Année politique Suisse 2003 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises / Sprachen
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Sprachenpolitik in den Kantonen
Im Kanton Freiburg verabschiedete die „Constituante“ in den ersten Monaten des Jahres ihren Verfassungsentwurf, wobei sich die Regelung der Sprachenfrage als besondere Knacknuss erwies. Die vorberatende Kommission hatte davon abgesehen, das 1990 in die Verfassung aufgenommene und von vielen Romands vehement vertretene Territorialitätsprinzip in der Verfassung zu belassen und sich stattdessen am Wortlaut der neuen Bundesverfassung orientiert, wonach Staat und Gemeinden auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete achten und auf die angestammten Minderheiten Rücksicht nehmen. Zudem war sie der deutschsprachigen Bevölkerung an der Sprachengrenze insofern entgegen gekommen als sie bestimmte, dass deren Kinder den Ort der Einschulung frei wählen können. Beide Verfassungsartikel hatten vor der „Constituante“ keine Chance. Nach einer Marathondebatte setzte sich eine Formulierung durch, welche die Zweisprachigkeit zwar als wesentlichen Bestandteil der Identität des Kantons und seiner Hauptstadt anerkennt, bei den Amtssprachen aber auf ein durchgehendes Territorialitätsprinzip setzt, mit Ausnahmemöglichkeiten für Gemeinden mit einer bedeutenden angestammten sprachlichen Minderheit. Der Artikel über die Einschulung an der Sprachgrenze wurde ersatzlos gestrichen, womit auch hier weiterhin das Territorialitätsprinzip gilt [22].
Ab 2010 sollen die traditionellen romanischen Idiome aus allen Schulen in Graubünden verschwinden und der Einheitssprache Rumantsch Grischun (RG) Platz machen. Gemäss Beschluss der Bündner Regierung, die im Rahmen eines Sparpakets entschied, ab 2005 Lehrmittel nur noch in der Einheitssprache herzustellen, soll RG im Jahr 2007 in ersten Pioniergemeinden eingeführt werden, drei Jahre später dann flächendeckend im ganzen Kanton. Die bisherigen Idiome werden als gesprochene Unterrichtssprache (und als Sprache der „klassischen“ romanischen Literatur) zwar weiterhin ihren Platz in den Schulen haben, doch als zu erlernende Schriftsprachen werden Sursilvan, Sutsilvan, Puter und Vallader dannzumal endgültig der Vergangenheit angehören [23].
 
[22] NZZ, 21.1., 23.1.und 19.2.03; Lib. 11.1., 15.1., 22.1. 29.1., 19.2., 12.4. und 13.12.03. Siehe SPJ 1990, S. 268. In der Vernehmlassung sprachen sich über 65% der Antwortenden für das Territorialitätsprinzip aus, ebenso alle Parteien mit Ausnahme der CSP (Nein) und der SP (keine Empfehlung): LT, 16.9. und 12.11.03. Vgl. dazu auch oben, Teil I, 1a (Kantonale Verfassungsrevisionen). Dass die Angst der Romands vor einer schleichenden Germanisierung eigentlich unbegründet ist, hatten im Vorjahr die Zahlen der Volkszählung 2000 ergeben, welche eine Zunahme des Französischen im Kanton Freiburg belegten (SPJ 2002, S. 277). Im Mai präsentierte der Regierungsrat des Kantons Bern in einem gemeinsamen Gesetz die künftige Stellung des Berner Jura sowie Massnahmen zur Unterstützung der französischsprachigen Bevölkerung und der Förderung der Zweisprachigkeit im Amtsbezirk Biel (LT, 10.5.03; NZZ, 13.5.03). Vgl. dazu oben, Teil I, 1d (Territoriale Fragen).
[23] Büz, 8.3., 24.11., 29.11. und 10.12.03.