Année politique Suisse 2004 : Chronique générale / Finances publiques
 
Voranschlag 2005
Das vom Parlament im Dezember verabschiedete Budget 2005 sah bei veranschlagten Ausgaben von 52 547 Mio Fr. und Einnahmen von 50 749 Mio Fr. einen Ausgabenüberschuss von 1,798 Mia Fr. vor. Damit überschritten die veranschlagten Ausgaben erneut die 50-Mia-Grenze, sie lagen 1,137 Mia Fr. oder 2,2% über dem Budget des Vorjahres. Am meisten zusätzliche Mittel benötigten die soziale Wohlfahrt (+600 Mio oder +4,3%), die Finanzen und Steuern (+526 Mio oder +5,3%) sowie der Verkehr (+384 Mio oder +5,3%). Die grössten Entlastungen sah das Budget bei der Landesverteidigung (-128 Mio oder -2,7%) und der Landwirtschaft (-127 Mio oder -2,8%) vor. Aufgrund des Wirtschaftsaufschwungs rechnete der Bundesrat mit um 5,9% (+2,8 Mia) höheren Einnahmen als im Vorjahr. Höhere Erträge erwartete er vor allem bei der direkten Bundessteuer (+7,2% oder +836 Mio), bei den Verkehrsabgaben (+53,5% oder +515 Mio) sowie bei der Verrechnungssteuer und bei den Stempelabgaben (+11,1% oder +301 Mio resp. +10,0% oder +300 Mio). Bei den Entgelten (-6,8% oder -77 Mio) und den Einfuhrzöllen (-6,5% oder -70 Mio) rechnete er hingegen mit Mindereinnahmen [42].
Am umstrittensten in der Parlamentsdebatte waren die Kredite für die Kulturstiftung Pro Helvetia, Jugend und Sport, die Bundesämter für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) und Raumentwicklung (ARE) sowie die Informationstechnologie. In der Eintretensdebatte begrüsste der Nationalrat die Anstrengungen des Bundesrates, das Budget mittelfristig auszugleichen. Während die Linke zusätzliche Massnahmen auf der Einnahmenseite und eine insgesamt weniger restriktive Finanzpolitik forderte, betonten die Bürgerlichen die Notwendigkeit fortgesetzter Sparbemühungen. Der Rückweisungsantrag der SVP-Fraktion verbunden mit dem Auftrag, zusätzlich eine Mia, d.h. ca. 2% des Budgets, einzusparen, ging ihnen jedoch zu weit. Die Detailberatung war geprägt durch eine Vielzahl von Minderheits- und Einzelanträgen, die grossmehrheitlich erfolglos blieben. So lehnte der Rat von der SVP verlangte Kürzungen bei der individuellen Verbilligung der Krankenkassenprämien, der Anstossfinanzierung für Kinderkrippen, bei Präsenz Schweiz, bei den Entwicklungshilfekrediten und bei den Personalausgaben ab. Auch die Aufstockungswünsche von SP und Grünen bei den allgemeinen Beiträgen an internationale Organisationen und humanitäre Aktionen, der Flüchtlingshilfe und den Investitionsbeiträgen an die kantonalen Universitäten sowie Kürzungen beim Militär fanden keine Mehrheit. Gutgeheissen wurde eine Verlagerung von 700 000 Fr. von der Filmförderung auf die Erwachsenenbildung und Einsparungen von 18 Mio bei den SBB-Infrastrukturleistungen zugunsten der Trassenverbilligung. Mehr Geld als die vorberatende Kommission sprach der Nationalrat für Mittel zur Verhütung von Alkohol- und Tabakmissbrauch, für Jugend und Sport, die Beschaffung von zwei Transportflugzeugen sowie für die Ausfuhrbeiträge für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte. Zusätzlich 55 Mio bewilligte er ausserdem bei den ausserordentlichen Kantonsanteilen an die Mineralölsteuer, 15 Mio beim Regionalverkehr und 5,5 Mio bei den erneuerbaren Energien. Einsparungen nahm die grosse Kammer hingegen bei folgenden Budgetposten vor: beim EJPD auf Antrag der CVP 675 000 Fr. für externe Experten, welche Bundesrat Blocher für die Restrukturierung seines Generalsekretariats konsultieren wollte, bei Publikationen und Drucksachen 2 Mio Fr., beim Buwal unter Umlagerung von Mitteln zugunsten der Waldpflege und des Lawinenschutzes 5 Mio, beim ARE 1 Mio und bei der Informatik 25 Mio. Fr. Gegen den Widerstand der Grünen und der SVP-Fraktion genehmigte der Nationalrat das Budget, das die Limite der Schuldenbremse um 11 Mio Fr. überschritt, in der Gesamtabstimmung mit 86:66 Stimmen bei 16 Enthaltungen [43].
