Année politique Suisse 2003 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
Im Berichtsjahr wurde die schlimmste Krise der Schweizer Presse seit dem Zweiten Weltkrieg beklagt – auf politischer Ebene insbesondere die Bedrohung der Demokratie aufgrund der fortschreitenden Pressekonzentration, auf ökonomischer Ebene vor allem die massiven Einbrüche bei den Anzeigenerlösen [7]. So äusserte sich der wirtschaftliche Druck beim „Tages-Anzeiger“, dem Flaggschiff der Mediengruppe Tamedia, mit dem Abbau von 38 Stellen und der Entlassung von 14 Journalistinnen und Journalisten, was 8% der Belegschaft gleichkam [8]. Massive Massnahmen wurden auch bei der „Basler Zeitung“ ergriffen und die Entlassung von rund einem Viertel der Redaktionsbelegschaft angekündigt. Der Stellenabbau stand nach Aussagen der Geschäftsleitung im Zusammenhang mit der Restrukturierung im Redaktionsbereich, die infolge der drastischen Einbrüche der Anzeigenerträge dringend notwendig geworden sei [9]. Bei der Zeitschrift „Facts“ wurde auf den Umsatzrückgang von drei auf 14,4, Mio Fr. im ersten Halbjahr des Berichtsjahres mit personellen Wechseln auf der Chefredaktion und in der Verlagsleitung sowie mit einer Neupositionierung des Blattes als Nachrichtenmagazin zu reagieren versucht [10]. Zu – wenn auch weniger dramatischen – Stellenstreichungen kam es unter anderem auch bei der „Berner Zeitung“, der „Schweizer Illustrierten“, dem „Blick“ und der „Aargauer Zeitung“ [11].
Mit Verweis auf die schwierigste Lage der Branche seit 50 Jahren empörte sich der Verlegerverband Schweizer Presse über den Entscheid der entsprechenden Schiedsstelle, die Verleger seien ab 2004 zur Erhöhung der Mindestlöhne für Medienschaffende um 1,2% verpflichtet. Die Lohnerhöhung sollte nur bis Juli 2004 gelten, da der Verlegerverband den GAV mit dem SVJ auf diesen Zeitpunkt gekündigt hatte und somit auch die Schiedsstelle zur Disposition stand [12]. Der SVJ – mit rund 6000 Mitgliedern der grösste Schweizer Berufsverband der Journalistinnen und Journalisten – gab sich mit „impressum“ - „Die Journalistinnen“ einen neuen Namen. Die Wahl fiel mit Verweis auf die Verbundenheit des Begriffs mit dem Journalismus und seiner Verständlichkeit in allen vier Landessprachen auf „impressum“ [13].
Auch die Auflagenzahlen bestätigten das Bild einer düsteren Zukunft für die Schweizer Presse: Die zehn grössten Tageszeitungen büssten laut den Zahlen der AG für Werbemedienforschung (Wemf) 0,2% an Auflage ein, womit die zehn Spitzenblätter noch auf eine tägliche Auflage von 1,602 Millionen Exemplaren kamen. Eine Auflagensteigerung konnten in der Deutschschweiz die «Berner Zeitung» und ihre Kopfblätter mit 165 700 (+1,7%), der «Tages-Anzeiger» mit 236 569 (+ 0,9%), die «Neue Luzerner Zeitung» mit 134 140 (+ 0,6%) und die «Südostschweiz» mit 144 925 Ausgaben (+ 0,2%) verbuchen. Trotz eines Einbruchs um 5,8% war der «Blick» mit 275 275 Exemplaren weiterhin die auflagenstärkste Schweizer Kaufzeitung; einen massiven Verlust um 8,7% (60 500) musste der Berner «Bund» verzeichnen. 4,4% (159 003) büsste die Auflage der «Neuen Zürcher Zeitung» ein. Als Siegerin ging die Gratiszeitung «20 Minuten» mit einer Steigerung ihrer Auflage um 5,2% (329 242 Exemplare) ins Jahr, womit sie weiterhin die grösste Tageszeitung der Schweiz war. Bei der Wochenpresse legten die «Weltwoche» (+ 3,0%) und die «WochenZeitung WOZ» (+ 1,5%) zu, «Facts» und «Cash» verloren 5,6% bzw. 6,0%. Eine erstmalige Erfassung der Auflagenzahlen der «NZZ am Sonntag» wies 90 158 Exemplare aus; die «SonntagsZeitung» steigerte ihre Auflage minim auf 202 255, wohingegen der «SonntagsBlick» auf 300 300 Ausgaben sank. In der Romandie blieb trotz eines Verlustes um 2,7% (86 153) «24 Heures» weiterhin das auflagenstärkste Blatt. Die «Tribune de Genève» (- 2,7%) und «Le Temps» (- 5,4%) blieben ebenfalls nicht von Verlusten verschont; zulegen konnten hingegen «Le Matin» (+ 4,2%) und die Freiburger «Liberté» (+ 1,0%). Die aufgrund der Einstellung von «dimanche.ch» einzig verbliebene Westschweizer Sonntagszeitung «Le Matin Dimanche» legte um 2,0% zu [14].
