Année politique Suisse 2003 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires
 
Verwaltung
Der Bundesrat legte seine Botschaft für die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung vor. Damit soll der bisher geltende Grundsatz aufgehoben werden, dass amtliche Dokumente geheim sind, und nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren) oder nach dem freien Ermessen der Behörden für Dritte zugänglich sind. Neu wird ein durchsetzbares Recht auf den Zugang zu amtlichen Akten postuliert. Dieses kann allerdings zum Schutz von überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen eingeschränkt werden, wobei diese Ausnahmen im Gesetz abschliessend aufgezählt werden. Dazu gehört etwa der Fall, dass durch eine Veröffentlichung die freie Meinungs- und Willensbildung einer Behörde beeinträchtigt würde, oder dadurch die innere oder äussere Sicherheit des Schweiz gefährdet wäre. Überwiegende private Interessen, welche einen Zugang zu Akten verhindern, liegen vor, wenn die Privatsphäre erheblich beeinträchtigt oder ein Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnis verraten würde. Der Geltungsbereich wurde im Vergleich zur Vernehmlassungsversion eingeschränkt. Nicht zur zentralen Bundesverwaltung gehörende Organisationen, welche öffentliche Funktionen erfüllen, sind nur dann betroffen, wenn sie die Kompetenz haben, Verfügungen zu erlassen (z.B. Nationalfonds, Pro Helvetia, SBB, Post), wobei sich das Öffentlichkeitsprinzip auf Akten im Zusammenhang mit dieser speziellen Kompetenz beschränkt. Der Gesetzesentwurf sieht für den Zugang zu amtlichen Dokumenten ein einfaches und rasches Verfahren vor. In Streitfällen soll zuerst eine Schlichtungsstelle angerufen werden können und, beim Scheitern dieser Schlichtung, ein ordentliches Verfahren mit einem gerichtlich anfechtbaren Beschluss der Amtsstelle zur Verfügung stehen [16].
Der Ständerat befasste sich in der Wintersession mit diesem Vorschlag. Nachdem Eintreten unbestritten war, wobei es in der Diskussion auch Kritik am grossen Umfang der Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip gab, nahm der Rat einige Detailänderungen vor. Mit relativ knapper Mehrheit (23:13) lehnte er einen Antrag der Kommissionsminderheit ab, dass die Bestimmungen nicht nur für Dokumente gelten sollen, welche nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes von den Behörden verfasst oder empfangen worden sind, sondern auch für früher erstellte, soweit sie nicht bereits archiviert worden sind. Da der Rat vermutete, dass nach der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips das Interesse an den geheim bleibenden Dokumenten anwachsen würde, stimmte er einem Postulat seiner SPK zu, welches den Bundesrat auffordert, die Verschärfung der Strafbestimmungen wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zu überprüfen [17].
Ferner beantragte der Bundesrat dem Parlament eine Revision des Publikationsgesetzes. Dieses regelt die amtlichen Veröffentlichungen und Sammlungen des Bundes (Bundesblatt, Amtliche und Systematische Sammlung). Einerseits geht es bei der Revision darum, die von der neuen Verfassung geforderte Publikation von Erlassen auf Gesetzesstufe festzuschreiben. Andererseits werden damit auch die rechtlichen Grundlagen für die elektronische Veröffentlichung dieser Texte geschaffen [18].
Die SPK des Nationalrats unternahm einen neuen Anlauf zur Schaffung einer eidgenössischen Ombudsstelle. Im Anschluss an den Amoklauf im Zuger Parlament im Jahre 2001 hatte sie beschlossen, auch auf Bundesebene eine Stelle zu schaffen, welche in Konflikten zwischen Individuen und Behörden vermitteln und schlichten kann. Der Bundesrat, der sich selbst skeptisch bis ablehnend äusserte, gab den von der SPK ausgearbeiteten Vorentwurf für ein entsprechendes Gesetz im Sommer in die Vernehmlassung. Abgesehen von einigen Kantonen unterstützten nur die SP und der Gewerkschaftsbund das Projekt. Die drei bürgerlichen Regierungsparteien lehnten es als unnötige und teure Aufblähung der Verwaltung ab [19].
