Année politique Suisse 2003 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement / Wohnungsbau und -eigentum
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Besteuerung von Wohneigentum
Im Frühjahr hielt der Ständerat bei der Wohneigentumsbesteuerung an seiner Absicht fest, den Eigenmietwert auf 60% des Marktwerts zur reduzieren; der Nationalrat hingegen beharrte auf der Aufhebung der Eigentumsbesteuerung. In der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens schloss sich die kleine Kammer mit 23:20 Stimmen der Version des Nationalrats an und entschied sich für den Systemwechsel bei der Eigenmietwertbesteuerung; die Mehrheit des Ständerates hatte das Risiko einer Nulllösung bei der Einigungskonferenz oder eines Scheiterns des ganzen Steuerpakets nicht eingehen wollen. Der anschliessende Ordnungsantrag von Kommissionspräsident Schiesser (fdp, GL), das Geschäft nach diesem Grundsatzentscheid an die Kommission zurückzuweisen, um die finanzpolitischen Auswirkungen zu überprüfen, wurde knapp abgelehnt. Bei den Liegenschaftskosten schloss sich die kleine Kammer der nationalrätlichen Variante an und nahm im Vergleich zum Bundesrat zusätzliche Steuerausfälle von 70 Mio Fr. in Kauf. Beim Schuldzinsabzug folgte sie der Vorlage des Bundesrats, ebenfalls beim Bausparen, wo sie sich, mit Stichentscheid des Präsidenten, für das Modell im Rahmen der Säule 3a aussprach – der Nationalrat hatte das basellandschaftliche Modell vorgezogen [20].
In der Einigungskonferenz setzten sich die nationalrätlichen Positionen durch: Schuldenabzüge für Ersterwerber von 7500 Fr. für Einzelpersonen resp. 15 000 Fr. für Ehepaare, Bausparen nach dem basellandschaftlichen Modell sowie Inkrafttreten des Systemwechsels auf 2008. Im Nationalrat plädierte SP-Fraktionschefin Fässler (SG) vergeblich für die Ablehnung des Antrags der Einigungskonferenz. Das Steuerpaket habe Entlastungen für Familien mit Kindern versprochen. Die Steuererleichterungen von 1,2 Mia Fr. kämen jedoch zu zwei Dritteln jenen rund 10% der Haushalte zugute, die über mehr als 100 000 Fr. steuerbares Einkommen verfügen, also genau jenen Personen, die nicht darauf angewiesen seien. Finanzminister Villiger hielt fest, dass der Bundesrat den Systemwechsel weg vom Eigenmietwert befürwortet habe. Die zusätzlichen Abzugsmöglichkeiten seien aber finanzpolitisch übertrieben und von der Steuergerechtigkeit her fragwürdig. Diesen Teil des Steuerpakets könne der Bundesrat nicht mittragen. Beide Räte nahmen den Antrag der Einigungskonferenz an. Das Steuerpaket passierte die Schlussabstimmung im Nationalrat mit 97:69 Stimmen (gegen die Voten von SP, Grünen und EVP), der Ständerat verabschiedete die Vorlage unter Namensaufruf mit 30:13 Stimmen und 2 Enthaltungen [21].
Der Schweizerische Hauseigentümerverband zeigte sich über das Ja des Parlaments zum Steuerpaket befriedigt und sistierte die geplante Lancierung eigener Volksinitiativen im Bereich des Bausparens und der Eigenmietwertbesteuerung [22]. Die kantonalen Finanzdirektoren hingegen lehnten die Steuerreform ab. Einen reinen Systemwechsel hätten sie unterstützt, nicht jedoch das nun vorliegende Modell, das trotz Abschaffung des Eigenmietwerts weiterhin grosszügige Abzüge für Unterhaltskosten und Schuldzinsen erlaubt. Die entsprechenden Steuerausfälle seien für die Kantone nicht tragbar. In der Folge reichten die Regierungen resp. Parlamente von Bern, Graubünden, Solothurn, Basel-Stadt, Glarus, Jura, Schaffhausen, Wallis, Obwalden, Sankt Gallen und Waadt erstmals in der Geschichte des Bundesstaates ein Kantonsreferendum ein. Da das Zustandekommen des Kantonsreferendums bis im September unklar war, reichte ein links-grünes Komitee ebenfalls das Referendum gegen das Steuerpaket ein [23].
Als Reaktion auf die Vorbehalte des Bundesrats zum Steuerpaket wegen der Wohneigentumsbesteuerung überwies der Ständerat gegen den Antrag der Regierung eine Empfehlung von Helen Leumann (fdp, LU). Diese forderte den Bundesrat auf, das Steuerpaket in der bevorstehenden Volksabstimmung aktiv zu unterstützen, namentlich im Bundesbüchlein. In seiner Stellungnahme betonte der Bundesrat, er halte die Beschlüsse des Parlaments zur Wohneigentumsbesteuerung, das bei den Abzügen für Unterhaltskosten und für Schuldzinsen zulasten der Steuereinnahmen weit über die Anträge des Bundesrates hinausgegangen sei, verfassungsrechtlich, finanzpolitisch sowie aus föderalistischer Sicht für äusserst problematisch. Da das Parlament gegen den Antrag des Bundesrates die drei einzelnen Vorlagen des Steuerpakets miteinander verknüpft habe, sei eine differenziertere Haltung weder für den Bundesrat noch für das Volk möglich. In den Abstimmungserläuterungen werde der Bundesrat den Standpunkt des Parlamentes objektiv und vollständig zum Ausdruck bringen und die Annahme der Vorlage beantragen, aber gleichzeitig auf seine divergierende Meinung in Bezug auf die den Systemwechsel flankierenden Massnahmen bei der Wohneigentumsbesteuerung hinweisen [24].
 
[20] AB SR, 2003, S. 233 ff. und 398 ff. (insbesondere S. 244 ff. und 399 ff.); AB NR, 2003, S. 707 ff. (insbesondere S. 716 ff.); Presse vom 9.5. und 4.-7.6.03.
[21] AB NR, 2003, S. 981 ff. und 1243; AB SR, 2003, S. 606 ff. und 715; BBl, 2003, S. 4498 ff. (insbesondere S. 4507 ff.); Presse vom 14.6., 18.6. und 21.6.03.
[22] Presse vom 23.6.03; SPJ 2002, S. 169.
[23] BBl, 2003, S. 7056 f. und 7269 f.; Presse vom 21.6., 4.7., 17.9., 25.9., 4.10., 10.10. und 28.10.03.
[24] AB SR, 2003, S. 1131 ff.; vgl. auch das gleich lautende Postulat 03.3563 von NR Hegetschweiler (fdp, ZH); Presse vom 6.11.03; BaZ, 20.11.03.