Année politique Suisse 2003 : Politique sociale / Population et travail
Kollektive Arbeitsbeziehungen
Gleich wie im Vorjahr eine Initiative Dupraz (fdp, GE), verwarf der Nationalrat auch eine Minderheitsmotion Fässler (sp, SG), die erreichen wollte, dass im OR ein landesweiter Normalarbeitsvertrag für die
Landwirtschaft eingeführt wird. Der Bundesrat erklärte zwar, mit den Anstellungsbedingungen der Arbeitnehmenden in der Landwirtschaft nicht zufrieden zu sein. Dennoch machte er regionale Unterschiede geltend, um erfolgreich Ablehnung des Vorstosses zu beantragen
[20].
Der GAV in der
Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Mem-Industrie) wurde um zweieinhalb Jahre bis Ende 2005 verlängert. Von diesem GAV sind 120 000 Angestellte in 611 Unternehmen direkt betroffen. Die Verlängerung des Vertrags wurde jedoch als Signal für die gesamte Mem-Industrie mit ihren 318 000 Arbeitnehmenden erachtet. Die Arbeitgeber machten geltend, es gehe darum, die Branche wettbewerbsfähig zu erhalten, um auch im momentanen schwierigen wirtschaftlichen Umfeld möglichst viele Arbeitsplätze retten zu können. Die Gewerkschaften, die ursprünglich mit weitreichenden Forderungen in die Verhandlungen gestiegen waren, würdigten die Verlängerung als Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft und zum Erhalt von Arbeitsplätzen
[21].
Im
Bankensektor einigten sich die Sozialpartner auf neue Mindestlohnregelungen im GAV. Je nach Lohnklasse betragen die Minimallöhne inskünftig 44 200, 66 000 oder 88 000 Fr
[22]. Im
Gastgewerbe wurden die Minimallohnverhandlungen für 2004 hingegen nach vier ergebnislosen Treffen der Sozialpartner ohne Einigung beendet. Mit Hinweis auf die gegenwärtig schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hatten die Arbeitgeber jegliche Erhöhung der Mindestlöhne abgelehnt
[23].
Im Berichtsjahr registrierte das Seco
fünf grössere Arbeitskonflikte mit zum Teil mehrtägigen
Streikbewegungen. Im Februar/März legten in der Nähe von Lausanne die Mitarbeiter des Mobilfunkunternehmens Orange mehrmals die Arbeit nieder, nachdem ein einschneidender Stellenabbau angekündigt worden war. Die Gewerkschaften konnten die Massnahme nicht verhindern, erreichten aber unter Vermittlung der Waadtländer Regierung, dass ein, wenn auch bescheidener, Sozialplan vorgelegt wurde
[24]. Zwei Arbeitskonflikte betrafen die Unterstellung eines Kaminbaubetriebs und einer Isolationsfirma unter den GAV des Bauhauptgewerbes und damit die Möglichkeit der flexiblen Pensionierung ab dem 60. Altersjahr, zwei weitere ein Medienunternehmen und eine Verpackungsfirma
[25]. Der wohl spektakulärste Streik betraf Ende November den Küchengerätehersteller Zyliss, der seine Produktion nach Asien auslagern und deshalb das Werk in Lyss (BE) schliessen wollte. Da es sich dabei um eine traditionsreiche Schweizer Firma handelte, löste der Fall ein grosses Medienecho aus. Die Arbeitnehmenden und Gewerkschaften konnten die Auslagerung nicht verhindern, doch fand sich dank Vermittlung der Berner Regierung ein Investor, der sich bereit erklärte, den Standort und den grössten Teil der Belegschaft zu übernehmen
[26].
[20]
AB NR, 2003, S. 502. Siehe
SPJ 2002, S. 190.
[24]
LT, 21.2., 1.3. und 7.3.03;
24h, 26.2., 28.2., 1.3., 3.3., 7.3. und 24.3.03.
[25]
TA, 25.3. und 30.4.03;
Blick, 23.5.03;
Bund und
NZZ, 2.12.03.
[26] Presse vom 19.-28.11.03.
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