Aus Protest gegen eine von Pro Helvetia mit 180 000 Fr. unterstützte Ausstellung von Thomas Hirschhorn im Centre Culturel Suisse in Paris kürzte der Ständerat den Kredit der Kulturstiftung um 1 Mio. Fr. Ansonsten folgte er fast durchwegs den Vorschlägen seiner Kommission. Er billigte die vom Nationalrat vorgenommene Aufstockung um 55 Mio bei den ausserordentlichen Kantonsanteilen an die Mineralölsteuer, widersetzte sich aber der Umlagerung bei den SBB-Investitionen, den Mehrausgaben bei der Suchtprävention, bei Jugend und Sport, beim Regionalverkehr und bei den Ausfuhrbeiträgen für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte sowie den Kürzungen beim EJPD und bei den Publikationen. In folgenden Bereichen kam die kleine Kammer dem Nationalrat einen Schritt entgegen: Aufstockung beim Programm für erneuerbare Energien um 1 Mio, Kürzungen beim Buwal um 2 Mio, beim ARE um 0,5 Mio und bei der Informatik um 15 Mio. Das Budget passierte die Gesamtabstimmung mit 33:1 Stimmen; es lag rund 31 Mio Fr. unter der Schwelle der Schuldenbremse [44].
Im Laufe der Differenzbereinigung schwenkte die grosse Kammer bei den Ausfuhrbeiträgen für die landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte, bei den Präventionsmassnahmen, beim Regionalverkehr und beim EJPD auf die Linie des Ständerates ein und verzichtete auf entsprechende Aufstockungen resp. Kürzungen. Dieser folgte dem Nationalrat hingegen bei den SBB-Investitionen und bei den Publikationen. Bei den erneuerbaren Energien einigten sich die beiden Kammern auf einen Kompromiss. Über sechs Budgetpunkte musste schliesslich die Einigungskonferenz entscheiden. Der Nationalrat billigte deren Antrag mit 98:82 Stimmen bei 7 Enthaltungen, der Ständerat lehnte ihn hingegen nach kurzer Diskussion mit 25:18 Stimmen ab. Ursache für den Entscheid war der Kompromissvorschlag zu Pro Helvetia, wonach die Stiftung im kommenden Jahr 180 000 Fr. weniger hätte erhalten sollen, was genau den Kosten für die umstrittene Hirschhorn-Ausstellung entsprach. Für die Mehrheit des Ständerates wäre diese Budgetkürzung einer Strafaktion gleichgekommen, was sie unbedingt hatte vermeiden wollen. Da gemäss Parlamentsgesetz beim Scheitern der Verständigung jeweils die tieferen Beträge aus der dritten Runde in den Räten als angenommen gelten, muss die Stiftung Pro Helvetia gemäss Vorgaben der kleinen Kammer mit 1 Mio weniger auskommen und Jugend und Sport auf eine Aufstockung ihres Kredites um 1,5 Mio verzichten. In den anderen vier Bereichen hingegen galten die Vorgaben des Nationalrats: 3,5 Mio weniger für das Buwal, 1 Mio weniger für das ARE und 25 Mio weniger für die beiden Budgetposten im Bereich Informationstechnologie. Das Defizit des so bereinigten Voranschlags belief sich auf rund 1,8 Mia Fr. und entsprach knapp den Vorgaben der Schuldenbremse  AB NR, 2004, S. 2036 ff., 2095 ff. und 2137 ff.; AB SR, 2004, S. 865 ff., 904 ff. und 941 ff.; BBl, 2005, S. 511 ff.; Presse vom 17.12.04..
