapital für die Land- und Ernährungswirtschaft. Darum müssten die Schweizer Bauern unbedingt auf die Qualitätsstrategie setzen, die zurzeit nicht mit Gentechnologie vereinbar sei [69].
Wenige Tage nach der Gen-Lex-Debatte im Nationalrat kündigten Umweltverbände, die Grüne Partei der Schweiz und die Schweizerische Arbeitsgruppe Gentechnologie die Lancierung einer Volksinitiative „für eine gentechnikfreie Landwirtschaft“ an. Sie verlangt, dass nach ihrer Annahme während fünf Jahren keine genetisch veränderten Organismen, die für die Anwendung in der Umwelt bestimmt sind, und keine gentechnisch veränderten landwirtschaftlichen Nutztiere in Verkehr gebracht werden dürfen [70].
Im Vorjahr hatte das Buwal ein Gesuch der ETHZ für einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen in Lindau (ZH) abgelehnt, was in Medien, Forschungskreisen und im Parlament grossen Wirbel ausgelöst und die ETHZ zu einem Rekurs an den Bundesrat bewogen hatte. Im September äusserte sich der für das Buwal zuständige Bundesrat Leuenberger zu dieser Angelegenheit. Er befand, die Ablehnung des Gesuchs sei juristisch nicht haltbar, da die geltende Rechtsordnung eine prinzipielle Ablehnung von Freisetzungsversuchen von Pflanzen mit Markergenen, die eine Antibiotika-Resistenz bewirken, nicht vorsehe. Das Buwal hatte seine Opposition mit dem Verweis auf die Gen-Lex-Vorlage begründet, in welche der Ständerat im Zeitpunkt der Ablehnung bereits das Verbot von Freisetzungen mit Markergenen aufgenommen hatte. Leuenberger wies das Buwal an, das Gesuch der ETHZ noch einmal unter Anwendung des geltenden Rechts zu beurteilen und dabei die Schlussfolgerungen der Eidg. Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) zu berücksichtigen. Die EFBS hatte im Vorjahr keine Indizien für eine Gefährdung festgestellt. Ende Jahr bewilligte das Buwal den Freisetzungsversuch mit Auflagen, die den Forderungen des BAG, der EFBS und des Kantons Zürich entsprachen [71].
Der Revisionsentwurf des Bundesrates zum Patentgesetz, der vorsieht, dass gentechnisch veränderte Lebewesen wie Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen, aber auch menschliche Gene und Gensequenzen unter bestimmten Bedingungen patentiert werden dürfen, stiess zum Teil auf heftigen Widerstand. Gentechnologiekritische Kreise, aber auch die Eidg. Ethikkommission für die Gentechnik machten geltend, es handle sich dabei um Entdeckungen, die im Gegensatz zu Erfindungen vom Grundsatz her nicht patentierbar seien. Gene zählten zum „Erbe der Menschheit“, gehörten also allen, weshalb es moralisch nicht vertretbar sei, dass Pharmafirmen während 20 Jahren ein Monopolrecht auf Teile des Menschen erhielten. Die Zulassung des therapeutischen Klonens zur Patentierbarkeit widerspreche zudem dem Verbot in der Verfassung, mit Erzeugnissen aus Embryonen Handel zu treiben [72].
Für die SP würde die Ausdehnung des Patentrechts auf menschliches, tierisches und pflanzliches Leben grundlegende ethische Prinzipien verletzen. Die Grünen vertraten die Ansicht, die belebte Natur erlaube keine Patente. Die Ärzteschaft (FMH und SAMW) sah in der Patentierung von Genen einen Verstoss gegen die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens. Gemeinsam wiesen über 30 Bauern-, Konsumentinnen- und Entwicklungsorganisationen darauf hin, erst vier EU-Mitglieder hätten die europäische Bio-Richtlinie angenommen; der Vorentwurf des EJPD komme einem Akt des vorauseilenden Gehorsams gegenüber Brüssel gleich. Für die Stiftung für Konsumentenschutz sprechen auch wirtschaftliche Gründe gegen die Revision. Die Patentierung diene in erster Linie dazu, Monopole zu errichten; statt gefördert, werde die Forschung dadurch behindert. FDP und SVP begrüssten die vorgeschlagene Revision. Die Änderungen würden einen angemessenen Erfinderschutz im Bereich der Biotechnologie gewähren. Die FDP erachtete vor allem die Europakompatibilität des Schweizer Patentschutzes als dringlich. Diese Auffassung vertrat auch die SVP. Sie betonte zudem, die Revision gebe der forschenden Industrie, allen voran den KMU, die nötige rechtliche Sicherheit. Ähnlich argumentierte auch der Wirtschaftsverband Economiesuisse: für viele Start-up-Firmen sei die Erfindung das einzige Kapital; Die Revision bringe keine Ausweitung der Patentierbarkeit, sondern lege lediglich deren rechtliche und ethische Schranken im Bereich biotechnologischer Erfindungen fest. Volle Zustimmung fand der Revisionsentwurf bei der Interessenorganisation der Gentechnologie Gen Suisse [73].