Von einem Aufwärtstrend war im Inseratengeschäft der Schweizer Presse ebenfalls keine Rede. Gemäss den von der Wemf publizierten Statistiken der Zeitungsverlage und Anzeigenvermittler mussten sowohl die Tages- und Wochenzeitungen als auch die Zeitschriften aller Kategorien einen Verlust von je rund 11% weniger verkaufter Inseratenseiten im Vergleich zum Vorjahr verbuchen. Im Gegensatz zu dieser Entwicklung standen die Gratiszeitungen, die mit - 3% nur knapp unter das Vorjahresniveau sanken und beim kommerziellen Wachstum gar einen Zuwachs von 5,5% gegenüber 2002 verzeichneten [15].
Gemäss den Zahlen der „Mach Basic 2003“ blieb die Leserschaft trotz massiv gesunkener Auflagen den Schweizer Zeitungen und Zeitschriften erstaunlich treu. Im Vergleich zum Vorjahr lagen die erhobenen Reichweiten bzw. Leserzahlen in etwa unverändert. Nur die Pendlerzeitung „20 Minuten“ konnte markant zulegen und steigerte die Zahl ihrer Leserinnen und Leser um fast 200 000 auf 720 000. Sie schloss damit zum „Blick“ mit 746 000 Leserinnen und Lesern auf [16].
Eine Neuausrichtung im Sinne eines starken Rechtsrutsches verhalf der Weltwoche als einem der wenigen Presseerzeugnisse trotz der Krise zu schwarzen Zahlen – dank radikaler Sparmassnahmen und einem Mehrerlös von rund 60% aus dem Anzeigenverkauf. Das von Chefredaktor Roger Köppel praktizierte Provokationsprinzip, politische Polemik und eine inhaltliche Nähe zur SVP schienen dem neuen „Weltwoche“-Publikum zu gefallen, sorgten aber auch für harsche interne und externe Kritik sowie für zahlreiche Abgänge namhafter Autoren auf der Redaktion [17].
Die im 2002 umgangene Einstellung des Sonntagsblattes dimanche.ch konnte im Berichtsjahr nicht mehr verhindert werden. Nach dreieinhalbjährigem Bestehen wurde die Sonntagszeitung vom Verlagshaus Ringer aufgrund mangelnder Einnahmen durch Werbeinserate eingestellt [18].
Nach anfänglichen Bedenken bewilligte die Weko die Beteiligungserhöhung des Ringier-Konzerns an der Verlagsgesellschaft der Westschweizer Tageszeitung „Le Temps“ – jedoch nicht ohne Auflagen, um die Unabhängigkeit der Herausgeberschaft von „Le Temps“ zu sichern. Auf die Einstellung von dimanche.ch hatte Ringer mit einer Erhöhung seiner Beteiligung um 41% reagiert, womit Ringier und Edipresse nun mit je 50% an der SA „Le Temps“ beteiligt waren. Die Weko hatte vor diesem Hintergrund eine weitere Verstärkung der bereits marktbeherrschenden Stellung von Edipresse auf dem Westschweizer Pressemarkt befürchtet. So sahen die Auflagen der Kommission unter anderem vor, dass das Präsidium des Verwaltungsrates der SA „Le Temps“ sowie dasjenige der SA „Le Nouveau Quotidien“ zwingend von Edipresse und Ringier unabhängig bleiben [19].
Die endgültige Genehmigung der Weko für den Aktientransfer zur Umsetzung des so genannten Berner Modells – einer Kooperation zwischen den Tageszeitungen „Bund“ und „Berner Zeitung“ – stand Ende des Berichtsjahres noch aus. Im Berner Modell soll der „Bund“ seine Redaktion behalten, aber neu von der Espace Media Groupe, Besitzerin der „Berner Zeitung“, vermarktet, produziert und vertrieben werden. Zu diesem Zweck war ein Verkauf der Hälfte des Aktienpakets der Neuen Zürcher Zeitung, welche 80% des Aktienkapitals an der Bund Verlags AG innehatte, an die Espace Media Groupe geplant. Damit stünden die drei künftigen Aktionäre in einem Verhältnis von 40% (NZZ) zu 40% (Espace Media Groupe) zu 20% (Anzeigevermarkterin Publigroupe) zueinander. Die Weko hatte anfangs November mit einem Zwischenentscheid die Anzeigenkombination als wesentliche Voraussetzung für den kommerziellen Erfolg der Zusammenarbeit schon auf den 1. Januar 2004 provisorisch bewilligt [20].
