Année politique Suisse 2004 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Sozialdemokratische Partei (SP)
Ende Januar kündigte der Glarner Nationalrat Werner Marti seinen Rücktritt als Preisüberwacher an. Gleichzeitig gab er seine Kandidatur für das SP-Präsidium bekannt, für das sich bisher einzig der Schaffhauser Nationalrat Hans-Jürg Fehr beworben hatte [2].
An ihrem ausserordentlichen Parteitag in Basel bestimmten die Sozialdemokraten den Schaffhauser Nationalrat Hans-Jürg Fehr zum Nachfolger von Parteipräsidentin Christiane Brunner (GE). Während der als kämpferisch geltende Glarner Werner Marti eher verkrampft und uninspiriert wirkte, vermochte Fehr die Delegierten mit einer beherzten Rede und sachpolitisch engagiertem, in eigener Sache bescheidenem und parteiintern integrativem Auftreten zu überzeugen. Auf Fehr entfielen 531 Stimmen, auf Marti 360. Zu Vizepräsidenten wurden der Gewerkschafter Pierre-Yves Maillard (VD) und Ursula Wyss (BE) gewählt. Im Hinblick auf die Abstimmungen vom Mai beschlossen die Sozialdemokraten ohne Gegenstimme die Ablehnung der 11. AHV-Revision und des Steuerpakets – für den Abstimmungskampf hatte die Geschäftsleitung einen Kredit von 500 000 Fr. gesprochen. Die Mehrwertsteuererhöhung wurde mit wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen zur Annahme empfohlen. Nach rund dreistündiger Debatte, in der Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ihre Partei zu einer in Sozialfragen forscheren Oppositionspolitik ermunterte, da Moritz Leuenberger und sie für diese Dossiers nicht zuständig seien, beschlossen die Delegierten einen pointierteren Linkskurs – der Antrag der Jusos, aus dem Bundesrat auszutreten, blieb chancenlos.
An der Delegiertenversammlung in Schaffhausen von Mitte Juni zog Parteipräsident Hans-Jürg Fehr eine erste, positive Bilanz: Die SP schaffe es nicht nur, bei den Wahlen zuzulegen, so in St. Gallen, Schwyz und im Tessin, sondern auch, mit dem Volks-Nein zur Avanti-Strassenbauvorlage, zur AHV-Revision und zum Steuerpaket Abstimmungen von richtungsweisender Bedeutung zu gewinnen. Diese Erfolge zeigten, dass die unter dem Diktat der SVP stehende bürgerliche Koalition nicht mehrheitsfähig sei und dass man weder gegen die SP noch ohne sie regieren könne, sondern nur mit ihr. Zu allen im September zur Abstimmung gelangenden Vorlagen gaben die Delegierten die Ja-Parole heraus, zum Mutterschaftsurlaub und zu den Einbürgerungsvorlagen einstimmig und diskussionslos, zur Volksinitiative „Postdienste für alle“ mit wenigen Nein-Stimmen. Ausserdem verabschiedeten sie eine Resolution, die den Verzicht auf den Bau eines neuen AKW und auf die Planung von Atommülldeponien verlangt. Bundesrat Moritz Leuenberger hielt ein neues AKW aufgrund der Referendumshürde für unrealistisch, mahnte aber, sich nicht gegen ein Endlager zu stellen [4].
Im Sommer gerieten der Solothurner Regierungsrat Roberto Zanetti und die Baselstädtische Ständerätin Anita Fetz wegen ihrer Mitgliedschaft im Stiftungsrat der gemeinnützigen Stiftung Pro Facile unter Beschuss, als sich herausstellte, dass ein Teil der Darlehen, welche der Stiftung gewährt worden waren, in hochriskante Hedge-Fonds flossen und dass die beiden SP-Politiker Wahlkampfspenden von mehreren zehntausend Franken von Pro Facile entgegen genommen hatten. Die SP-Geschäftsleitung und die Vertreter der Kantonalparteien einigten sich darauf, es letzteren frei zu stellen, wie sie mit Spendengeldern umgehen wollten, für die Wahlen 2007 aber Richtlinien zu erlassen [5].
Am Parteitag in Naters bei Brig (VS) forderte der ehemalige SP-Präsident Peter Bodenmann bei seinem ersten Auftritt an einer nationalen SP-Versammlung seit seinem Rücktritt vor sieben Jahren eine mutigere Europa-Politik. Nach eingehender Debatte verabschiedeten die Delegierten ein Positionspapier, das den Bundesrat auffordert, nach der Inkraftsetzung der Bilateralen II noch in der laufenden Legislaturperiode Beitrittsverhandlungen mit der EU aufzunehmen; die konkreten Vor- und Nachteile einer EU-Mitgliedschaft könnten erst nach Abschluss der Verhandlungen beurteilt werden. In einem Thesenpapier „Umverteilung und Gleichstellung“ billigten die Sozialdemokraten eine Reihe von Vorschlägen, die von einer Steuerreform über die Entlastung von Familien, der effektiven Gleichstellung zwischen Mann und Frau bis hin zur Strukturreform der Altersvorsorge sowie zu Massnahmen gegen die Armut reichten. Für die Abstimmung vom November gaben die Delegierten mit 297:87 Stimmen die Nein-Parole zur NFA heraus; es überwogen die Warnungen vor der Gefahr des Sozialabbaus bei den Behindertenheimen, sollte sich der Bund bei deren Finanzierung zurückziehen. Diskussionslos stimmte die SP der neuen Finanzordnung zu. Auch beim Stammzellenforschungsgesetz setzten sich die Befürworter mit 246:101 Stimmen durch; die Geschäftsleitung hatte aus Respekt gegenüber persönlichen ethischen Werthaltungen für Stimmfreigabe plädiert, doch zeigte der Appell an die Verantwortung der Politik von Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss, in deren Amtszeit die Vorlage erarbeitet worden war, Wirkung [6].
In den kantonalen Parlamentswahlen erzielten die Sozialdemokraten insgesamt 22 zusätzliche Sitze: acht in St. Gallen, sieben in Basel-Stadt, vier in Schwyz, drei in Schaffhausen und einen im Thurgau; in Uri mussten sie einen Sitz abtreten. In den Regierungsratswahlen in Basel-Stadt ersetzte Eva Herzog (sp) den zurücktretenden Liberalen Ueli Vischer, in St. Gallen verdrängte Heidi Hanselmann (sp) den Christlichdemokraten Anton Grüninger, und in Uri schaffte die SP mit Markus Züst nach 1999 wieder den Sprung in die Regierung.
 
[2] Presse vom 13.1.04. Zum Rücktritt von Parteipräsidentin Christiane Brunner siehe SPJ 2003, S. 338.
[4] Presse vom 18.6.04.
[5] Presse vom 5.-10.7. und 14.8.04; TA, 9.9.04.
[6] Presse vom 25.10.04. Zu Bodenmann siehe SPJ 1997, S. 374.