Année politique Suisse 2004 : Chronique générale / Finances publiques
 
Finanzausgleich
Ende September löste der Bundesrat sein während den parlamentarischen Beratungen zur NFA abgegebenes Versprechen ein und gab noch vor der Volksabstimmung über die Verfassungsänderung die Ausführungsgesetzgebung zur NFA in die Vernehmlassung. Die Änderungen von insgesamt gut 30 Bundesgesetzen werden in Form eines referendumsfähigen Mantelerlasses zusammengefasst, dem „Bundesgesetz über die Schaffung und die Änderung von Erlassen zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)“. Einerseits handelt es sich um punktuelle Modifikationen, in einzelnen Politikbereichen wie den heutigen kollektiven IV-Leistungen hingegen schlägt der Bundesrat ein neues Rahmengesetz zur sozialen Integration Invalider vor [49].
Bei einer tiefen Beteiligung von lediglich 36,9% nahmen Volk und Stände am 28. November 2004 die Verfassungsänderung zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) mit 64,4% Ja-Stimmen an. Abgelehnt wurde die Vorlage nur in den Kantonen Zug (83% Nein), Schwyz (56%) und Nidwalden (53%) [50].
Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)
Abstimmung vom 28. November 2004

Beteiligung: 36,9%
Ja: 1 104 565 (64,4%) / 18 5/2 Stände
Nein: 611 331 (35,6%) / 2 ½ Stände

Parolen:
Ja: CVP (2*), FDP (1*), SVP (6*), LP, EVP, EDU, FP, Lega; economiesuisse, SGV, ZSA, SBV, Gemeindeverband, Städteverband, Tourismusverband, Verband öffentlicher Verkehr.
Nein: SP (9*), GP, CSP, PdA (1*); SGB, Travail.Suisse, Pro Mente Sana, Sehbehinderte, Hörgeschädigte.
Stimmfreigabe: SD.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Im Abstimmungskampf am umstrittensten war die vollständige Zuweisung der Finanzierung der Behindertenheime und -integrationsmassnahmen an die Kantone. Ein Teil der Behindertenorganisationen befürchtete infolge des Wegfalls der Bundessubventionen einen Leistungsabbau und bekämpfte deshalb die NFA. Unterstützt wurde sie dabei von der SP, den Grünen und den Gewerkschaften, welche die Nein-Parole ausgaben, wobei sechs Kantonalsektionen der SP (BE, BL, FR, NW, TG, UR) Annahme empfahlen und zwei die Stimme freigaben (BS, SZ). Die Modernisierung des interkantonalen Finanzausgleichs mit seiner neuen Berechnungsbasis (steuerbare Einkommen und Vermögen) und dem Lastenausgleich zugunsten von Gebirgskantonen und Kantonen mit Grossstädten war an sich nicht bestritten. Da sie aber eine Mehrbelastung von einigen Geberkantonen – und dort möglicherweise Steuererhöhungen – mit sich brachte, regte sich Widerstand. In diesen Kantonen (BL, NW, SZ, ZG, ZH) bekämpfte deshalb auch die SVP die Vorlage [51].
Gemäss Vox-Analyse am stärksten auf den Stimmentscheid ausgewirkt hat sich das Vertrauen in den Bundesrat. Von den sozialen Merkmalen hatte nur das Haushaltseinkommen einen gewissen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten (Gutsituierte nahmen die Vorlage eher an als ärmere Bevölkerungsschichten). Auffallend ist, dass wesentlich mehr Befragte als bei anderen Abstimmungen spontan angaben, der Empfehlung von Bundesrat und Parlament gefolgt zu sein [52].
 
[49] BBl, 2004, S. 5265; Presse vom 25.9.04.
[50] BBl, 2004, S. 4747 ff., 6953 ff. (FiLaG) und 2005, S. 951 ff.; Presse vom 29.11.04. Siehe auch oben, Teil I, 1d (Beziehungen zwischen Bund und Kantonen).
[51] Presse vom 16.4., 29.5., 9.7., 18.8.-18.9., 9.10., 12.10.-25.11.04. Zur Abstimmungskampagne der Behindertenorganisationen siehe auch die Fra. Loepfe (cvp, AI) und die Fra. Müller (fdp, SG) in AB NR, 2004, S. 1544 f. und Beilagen IV, S. 623 resp. S. 605.
[52] Hirter, Hans / Linder, Wolf, Vox – Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 28. November 2004, VOX Nr. 85, Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern und gfs.bern, Bern 2004.