Année politique Suisse 2003 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Grundschulen
Zur Fremdsprachendiskussion vgl. unten, Teil I, 8b (Sprachen).
Ende des Berichtsjahres reichte der Verein elternlobby.schweiz in Bern eine Petition „für eine echte freie Schulwahl“ ein mit dem Ziel, die Chancengleichheit in der Grundausbildung zu fördern. Dorn im Auge der elternlobby.schweiz war die Tatsache, dass Erziehende, die ihre Kinder in eine Privatschule schicken, doppelt zur Kasse gebeten werden – und zwar sowohl über die Kosten für die Privatschule als auch über Steuerbeiträge an die Mitfinanzierung der staatlichen Schule. Die Petition fordert die staatliche Unterstützung jener privaten Schulen, die mindestens den Anforderungen der kantonalen Schulgesetzgebung entsprechen. Fachleute warnten jedoch vor einer Privatisierung und Individualisierung des Bildungssystems, in deren Zug der Staat zur reinen Umverteilungsmaschine verkomme. Zudem ziele die Petition eher auf eine Zunahme der sozialen Ungleichheit denn auf Chancengleichheit, sei es doch offensichtlich, dass private, qualitativ hoch stehende Schulen vorwiegend von privilegierten Bevölkerungsschichten gegründet würden [2].
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Schulreformen und -modelle
Mit 19 zu 18 Stimmen verwarf der Ständerat eine Motion Langenberger (fdp, VD), welche die Einführung von Blockzeiten in allen Schweizer Schulen im Interesse von Familien, Wirtschaft und Gesellschaft gefordert hatte. Mit dem von der FDP und der SP portierten Begehren, zu dessen Entgegennahme auch der Bundesrat bereit gewesen war, hätte eine verfassungsmässige Verankerung von Blockzeiten geschaffen werden sollen – auch im Sinne eines Schritts in Richtung Chancengleichheit von Frau und Mann. Das System der Blockzeiten sieht auf Kindergarten- und Primarschulstufe mindestens vier Lektionen an fünf Vormittagen und zwei Lektionen an mindestens einem Nachmittag vor, womit die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie verbessert werden soll. Die Überweisung der Motion scheiterte an den Gegenstimmen der CVP, welche Bedenken vor allem hinsichtlich möglicher Eingriffe in die kantonale Souveränität angemeldet hatte [3].
Im Rahmen ihrer bildungspolitischen Wahlplattform warnte die CVP vor einer drohenden Nivellierung des Schweizerischen Bildungswesens und rief zu mehr Förderung, aber auch zu mehr Forderungen an die Schülerinnen und Schüler auf. So sollten in den Primarschulzeugnissen wieder Noten figurieren; das Erlernen einer zweiten Landessprache sowie des Englischen sollte bereits in der dritten Klasse erfolgen, so dass bis Ende der obligatorischen Schulzeit die Kenntnisse in beiden Fremdsprachen das gleiche Niveau erreicht hätten. Im weiteren forderte die CVP ein gemeinsames Festlegen von Lernzielen durch die Kantone und eine raschere Integration ausländischer Kinder und Jugendlicher dank der Schule. Und schliesslich sprach sich die Partei auch für Kinder- und Elternberatungsstellen, Kinderkrippen und Tagesschulen aus ebenso wie für die steuerliche Entlastung von Betrieben, die Lehrstellen anbieten [4].
In den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Glarus und Aargau liefen in 20 Klassen Schulversuche für die Basisstufe an. Die Basisstufe steht für einen flexiblen Schuleintritt und die Zusammenfassung von Kindergarten und Unterstufe – das heisst drei bzw. vier Jahrgänge werden in einer Klasse von zwei Lehrkräften unterrichtet. Damit wird es für begabte Kinder möglich, die ersten Schuljahre rascher zu durchlaufen, wohingegen sich andere Kinder mehr Zeit lassen können. Ziel der Erziehungsdirektorenkonferenz Ostschweiz (EDK-Ost) war es, eine gemeinsame Einführung der Basisstufe anzugehen, ohne die Autonomie der Kantone zu beschneiden. Projektbegleitung und -auswertung wurden kantonsübergreifend, die Schulversuche jedoch in der Kompetenz der einzelnen Kantone organisiert. An einer Medienorientierung Ende des Berichtsjahres beurteilten die Projektverantwortlichen den Versuchsverlauf positiv, insbesondere sei die anfängliche Skepsis seitens Schüler-, Lehrerschaft und Eltern vorsichtiger Begeisterung gewichen [5]. Nicht zuletzt die Ablehnung eines neuen Volksschulgesetzes und damit auch die Ablehnung einer unerprobten Einführung der Basisstufe durch das Zürcher Stimmvolk im Vorjahr hatte als Herausforderung auf die Nachbarkantone gewirkt [6].
