Année politique Suisse 2004 : Economie / Politique économique générale
Gesellschaftsrecht
Bei Fällen von ernsthaften
Liquiditätsproblemen von Grossfirmen (wie etwa der Swissair) hatte sich gezeigt, dass die starre Anwendung des bestehenden Schuldbetreibungs- und
Konkursgesetzes zusätzliche Probleme schafft, welche die Betriebsweiterführung gefährden können und manchmal, nicht zuletzt zum Zweck der Erhaltung von Arbeitsplätzen, ein staatliches Eingreifen zur Folge haben. Nationalrat und Ständerat gaben im Berichtsjahr parlamentarischen Initiativen Strahm (sp, BE) resp. Lombardi (cvp, TI) Folge, welche für grosse Konzerne und andere börsenkotierte Firmen weniger rigide Vorschriften und mehr Schutz vor Gläubigern fordern. So könnte ihnen zum Beispiel wie in den USA erleichtert werden, neue Kredite aufzunehmen und Sanierungsmassnahmen einzuleiten, ohne vorher die zeitaufwändige Zustimmung sämtlicher Gläubiger einzuholen
[22].
Der Bundesrat legte dem Parlament seinen Vorschlag für eine
Verbesserung des Gesellschaftsaufsichtsrechts (Teilrevision des OR) sowie für ein neues Gesetz über die staatliche Zulassung und Beaufsichtigung von
Revisoren vor. Er antwortete damit auch auf diverse, vom Parlament 2002 gutgeheissene Vorstösse. Mit der Teilrevision des Obligationenrechts soll insbesondere die Unabhängigkeit der Revisionsstellen von den zu kontrollierenden Unternehmen vergrössert und sichergestellt werden. Unabhängig von der Rechtsform sollen zudem in Zukunft für KMU weniger strenge Vorschriften gelten als für grosse Firmen. Der zuständige Branchenverband begrüsste diese Vorschläge des Bundesrats
[23].
Der Nationalrat hatte im Vorjahr einer parlamentarischen Initiative Abate (fdp, TI) Folge gegeben, welche verlangt, dass Personen, welche wegen
Konkurs- oder Betreibungsdelikten strafrechtlich verurteilt worden sind, nicht in den Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft gewählt werden können. Auf Antrag ihrer Rechtskommission beschloss die grosse Kammer im Berichtsjahr, dieses Anliegen nicht mehr weiter zu verfolgen und die Initiative als erfüllt abzuschreiben. Der Grund dafür war, dass der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs vorsieht, dass ein Gericht einem Verurteilten, der sein Delikt im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit begangen hat, die Ausübung bestimmter beruflicher Aktivitäten (wie eben beispielsweise die Tätigkeit als Verwaltungsrat) für bis zu sechs Jahren verbieten kann
[24].
Die Ende 2003 eingeleitete Vernehmlassung zum Projekt einer Verbesserung der
Information der Öffentlichkeit über die finanziellen Entschädigungen der leitenden Manager von privaten börsenkotierten Firmen ergab unterschiedliche Reaktionen. Die Vertreter der Wirtschaft hätten eine auf Selbstregulierung beruhende Lösung, wie sie mit dem Reglement der schweizerischen Börsen seit 2002 besteht, vorgezogen. Die Gewerkschaften, die SP und die SVP verlangten hingegen eine Verschärfung, indem nicht nur die individuellen Bezüge der Verwaltungsratsmitglieder, sondern auch diejenigen der geschäftsleitenden Manager zu publizieren wären. Der Bundesrat blieb grundsätzlich bei seinem Vorentwurf und legte im Sommer dem Parlament die Botschaft für eine entsprechende Teilrevision des Obligationenrechts vor. In Zukunft müssten demnach private börsenkotierte Firmen nicht nur, wie vom Börsenreglement verlangt, die Gesamtlohnsumme und das höchste Verdienst der Spitzenmanager und der Verwaltungsratsmitglieder angeben, sondern auch die individuellen Bezüge (Honorar resp. Lohn und alle anderen Entschädigungen) jedes einzelnen Verwaltungsratsmitglieds. Transparenz geschaffen werden soll auch über finanzielle Beteiligungen dieser Spitzenkader an ihrer Firma. Neu in den Entwurf aufgenommen wurde zudem eine Offenlegungsvorschrift für Zahlungen an Personen, welche den Spitzenkadern nahe stehen oder an ehemalige Verwaltungsratsmitglieder
[25]. Keinen Erfolg hatte hingegen eine von den Grünen und der SP unterstützte parlamentarische Initiative Teuscher (gp, BE), welche forderte, dass bei börsenkotierten Gesellschaften im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung mindestens 40% der Sitze mit Frauen besetzt sein müssen
[26].