Im Februar nahm das sogenannte „Guichet virtuel“ des Bundes mit dem Namen www.ch.ch den Testbetrieb auf. Es handelt sich dabei um ein Internetportal, das die verschiedenen staatlichen Dienste auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene nach Sachthemen ordnet und leichter zugänglich macht. Die Benutzer finden darin sowohl Informationen über Dienstleistungen und Vorschriften als auch die Adressen der zuständigen Amtsstellen und – soweit vorhanden – die erforderlichen Formulare und Ähnliches in elektronischer Form [20].
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Personal
Der Ständerat schloss sich den Entscheiden des Nationalrats zur Schaffung von mehr Transparenz über die Löhne und Entschädigungen für Spitzenmanager der bundesnahen Unternehmen weitgehend an. Er beschloss allerdings, bundesnahe Unternehmen (Post, Swisscom, SUVA, SBB etc.) von der Verpflichtung zur Transparenz über die individuellen Managerlöhne auszunehmen resp. eine solche nur für die Vorsitzenden der Geschäftsleitung (CEO) und des Verwaltungsrates zu verlangen. Für die übrigen Spitzenmanager und Verwaltungsratsangehörigen soll nur die gesamte Lohnsumme ausgewiesen werden müssen. In der Debatte wurde gegen eine völlige Transparenz der einzelnen Managerlöhne auch ins Feld geführt, dass diese damit gemäss ausländischen Erfahrungen in die Höhe getrieben würden. Die kleine Kammer beschloss zudem, die börsenkotierten bundesnahen Unternehmen (zur Zeit nur die Swisscom) von den vom Bundesrat festzulegenden Grundsätzen über die Lohnpolitik zu dispensieren. Gegen den Widerstand der SP, der GP und etwa der Hälfte der SVP-Fraktion schloss sich der Nationalrat in der Differenzbereinigung der ersten Abschwächung an; lehnte hingegen die auch von einer klaren Mehrheit der SVP bekämpfte Ausnahmeregelung für die Swisscom ab. Die kleine Kammer beharrte aber bis zum Ende der Differenzbereinigung erfolgreich darauf, dass die lohnpolitischen Grundsätze des Bundsrates für diese börsenkotierte Unternehmung nicht gelten sollen [21].
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Organisation
Der Nationalrat überwies ein auch vom Bundesrat nicht bekämpftes Postulat Vaudroz (fdp, VD) für die Zusammenlegung aller Dienststellen, welche sich mit der inneren Sicherheit befassen sowie der Zollbehörden und des Grenzwachtkorps im VBS. Mit dieser Schaffung eines „Sicherheitsdepartementes“ sollen die staatlichen Abwehrmassnahmen gegen das internationale Verbrechen und gegen den Terrorismus verbessert werden [22].
 
[16] BBl, 2003, S. 1963 ff.; Presse vom 13.2.03. Dieses Öffentlichkeitsprinzip wurde in der Schweiz zuerst vom Kanton Bern und später auch von Genf, Jura und Solothurn eingeführt (vgl. auch SPJ 1993, S. 37), international ist es weit verbreitet (u.a. in Schweden, Frankreich, Grossbritannien, USA). Siehe auch Lit. Häner. Zur Vernehmlassung siehe SPJ 2001, S. 29.
[17] AB SR, 2003, S. 1136 ff. sowie 1145 (Postulat).
[18] BBl, 2003, S. 7711 ff.
[19] TA, 5.7.03; NZZ, 11.7.03; AZ, 28.8.03; Express, 10.12.03. Zu Zug siehe SPJ 2001, S. 28.
[20] NZZ, 11.2. und 31.10.03; TA, 5.9.03. Vgl. dazu SPJ 2000, S. 37. Siehe dazu auch eine Repräsentativbefragung der GfS in NZZ, 16.8.03.
[21] AB SR, 2003, S. 48 ff., 586 ff. und 719; AB NR, 2003, S. 920 ff., 1159 f. und 1247; BBl, 2003, S. 4566 ff. Der StR schrieb nach seinen Entscheiden eine pa.Iv. Brunner (sp, GE) ab (AB SR, 2003, S. 60). Vgl. SPJ 2002, S. 36 f.
[22] AB NR, 2003, S. 1226.