Année politique Suisse 2003 : Economie / Crédit et monnaie
Geld- und Währungspolitik
Im Gleichschritt mit der Europäischen Zentralbank
senkte die Nationalbank im März den Leitzins. Das Zielband für den Dreimonate-Libor wurde um 0,5 Prozentpunkte auf 0-0,75% reduziert; der Abbau innerhalb von zwei Jahren betrug damit 3,25 Prozentpunkte
[1]. Für das Jahr 2004 prognostizierte die Nationalbank eine leichte Wiederbelebung der Konjunktur. Für eine restriktivere Geldmengenpolitik sah sie jedoch keinen Anlass, da einerseits keine Inflationsgefahr drohe und andererseits der erwartete Aufschwung noch unsicher und wenig stabil sei
[2].
Der reale exportgewichtete
Kurs des Schweizerfrankens veränderte sich im Jahresmittel nicht. Gegenüber dem US-Dollar gewann er zwar mit 13% nochmals soviel an Wert wie im Vorjahr, gegenüber dem Euro büsste er jedoch fast 4% ein
[3].
Das Parlament hiess die Verlängerung der Teilnahme der Schweiz an den
Allgemeinen Kreditvereinbarungen des Internationalen Währungsfonds von Ende 2003 bis Ende 2008 mit einer Darlehenszusage von rund 2 Mia Fr. gut. Im Ständerat erfolgte die Zustimmung diskussions- und oppositionslos. Im Nationalrat unterlag Schlüer (svp, ZH) mit seinem von der SVP-Fraktion unterstützten Nichteintretensantrag deutlich (116:35). Schlüer befürwortete einen Austritt der Schweiz aus dem IWF, da dieser nichts zur Verhinderung von Währungskrisen beitrage und nur den Interessen der USA diene
[4].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament, mit einem neuen
Bundesgesetz über die internationale Währungshilfe eine klare und umfassende Grundlage für die entsprechenden Finanzierungsverpflichtungen zu schaffen. Bisher bestanden nur für einen Teil dieser Verpflichtungen klare rechtliche Grundlagen (Währungshilfebeschluss), während Entscheide für eher spontane Aktionen wie z.B. die Beteiligung an Spezialfonds des IWF oder Darlehen an Staaten, welche in den internationalen Gremien besonders eng mit der Schweiz zusammenarbeiten, zum Teil direkt auf die verfassungsrechtliche Kompetenz des Bundesrates abgestützt werden mussten. An der Kompetenzverteilung zwischen Regierung und Parlament soll dabei aber nicht gerüttelt werden. Das Parlament wird auch in Zukunft nur über die Rahmenkredite, nicht aber über die einzelnen Hilfeleistungen und ihre Finanzierung entscheiden. Gegen den grundsätzlichen Widerstand der SVP stimmten beide Kammern dem neuen Gesetz und dem darauf basierenden Rahmenkredit zu. Da aber im Nationalrat eine aus der SP und der SVP gebildete Mehrheit die Laufzeit des dazugehörenden Rahmenkredits auf fünf Jahre beschränkt hatte, entstand eine Differenz zum Ständerat, welche bis zum Ende des Berichtsjahres nicht ausgeräumt werden konnte
[5].
Die
Geldmarktsätze verharrten während des ganzen Jahres auf ihrem tiefen Niveau. Die langfristigen Zinssätze blieben zuerst auch stabil; nachdem sich die Konjunkturaussichten gebessert hatten, setzte jedoch im Sommer ein leichter Anstieg ein. Der als Hauptindikator für die Kursentwicklung an der schweizerischen
Börse geltende Swiss Performance Index (SPI) verzeichnete nach einer zweijährigen Baisseperiode, welche im März ihren Tiefpunkt erreicht hatte, eine kräftige Erholung: Er verbesserte sich innert Jahresfrist um 22%. Die Nettobeanspruchung des schweizerischen Kapitalmarktes stieg gegenüber dem Vorjahr noch einmal massiv an und erreichte 23 Mia Fr. Zugenommen hatte vor allem die Nachfrage inländischer Schuldner
[6].