In Ausführung der im Vorjahr gutgeheissenen parlamentarischen Initiative Chevrier (cvp, VS) legte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats einen Antrag auf eine entsprechende Gesetzesänderung vor. Diese hebt die Bestimmung auf, dass bei der Gewährung von
Bürgschaften die Zustimmung des Ehepartners dann nicht verlangt ist, wenn der Bürgschaftsnehmer als Mitglied einer im Handelsregister eingetragenen Firma handelt. Der Nationalrat hiess diese Neuerung gut
[27].
Der Nationalrat stimmte der im Vorjahr vom Ständerat gutgeheissenen
Revision des Stiftungsrechts ebenfalls zu. Wie bereits in der kleinen Kammer unterlag auch hier die Linke mit ihrem Anliegen, bei der steuerlichen Privilegierung weniger weit zu gehen
[28].
Als Zweitrat befasste sich der Ständerat mit den im Vorjahr vom Nationalrat als Motion überwiesenen Teilen eines Vorstosses Suter (fdp, BE) für die Einführung der Gesellschaftsform des
Trusts in der Schweiz. Nachdem Bundesrat Blocher dargelegt hatte, dass die diesbezüglichen Vorarbeiten verwaltungsintern bereits weit fortgeschritten seien, einzelne Forderungen der Motion aber nicht in diesem Zusammenhang geregelt werden sollten (namentlich der Fideikommiss), wandelte der Ständerat den Vorstoss in ein Postulat um
[29].
[22]
AB NR, 2004, S. 1220 (Strahm);
AB SR, 2004, S. 271 f. (Lombardi).
[23]
BBl, 2004, S. 3969 ff.;
SHZ, 11.2. und 20.10.04;
NZZ, 23.11.04. Vgl.
SPJ 2002, S. 93. Diese Reform wurde auch notwendig, um einen Ausschluss der schweizerischen Revisionsgesellschaften vom amerikanischen Markt zu verhindern, nachdem die USA ihre entsprechenden Vorschriften massiv verschärft hatten (
TA, 16.1.04).
[24]
AB NR, 2004, S. 2167 f. Die neuen Strafbestimmungen sollen am 1.1.2006 in Kraft gesetzt werden. Vgl.
SPJ 2003, S. 107.
[25]
BBl, 2004, S. 4471 ff.;
NZZ und
TA, 24.6.04. Vgl.
SPJ 2003, S. 107 f.
[26]
AB NR, 2004, S. 1724 ff.
[27]
BBl, 2004, S. 4955 ff. und 4965 ff. (BR);
AB NR, 2004, S. 2117 f. Vgl.
SPJ 2003, S. 108.
[28]
AB NR, 2004, S. 1168 ff., 1568 f. und 1759;
AB SR, 2004, S. 477 ff., 594 und 649;
BBl, 2004, S. 5435 ff.;
AZ, 16.6.04. Vgl.
SPJ 2003, S. 108.
[29]
AB SR, 2004, S. 484 f. Vgl.
SPJ 2003, S. 108 f.
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