Nachdem die Schweizer Schülerinnen und Schüler gemäss Pisa-Studie in Sachen Leseverständnis nur mittelmässig abgeschnitten hatten, legte die Schweizerische Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK) Mitte des Berichtsjahres einen Katalog von Folgemassnahmen vor, der aber sowohl inhaltlich als auch betreffend der entsprechenden Finanzierung vage blieb. Der Katalog umfasste Sprachförderung für alle im Sinne einer vermehrten, frühen und anspruchsvollen Anwendung der Standardsprache, Sprachförderung für Kinder und Jugendliche mit ungünstigen Lernvoraussetzungen (wobei das frühe Erkennen von Förderbedürfnissen im Vordergrund stehen sollte), frühe und flexible Einschulung, regelmässige Kontrolle der schulischen Leistungen sowie ausserschulische Betreuungsangebote. Die Verantwortung für die Umsetzung dieses Massnahmenkatalogs – sprich dessen Finanzierung – sollte, so die EDK, vornehmlich in den Händen der Kantone liegen [7].
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Sparmassnahmen, Lehrerlöhne und Lehrerbildung
Mitte des Berichtsjahres legten die Zürcher Lehrkräfte mit einer grossen Protestaktion die Schulen lahm. Rund 5700 Lehrerinnen und Lehrer streikten und gingen auf die Strasse, um gegen die geplanten Sparmassnahmen des Regierungsrates zu protestieren. Die Sparpläne, welche Teil eines Sanierungsprogramms der Zürcher Kantonsfinanzen waren, sahen unter anderem die Erhöhung der Richtwerte für die Klassengrössen um drei auf 28 Schulkinder vor [8].
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Informatik
Mitte des Berichtsjahres waren 1800 Schulen mit insgesamt 480 000 Schülerinnen und Schüler ans Internet angeschlossen. Die Wirtschaft hatte im Jahr 2002 20 Mio Fr. in Form von Hard- und Software für die Initiative „Schule ans Netz“ aufgeworfen. Die Ende 2002 lancierte Bildungsinitiative wurde vom Bund und von der Privatwirtschaft mit je 100 Mio Fr. sowie von den Kantonen mit insgesamt 800 Mio Fr. getragen – mit dem Ziel, bis 2006 alle Volksschulen mit Internetanschlüssen auszurüsten [9].
 
[2] SGT, 22.5. und 3.6.03; Presse vom 28.11.03; TA, 29.11.03; WoZ, 18.12.03. Zu einem Bundesgerichtsentscheid, der den Entscheid einer Zürcher Gemeinde bekräftigte, den Eltern eines hochbegabten Kindes das Schulgeld für eine private Schule nicht zu bezahlen, vgl. TA, 27.3.03 und BaZ, 27.3.03.
[3] AB SR, 2003, S. 1013 und 1183 ff.; LT, 25.9. und 10.9.03; NZZ, 11.9.03; Presse vom 2.10. und 17.12.03.
[4] Presse vom 16.5.03.
[5] SGT, 18.6. und 19.11.03. Zur vor allem in der Westschweiz diskutierten frühen Einschulung bzw. einem Schuleintritt ab dem dritten Altersjahr vgl. LT und TG, 17.9.03.
[6] TA, 26.3.03; NZZ, 23.10.03; EDK, Jahresbericht 2003 (Bern, März 2004), S. 8.
[7] Presse vom 24.6.03; SGT, 25.6.03; LT, 25.6.03; vgl. SPJ 2001, S. 218. Zur Problematik einer Konkurrenzierung der schriftdeutschen Sprache durch den schweizerdeutschen Dialekt in den Schulzimmern vgl. TA, 28.6.03; NZZ, 1.7.03; Presse vom 23.8.03; vgl. auch EDK, Jahresbericht 2003 (Bern, März 2004), S. 7 f.
[8] Presse vom 21.6.03; WoZ, 25.6.03.
[9] Presse vom 18.2.03; NZZ, 20.6. und 28.7.03. Zur Lancierung der Initiative vgl. SPJ 2000, S. 265; zum Stand des Projekts vgl. zudem die Antwort des BR auf die Anfrage Vermot-Mangold (sp, BE) (AB NR, 2003, S. 525).