Das Parlament konnte im Berichtsjahr die Beratung der Totalrevision des Nationalbankgesetzes abschliessen. Der Ständerat befasste sich als erster mit dem Geschäft. Im Gegensatz zum Entwurf des Bundesrats beschloss er, dass zu den Mindestreserven der Banken neben den von ihnen gehaltenen Münzen und Noten in Schweizer Franken und ihren Giroguthaben bei der Nationalbank weiterhin auch ihre Postkontoguthaben zählen sollen. Die Kommissionsmehrheit hatte argumentiert, dass dies eine wichtige Massnahme zur Unterstützung der Post sei, da sonst die Banken diese Postgirokonten abbauen und den für die Post ertragreichen Zahlungsverkehr abziehen würden. Der Ständerat beschnitt im weiteren die Kompetenz des Bankrats, indem dieser dem Bundesrat die Kandidaten für die Wahl und Abwahl in das Direktorium nicht vorschlagen soll, sondern vom Bundesrat nur noch dazu konsultiert werden muss.
Im Nationalrat war Eintreten unbestritten. Bei der Beratung der Ziele der Nationalbankpolitik unterlag die Linke wie zuvor bereits in der kleinen Kammer mit ihrem Versuch, die Wahrung der Preisstabilität und die ausgeglichene konjunkturelle Entwicklung (und zusätzlich auch noch die Vollbeschäftigung) zu gleichwertigen Zielen zu erklären. Die vom Ständerat beschlossene Anrechnung der Postgiroguthaben zu den Mindestreserven der Banken wurde von der SP unterstützt, fand aber keine Zustimmung. Die bürgerliche Mehrheit wandte sich gegen die im internationalen Vergleich unübliche Einbindung der Post in die Nationalbankpolitik und sprach sich zudem aus ordnungspolitischen Gründen gegen eine derartige indirekte Subventionierung der Post aus. Die Linke unterlag auch mit allen anderen Abänderungsanträgen, so etwa mit der Forderung, dass nicht nur die Mehrheit, sondern alle Mitglieder des Bankrats durch den Bundesrat gewählt werden (und damit die Kantone und die übrigen Aktionäre ihren Einfluss auf dessen Zusammensetzung verlieren). Gegen den Widerstand der Linken strich der Nationalrat ferner die vom Ständerat beschlossene Beschneidung der Kompetenzen des Bankrats bei der Vorbereitung der Wahl des Direktoriums.
In der
Differenzbereinigung gab der Ständerat bei der Wahlvorbereitung für das Direktorium nach. Beim Einbezug der Postkontoguthaben zu den Mindestreserven beharrten beide Kammern auf ihren Entscheiden. Die Einigungskonferenz verhalf schliesslich der vom Bundesrat und vom Nationalrat vertretenen Ansicht zum Durchbruch und strich die Postkontoguthaben aus der Liste der für die Mindestreserven anrechenbaren Mittel. In der Schlussabstimmung passierte das revidierte Nationalbankgesetz den Ständerat mit 39 zu 5 Stimmen; im Nationalrat, wo eine knappe Mehrheit der SP und die geschlossene GP dagegen votiert hatten, lautete das Ergebnis 142 zu 37
[7].
Im März wählte der Bundesrat den 40jährigen
Philipp Hildebrand zum Nachfolger von Bruno Gehrig im dreiköpfigen Präsidium den Nationalbank
[8].