Das Ansinnen der beiden Medienunternehmen Tamedia und Berner Zeitung AG, sämtliche Rechte an der Pendlerzeitung „20 Minuten“ zu erwerben, verzögerte sich aufgrund eines Monopolverdachts der Weko. Diese sah Anhaltspunkte für die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung bei den regionalen Werbemärkten in Bern und Zürich sowie im nationalen Markt für Pendlerzeitungen. Die von der Weko eingeleitete Prüfung sollte zeigen, ob sich die beiden Verlage bei der Festsetzung von Preisen und Bedingungen vom Markt unabhängig verhalten können. Im Oktober konnte die Beteiligung der Tamedia an „20 Minuten“ vollzogen werden, nachdem die Weko hierzu ihr grünes Licht gegeben hatte, eine Beteiligung der Berner Zeitung AG wurde demgegenüber einer erneuten Prüfung unterzogen. Mit diesem Kauf wurde dem Zürcher Gratiszeitungskrieg ein Ende gesetzt. Die Tamedia hatte nämlich ganz unvermittelt auf die ursprünglich für Ende März vorgesehene Lancierung der Gratiszeitung „Express“ als Konkurrenzblatt zu „20 Minuten“ zugunsten des Zusammenschlusses von Tamedia, „Berner Zeitung“ und „20 Minuten AG“ verzichtet [21].
 
[7] NZZ, 6.6.03; Lib., 11.10.03; NLZ, 15.10.03; BaZ, 31.12.03. Zur düsteren Lageanalyse des Verlegerverbands an seiner traditionellen Dreikönigstagung siehe TA, 8.10.03 und Presse vom 10.1.03.
[8] SGT, 14.3.03; Bund, 14.3.03; AZ, 20.3., 28.6., 23.8., 25.8. und 28.8.03; Presse vom 27.6. und 27.11.03; NZZ, 18.7., 22.8., 28.8., 7.10. und 29.11.03. Zum Besitzerwechsel bei der Kulturzeitschrift „du“ siehe Presse vom 12.9.03.
[9] BaZ, 14.10., 16.10., 25.10., 27.11., 2.12. und 19.12.03.
[10] NZZ, 25.10.03; TA, 25.10. und 2.11.03; BaZ, 8.11.03; AZ, 8.11.03.
[11] NZZ, 11.1., 27.3., 29.3. und 19.7.03.
[12] NZZ, 12.11. und 27.11.03. Zur Kündigung des GAV, die vom Verlegerverband damit begründet worden war, dass der Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten (SVJ) eine Verschleppungstaktik verfolge und nicht einmal Terminvorschläge für die angebotenen Vertragsverhandlungen behandelt habe, siehe NZZ, 25.4., 26.4. und 8.7.03.
[13] Presse vom 18.10.03.
[14] AZ, 2.4.04. Zur Neuausrichtung der „WoZ“ mit der Einführung der Ressorts Wirtschaft, Thema, Leben und Wissen sowie einem neuen Layout siehe TA, 15.5.03; WoZ, 15.5.03; SGT, 23.5.03; Bund, 29.8.03; BaZ, 30.8.03; AZ, 4.9.03; Presse vom 5.9.03. Zur Neupositionierung der „Weltwoche“ und zur Einstellung von „dimanche.ch“ vgl. unten.
[15] NZZ, 15.1.2004.
[16] Presse vom 9.7.03.
[17] AZ, 28.1., 11.10. und 20.11.03: TA, 1.10. und 1.11.03; WoZ, 2.10.03; LT, 7.10.03; Bund, 10.10. und 21.11.03.
[18] Presse vom 20.6. und 21.6.03.; LT, 23.6.03.
[19] BBl 2003, S. 5970 und 7380 f.; Presse vom 12.8. und 24.10.03.
[20] BaZ, 4.4.03; Presse vom 28.5. und 26.7.03; AZ, 12.7., 23.10. und 17.11.03; WoZ, 31.7.03; NZZ, 5.11.03; BZ, 5.11. und 17.11.03; Bund, 31.12.03.
[21] BBl 2003, S. 4608; AZ, 72.2. und 18.9.03; Presse vom 22.3.03; WoZ, 27.3.03; BaZ, 29.3.03; NZZ 11.10.03; TA, 11.6.03. Vgl. auch SPJ 2000, S. 299.