Année politique Suisse 2003 : Economie / Politique économique générale
 
Gesellschaftsrecht
Die Auseinandersetzung über neue Regeln für die Wahl, Aufgaben und Verantwortlichkeit von Verwaltungsräten wurde im Berichtsjahr fortgesetzt. Der Nationalrat gab einer parlamentarischen Initiative Abate (fdp, TI) Folge, welche verlangt, dass Personen, welche wegen Konkurs- oder Betreibungsdelikten strafrechtlich verurteilt worden sind, nicht in den Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft gewählt werden können [19].
Die heftigen Diskussionen über Managerlöhne blieben nicht ohne gesetzgeberische Folgen. Das Parlament verabschiedete entsprechende Transparenzvorschriften für den staatsnahen Bereich (siehe dazu oben, Teil I, 1c, Verwaltung). Im Herbst gab das EJPD einen Vorentwurf für eine OR-Änderung in die Vernehmlassung, welche auch bei privaten börsenkotierten Firmen für Transparenz sorgen soll. Neu müssten diese nicht nur, wie seit 2002 vom Reglement der schweizerischen Börsen verlangt, die Gesamtlohnsumme und das höchste Verdienst der Spitzenmanager und der Verwaltungsratsmitglieder angeben, sondern die individuellen Bezüge (Honorar resp. Lohn und alle anderen Entschädigungen) jedes Einzelnen. Der Nationalrat hatte bereits im Frühjahr einer parlamentarischen Initiative der SVP mit gleicher Stossrichtung Folge gegeben [20].
Der im Vorjahr eingereichten parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion, welche die Stellung der Kleinaktionäre gegenüber dem Verwaltungsrat dadurch stärken will, dass das Depotstimmrecht der Banken nur noch mit expliziter Genehmigung des Aktieninhabers ausgeübt werden darf, wurde vom Nationalrat diskussionslos Folge gegeben [21].
Nachdem im Vorjahr der Ständerat eine Motion seiner GPK für eine Verschärfung der Bestimmungen des OR über die Rechnungslegung und Unternehmenskontrolle angenommen hatte, befasste sich der Nationalrat mit einer parlamentarischen Initiative Strahm (sp, BE) mit ähnlicher Stossrichtung. Mit seinen Forderungen nach einem Verbot der Revision und Unternehmensberatung durch die selbe Firma sowie einer regelmässigen Rotation der Revisionsfirma ging Strahm aber wesentlich weiter als die allgemein gehaltenen Vorschläge der GPK-Motion. Weil das EJPD die diesbezügliche Gesetzgebungsarbeit bereits aufgenommen hatte, beschloss der Rat, der Initiative keine Folge zu geben und lediglich mit einer Motion einer Minderheit seiner Rechtskommission (vertreten durch Randegger, fdp, BS) den Bundesrat zu einem raschen Vorgehen anzuhalten. Der Ständerat überwies diese Motion ebenfalls [22].
Der Nationalrat stimmte dem im Jahr 2001 vom Ständerat gutgeheissenen neuen Gesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung von Gesellschaften (Fusionsgesetz) zu und hielt sich dabei weitgehend an die Vorgaben des Bundesrats und des Ständerats. Die Ratslinke hatte vergeblich versucht, Anliegen der Mitarbeiter von fusionierenden Firmen wie Informations- und Mitgestaltungsrechte, Sozialpläne bei Umstrukturierungen etc. in das Gesetz aufzunehmen. Die wenigen Differenzen zwischen den beiden Räten waren rasch bereinigt und das neue Gesetz wurde in der Herbstsession verabschiedet. Lange, aber schliesslich vergeblich bekämpft hatte die kleine Kammer den Beschluss des Nationalrats, die Handänderungssteuern, welche in einigen Kantonen erhoben werden, zu verbieten [23].
Bei der Gewährung von Bürgschaften besteht die Pflicht, die Zustimmung des Ehepartners einzuholen. Ausgenommen davon sind Personen, welche als Mitglied einer im Handelsregister eingetragenen Firma handeln. Da die Gewährung von Bürgschaften ein grosses finanzielles Risiko für eine Familie darstellen kann, beantragte Nationalrat Chevrier (cvp, VS) die Aufhebung dieser Ausnahmereglung. Der Rat gab seiner parlamentarischen Initiative Folge [24].
In Ausführung einer 2001 überwiesenen parlamentarischen Initiative Schiesser (fdp, GL) legte die WAK einen Entwurf für die Revision der Stiftungsrechts vor. Ziel der Revision ist einerseits, dieses Institut attraktiver zu machen, und andererseits, Missbräuche zu verhindern. Zur Attraktivitätssteigerung schlug die Kommission zwei Massnahmen vor: In Zukunft soll erstens eine Änderung des Stiftungszwecks möglich sein, wenn dies der Stifter bei der Gründung so vorgesehen hatte. Zweitens soll die steuerliche Abzugsfähigkeit von gespendeten Beiträgen für Stiftungen mit öffentlichem oder gemeinnützigem Zweck erhöht werden. Zur Verhinderung von Missbräuchen mit Stiftungsgeldern soll eine obligatorische Revision eingeführt werden. Der Ständerat stimmte diesen Vorschlägen zu. Dabei kämpften der Bundesrat, die SP-Abgeordneten und einige Kantonsvertreter vergeblich für eine weniger starke steuerliche Entlastung [25]. Im Einverständnis mit dem Bundesrat überwies der Nationalrat Teile einer Motion Suter (fdp, BE) für eine Verbesserung der Rechtslage zugunsten von Trusts. Diese im angelsächsischen Raum verbreitete Rechtsform habe sich namentlich zur Erhaltung von grossen Familienvermögen in Erbfällen, und damit auch zur Verhinderung von Unternehmensauflösungen, als nützlich erwiesen [26].
 
[19] AB NR, 2003, S. 168 f. Siehe dazu auch Lit. Duc.
[20] Bund und NZZ, 6.12.03 (Vernehmlassung); AB NR, 2003, S. 731. Vgl. SPJ 2002, S. 96 f.
[21] AB NR, 2003, S. 731.
[22] AB NR, 2003, S. 797 ff.; AB SR, 2003, S. 1018. Die Motion des StR aus dem Vorjahr fand auch im NR Zustimmung (AB NR, 2003, S. 827). Vgl. SPJ 2002, S. 93.
[23] AB NR, 2003, S. 227 ff., 266 ff., 1034 ff. und 1745; AB SR, 2003, S. 488 ff., 728 ff. und 1031; BBl, 2003, S. 6691 ff. Vgl. SPJ 2001, S. 82. Für einen Überblick über die mit dem neuen Gesetz eingeführten Neuerungen siehe auch Bund, 15.3.03.
[24] AB NR, 2003, S. 1218 ff.
[25] BBl, 2003, S. 8153 ff. und 8191 ff. (BR); AB SR, 2003, S. 1215 ff.; NZZ, 16.12.03. Siehe auch SHZ, 6.8.03. Vgl. SPJ 2001, S. 82.
[26] AB NR, 2003, S. 2118.