In einem Grundsatzentscheid beschloss der Bundesrat zu Jahresbeginn, dass die
Erträge aus dem überschüssigen Gold der Nationalbank nach dem selben Schlüssel verteilt werden sollen wie die normalen Jahresgewinne der Nationalbank: also zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone. Dabei sprach er sich gegen eine Zweckbindung des Bundesanteils, also etwa zugunsten der AHV oder der Bildung und Forschung aus. Er blieb überdies bei seiner Ansicht, dass für diese Regelung eine Verfassungsbestimmung nötig sei
[9]. Der Ständerat befasste sich mit der Frage anlässlich der Behandlung der im Vorjahr eingereichten Motion Merz (fdp, AR) für die Verwendung der Erträge aus dem Verkaufserlös für den Schuldenabbau. Mit 18:9 Stimmen stimmte er dieser Motion zu. Später gab er auch noch vier Standesinitiativen Folge, welche den Anspruch der Kantone auf einen Anteil von zwei Dritteln unterstrichen
[10]. Im Juni vereinbarten das Finanzdepartement und die Nationalbank, dass ab Frühling 2004 die Erträge aus den in einem Fonds aufbewahrten Erlösen vorläufig, d.h. bis zum Vorliegen einer Verfassungsgrundlage, nach der Zweidrittel-Regelung auf den Bund und die Kantone verteilt werden sollen
[11].
Im August legte der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft vor. Er beantragte, auf Verfassungsstufe festzulegen, dass die rund 20 Mia Fr. betragenden Erlöse aus dem Goldverkauf in einen Fonds zu legen sind. Die Erträge aus der Bewirtschaftung dieses Fonds sollen, ohne Vorgaben über die Verwendung, zu zwei Dritteln an die Kantone und zu einem Drittel an den Bund fallen.
Zusammen mit diesen Vorschlägen für die Verwendung der Gelder aus dem Goldverkauf empfahl der Bundesrat die
Ablehnung der Volksinitiative „Nationalbankgewinne für die AHV“. Er konzentrierte sich bei seiner Ablehnung auf zwei Argumente: Die normalen Nationalbankgewinne zur verfassungsmässigen Finanzierungsquelle für die Altersversicherung zu erklären, würde die Unabhängigkeit der Nationalbank in ihren geld- und währungspolitischen Entscheiden in Frage stellen, und die zu erwartenden Beträge wären ohnehin viel zu gering für eine gesunde längerfristige Absicherung der AHV
[12]. Die SP und die SVP protestierten umgehend gegen die Anträge der Regierung und forderten die Ausschüttung eines grossen Anteils der Goldfondserträge und der normalen Nationalbankgewinne an die AHV
[13].
[1]
BaZ, 7.3.03. Vgl. auch Schweizerische Nationalbank,
96. Geschäftsbericht 2003, Bern 2004, S. 40 ff.
[3] Schweizerische Nationalbank,
96. Geschäftsbericht 2003, Bern 2004, S. 14 f.
[4]
AB SR, 2003, S. 47 f. und 614;
AB NR, 2003, S. 1023 ff.;
BBl, 2003, S. 4812. Vgl.
SPJ 2002, S. 95. Siehe auch
Lit. Parl. Verwaltungskontrollstelle.
[5]
BBl, 2003, S. 4775 ff.;
AB SR, 2003, S. 957 ff.;
AB NR, 2003, S. 2036 ff.
[6] Schweizerische Nationalbank,
96. Geschäftsbericht 2003, Bern 2004, S. 30.
[7]
AB SR, 2003, S. 280 ff., 294 ff., 789 ff., 957, 990 f. und 1034;
AB NR, 2003, S. 1262 ff., 1278 ff., 1362 f., 1577 f., 1615 und 1751;
BBl, 2003, S. 6796 ff. Vgl.
SPJ 2002, S. 96. Siehe auch
Lit. Plavec/Widmer.
[9]
AZ und
SGT vom 31.1.03 (BR). Vgl.
SPJ 2002, S. 96 f.
[10]
AB SR, 2003, S. 312 ff. (Motion) und 968 f. (Standesinitiativen von BE, OW, SO und VD). Vgl.
SPJ 2002, S. 97.
[12]
BBl, 2003, S. 6133 ff.
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