Année politique Suisse 2004 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Schweizerische Volkspartei (SVP)
Aufgrund ihres Wahlerfolges bei den eidgenössischen Wahlen erhielten die frankophonen Kantonalsektionen der SVP auf Kosten der Zürcher und Berner neu 108 statt bisher 60 Delegierte zugesprochen [26].
An ihrer ersten Versammlung mit zwei eigenen Bundesräten beschlossen die SVP-Delegierten in Wil (SG) dreimal die Ja-Parole für die Abstimmung vom 8. Februar. Bundesrat Blocher, der das Nein der Regierung zur Verwahrungsinitiative vertrat, wies darauf hin, dass er über die politischen Schwerpunkte des Bundesrats spreche, bevor die erste Bundesratssitzung in der neuen Zusammensetzung stattgefunden habe. Er sei beauftragt zu sagen, was Bundesrat und Parlament dazu bewogen habe, die Initiative abzulehnen, seine persönliche Meinung spiele hier keine Rolle. Die Delegierten befürworteten die Initiative mit 398:16 Stimmen, den Gegenentwurf zur Avanti-Initiative mit 282:25 und die Mietrechtsrevision mit 311:52 Stimmen [27].
Zwei Tage nach der Ankündigung eines nationalen Frauenkongresses teilte die Präsidentin der SVP-Frauen mit, diese würden weder an diesem Kongress vom 10. Dezember 2005 noch an weiteren überparteilichen Treffen teilnehmen, obschon kurz zuvor noch die Wichtigkeit der überparteilichen Zusammenarbeit betont worden war. Ende August traten die SVP-Frauen aus dem Bund Schweizer Frauenorganisationen, Alliance F, aus mit der Begründung, die einst bürgerliche Organisation sei nach links abgedriftet [28].
An ihrer Delegiertenversammlung in Rothenthurm (SZ) empfahlen die Vertreter der SVP das Steuerpaket mit 412:17 und die 11. AHV-Revision mit 399:4 Stimmen zur Annahme. Die SVP hatte ihre Abstimmungskampagne bereits im Februar mit einem Plakat begonnen, auf welchem sie die Linke mit roten Ratten gleichsetzte, die den Bürgern am Portemonnaie nagen (eine Anlehnung an Bilder aus Deutschland in den dreissiger Jahren, als die Nationalsozialisten das Symbol der Ratte für angeblich reiche Juden verwendeten), worauf die übrigen Bürgerlichen ein eigenes, liberales Abstimmungskomitee bildeten. Mit Akklamation bestätigten die Delegierten Ueli Maurer für zwei weitere Jahre als Parteipräsident und wählten die Bernerin Rita Gygax, Gemeinderätin in Wohlen und Mitglied der aussenpolitischen Kommission der SVP Schweiz, als Nachfolgerin für die nicht ganz freiwillig zurückgetretene Esther Weber (ZH) zur Präsidentin der SVP-Frauen; im Gegensatz zu den Kantonalparteien und der Jungpartei, welche ihre Präsidenten selber wählen, muss sich die Frauenpräsidentin der männlich dominierten Delegiertenversammlung der SVP Schweiz stellen [29].
Um das dreiköpfige Parteipräsidium zu entlasten, richtete die SVP ein siebenköpfiges Büro des Leitenden Ausschusses ein, dem neben Parteipräsident Ueli Maurer Fraktionschef Caspar Baader (BL), Generalsekretär Gregor Rutz, die beiden Vizepräsidenten Toni Brunner (SG) und Jean Fattebert (VD) sowie die Aargauer Grossrätin Sylvia Flückiger als Vertreterin der SVP-Frauen angehören. Als siebtes Mitglied trat der Berner Nationalrat Adrian Amstutz bei. Das Büro ist verantwortlich für die strategische Planung und Ausrichtung der Partei, seine Mitglieder betreuen feste Ressorts [30].
Ende Mai eröffnete die SVP den Abstimmungskampf gegen die Bürgerrechtsvorlagen, über die das Volk am 26. September zu befinden hatte, indem sie gleichzeitig ihre Volksinitiative „für demokratische Einbürgerungen“ lancierte. Das Volksbegehren verlangt, dass die Stimmberechtigten der Gemeinden in ihrer Gemeindeordnung festlegen können, welches Organ (Gemeindeversammlung, Urnenabstimmung, Parlament, Exekutive oder Kommission) das Gemeindebürgerrecht erteilt. Der Entschied dieses Organs soll endgültig sein [31].