Diskussionslos überwies der Nationalrat zwei Postulate, welche vom Bundesrat einerseits eine Übersicht über die Verschuldung der öffentlichen Hand (Bund, Kantone und Gemeinden) und der Sozialversicherungen sowie eine Schätzung der absehbaren Entwicklung, andererseits eine volkswirtschaftliche Vermögensbilanz und einen Bericht über die Entstehung und Entwicklung der Staatsschulden seit 1990 verlangten [46].
Bund, Kantone und Gemeinden budgetierten für das Jahr 2005 ein Defizit von insgesamt 6,5 Mia Fr. Dies entspricht einer markanten Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (2004: 9 Mia). Der Fehlbetrag beim Bund belief sich auf 3,0 Mia [47], bei den Kantonen auf 2,8 Mia und bei den Gemeinden auf 700 Mio Fr. Im Vergleich zum Budget 2004 erhöhte sich das veranschlagte Defizit bei den Kantonen um 350 Mio Fr. Dagegen reduzierten sich die Finanzierungsfehlbeträge des Bundes um knapp 3 Mia und die der Gemeinden um 200 Mio Fr. Trotzdem erhöhte sich die Bruttoverschuldung der öffentlichen Haushalte nicht zuletzt aufgrund der Defizite bei den Sozialversicherungen von 3,3 Mia auf insgesamt 9,8 Mia Fr.; sie dürfte Ende 2005 schätzungsweise 259 Mia Fr. betragen. Mit einer Defizitquote von 2,1% und einer Verschuldungsquote von 56,4% (Vorjahr: 2,7% resp. 56%) bleibt die Schweiz zwar immer noch unter der von der Europäischen Union im Rahmen der Maastricht-Verträge formulierten Obergrenze von höchstens 3% für das Defizit und 60% des BIP für die öffentliche Verschuldung; sie nähert sich dieser jedoch stark an [48].
 
[42] Eidg. Finanzverwaltung, Botschaft zum Voranschlag 2005, Bern 2004; Eidg. Finanzverwaltung, Bundesbeschlüsse über den Voranschlag 2005, Bern 2005; BBl, 2005, S. 511 ff. und 1705; Lit. May.
[43] AB NR, 2004, S. 1784 ff., 1800 ff., 1817 ff., 1832 ff., 1870 ff. und 1888 ff.; Presse vom 11.11. (Kommission), 30.11.-3.12. und 7.-8.12.04.
[44] AB SR, 2004, S. 793 ff., 800 ff., 813 ff., 820 ff. und 833 f. Zu Pro Helvetia siehe unten, Teil I, 8b (Kulturpolitik).
[46] AB NR, 2004, S. 2173 f. und Beilagen V, S. 311 f. und 336.
[47] Die Differenz von 1,243 Mia Fr. im Vergleich zum Budgetergebnis der Finanzrechnung des Bundes (-1,798 Mia gemäss Beschluss der eidg. Räte vom Dezember 2004) ist darauf zurückzuführen, dass in der Finanzstatistik sowohl der Fonds für Eisenbahngrossprojekte (Saldo: -1,231 Mia) als auch der ETH-Bereich (Saldo: -12 Mio) bei den Ausgaben und Einnahmen des Bundes mitberücksichtigt werden (Lit. May).
[48] Lit. May. Für die Kantone siehe auch LT, 7.6.04.