 
[53] BBl, 2003, S. 2363 ff.; Presse vom 30.11.02. In der Sommersession wurden von Vertreterinnen und Vertretern aller NR-Fraktionen sechs gleichlautende Motionen eingereicht, die eine jährliche Erhöhung des BFT-Kredits um mindestens 6,5% verlangen (Geschäfte 02.3299 bis 02.3304; BaZ, 21.6.02). Zur Zwischenbilanz, welche der BR nach der Halbzeit des BFT 2000-2003 zog, siehe Presse vom 19.4.02. Für einen Bericht des EDI zur Lage in den Geistes- und Sozialwissenschaften, der eine massive Erhöhung der finanziellen Mittel verlangte, siehe Presse vom 4.5.02. Vgl. SPJ 2001, S. 232.
[54] NZZ, 25.2.02. Eine bessere Kenntnis der Wissenschaft an sich und ihrer gesellschaftlichen Voraussetzungen und Implikationen verlangte auch BR Dreifuss in ihrer Rede zum fünfjährigen Bestehen des „Collegium Helveticum“ der ETHZ (NZZ, 22.5.02).
[55] Lit. Strukturreform; Presse vom 30.5.02.
[56] AB SR, 2002, S. 361 ff. Siehe SPJ 2001, S. 230.
[57] NZZ, 18.9.02.
[58] Presse vom 30.7. und 21.11.02; NZZ, 31.7.02. Der SNF verlangte für die Periode 2004-2007 eine Erhöhung seiner Mittel um jährlich 16% (BaZ, 28.6.02).
[59] BBl, 2003, S. 2363 ff. Zur Zwischenbilanz des Schwerpunktprogramms „Zukunft Schweiz“ siehe Presse vom 1.7.02.
[60] BBl, 2002, S. 1077 ff.; AB SR, 2002, S. 247 ff.; AB NR, 2002, S. 754 ff.
[61] TA, 29.5.02; 24h, 30.5.02; Baz,7.6. und 20.7.02; Presse vom 11.7., 13.11. und 7.12.02; NZZ, 18.10.02; LT, 29.11. und 18.12.02. Vgl. SPJ 2001, S. 231. Siehe dazu auch eine Interpellation Müller-Hemmi (sp, ZH) in AB NR, 2002, S. 464.
[62] Siehe stellvertretend NZZ, 23.8. und 11.9.02.
[63] Presse vom 13.2.02. Für ein Positionspapier der FDP zur Gentechnologie im ausserhumanen Bereich, das der Vorlage des BR entsprach, siehe Presse vom 9.4.02.
[64] Presse vom 10.9.02. Siehe SPJ 2001, S. 232 f.
[65] Presse vom 30.1., 19.2., 30.4., 1.6. und 9.7.02; NZZ, 30.8.02. Siehe SPJ 2001, S. 232 f.
[66] AB NR, 2002, S. 1522 ff.; Presse vom 2.10.02. Die Stimmen für Eintreten stammten von den Linken und den Grünen, von der CVP und von den Bauervertretern der SVP. Randegger: Bund, 26.9.02.
[67] AB NR, 2002, S. 1545 ff. und 1575 ff.; Presse vom 3.10.02.
[68] AB SR, 2002, S. 1141 ff.
[69] Presse vom 16.10.02.
[70] WoZ, 10.10.02; BaZ, 14.11.02; NLZ, 27.12.02.
[71] Presse vom 14.9. und 21.12.02; NZZ, 20.9.02; Siehe SPJ 2001, S. 233 f.
[72] NZZ, 5.1. und 23.2.02; TA, 31.1. und 25.3.02; Presse vom 27.3.02; (Ethikkommission); WoZ, 28.3. und 16.5.02; LT, 2.5.02. Siehe Lit. Anwander et al. Vgl. SPJ 2001, S. 235. Da der BR mit dem Verweis auf die laufende Patentgesetzrevision nicht aktiv werden wollte, erhob die SP beim Europäischen Patentamt in München Einspruch gegen die Patentierung des Brustkrebsgens BRCA1. Unterstützt wurde der Einspruch von Vertretern von Ärzteschaft, Patienten und Teilen der Forschung (Presse vom 7.8.02). Siehe SPJ 2000, S. 207.
[73] Presse vom 2.5.02. Die EU-Richtlinie ist auch innerhalb der EU sehr umstritten. Frankreich hält sie für unvereinbar mit der Menschenwürde, Deutschland, Italien, Belgien und die Niederlande haben Vorbehalte. Gemeinsam beantragten diese Länder eine Revision (WoZ, 16.5.02).