An ihrer Delegiertenversammlung im Schützenhaus Albisgüetli, wo die Zürcher SVP seinerzeit die Nein-Parole zum EWR herausgegeben hatte, verabschiedeten die SVP-Vertreter mit 344:11 Stimmen eine Resolution, die den Bundesrat auffordert, auf seinen Entscheid zurückzukommen und den Beitritt zum Schengen-Abkommen nicht dem fakultativen, sondern dem obligatorischen Referendum und damit dem Ständemehr zu unterstellen. Sollte der Bundesrat dies ablehnen, wurde die Parteileitung beauftragt, das fakultative Referendum zu ergreifen. Mit 315:12 Stimmen lehnten die Delegierten den Mutterschaftsurlaub und mit 300:0 Stimmen die beiden Einbürgerungsvorlagen ab; auch die Poststellen-Initiative hatte mit 237:27 Nein keine Chancen. Zwei Monate später beschlossen die SVP-Delegierten in Basel mit 321:4 Stimmen die „Nein-Parole“ zu Schengen und Dublin – noch bevor das Parlament darüber beraten hatte. Ziel der Veranstaltung war es nach der Ansicht von Kommentatoren offensichtlich, die Basis zu beruhigen und zu zeigen, dass sich die SVP auch mit Christoph Blocher im Bundesrat treu bleibt [32].
Im Juli schaffte es die SVP quasi in letzter Minute, genügend Unterschriften für ihre Krankenkassenprämiensenkungsinitiative einzureichen. In der Schlussphase hatten sich auch SVP-National- und -Ständeräte beim Unterschriftensammeln auf der Strasse beteiligt [33].
Mitte Oktober beschloss der Zentralvorstand der SVP für alle drei Vorlagen vom 28. November die Ja-Parole. Der Entscheid zur NFA fiel mit 35:22 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Damit stellte sich der Zentralvorstand gegen die Kantonalparteien von Zürich und Zug, die bereits die Nein-Parole herausgegeben hatten. Die neue Finanzordnung wurde mit 40:11 Stimmen, die Vorlage zur Stammzellenforschung mit 38:4 Stimmen angenommen. Mit 217:44 Stimmen verabschiedeten die Delegierten in Schaffhausen ein ursprünglich für einen Sonderparteitag im Sommer traktandiertes Thesenpapier zur Armee, das gemäss dem parteiinternen Kritiker Hermann Weyeneth (BE) nicht nur die Volksentscheide von 2001 (bewaffnete Auslandeinsätze) und 2003 (Armeereform) missachtet, sondern auch der vom Bundesrat bekräftigten weiteren Umsetzung der Armee XXI diametral entgegensteht. Weyeneth forderte vergeblich die Rückweisung des Papiers und eine Vernehmlassung bei den Kantonalparteien [34].
Ende Jahr verliessen die Kantonalsektionen der beiden Appenzell, von Schwyz und von Graubünden die Junge SVP [35].
In den kantonalen Parlamentswahlen gewann die SVP insgesamt 24 Sitze hinzu: sieben in Schwyz, je fünf im Thurgau und in Uri, je drei in Schaffhausen und in St. Gallen und einen in Basel-Stadt. In Schwyz schaffte sie mit Walter Stählin den Sprung in die Regierung, ist aber nicht mehr in der Stadtberner Exekutive vertreten.
 
[26] NF, 23.1.04.
[27] Presse vom 12.1.04.
[28] Presse vom 7.2.04; Bund und NZZ, 24.8.04.
[29] Presse vom 29.3.04. Zu den SVP-Frauen siehe BZ, 12.2. und 26.3.04; NZZ, 26.3.04. Zur Abstimmungskampagne siehe Presse vom 10.2.04; BZ, 14.2.04; Reaktionen: NZZ, 16.2. und 15.3.04; LT, 17.2.04; Lib., 16.3. und 1.4.04; WoZ, 18.3. und 8.4.04; TA, 31.3.04; SoZ, 25.4.04; Express, 26.4.04 (die SP konterte das Ratten-Plakat mit einem Ansteckknopf: „Ich bin eine rote Ratte“, der SGB reagierte mit einem eigenen Ratten-Plakat, das vier Pärchen von kopulierenden roten Ratten unter dem Titel „Wir tun etwas für die Zukunft der AHV“ zeigte).
[30] BZ und NZZ, 27.3.04.
[31] Presse vom 28.5.04.
[32] BZ, 24.6.04; Presse vom 28.6. und 23.8.04.
[33] Presse vom 29.7.04.
[34] Presse vom 16.10. und 18.10.04.
[35] SoZ, 26.12.04.