Année politique Suisse 2004 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
Raumplanung
Eine Studie der Bundesämter für Raumentwicklung und Umwelt, Wald und Landschaft ergab, dass in der Schweiz 17 Mio m2
ungenutzte Industrieflächen vorhanden sind; dies entspricht der Fläche der Stadt Genf und ihrem Umland mit 190 000 Einwohnern und 140 000 Arbeitsplätzen. In seiner Antwort auf eine Anfrage Leutenegger Oberholzer (sp, BL) erklärte der Bundesrat, dass innerhalb des Siedlungsgebiets vor allem das Militär, die SBB und die Post über nicht mehr oder nur noch teilweise genutzte Bauten und Anlagen verfügten. Der Bund schreibe seine nicht mehr benötigten Bauten, Anlagen und Landreserven in der Regel öffentlich zum Erwerb aus, und für die Umnutzung grösserer Areale arbeiteten die federführenden Bundesstellen mit den betroffenen Kantonen zusammen. So werde beispielsweise für den ehemaligen Militärflugplatz Interlaken im Rahmen der Agglomerationsstrategie Interlaken ein Nutzungskonzept erarbeitet
[1].
Damit sich ein amerikanischer Konzern mit einer Pharmafabrik, welche rund 1 200 Arbeitsplätze bringen soll, allenfalls in Galmiz (FR) ansiedeln kann, bewilligte der Freiburger Staatsrat die Umzonung von 550 000 m2 Landwirtschaftsland in eine Industriezone. In seiner Antwort auf eine Frage Teuscher (gp, BE) erklärte der Bundesrat, der
„Fall Galmiz“ verletze das Raumplanungsrecht nicht. Die Kompetenz, über derartige Einzonungen zu entscheiden, liege bei der Gemeinde; die im Rahmen der Nutzungsplanung getroffenen Festlegungen bedürften der Genehmigung durch den Kanton. Bestünden Zweifel an der Bundesrechtskonformität der getroffenen planerischen Festlegungen, könnten Anwohner, zum Teil Nachbargemeinden und in bestimmten Fällen Umweltverbände dagegen gerichtlich vorgehen. Selbst wenn der Bund zur Auffassung käme, dass Bundesrecht verletzt würde, wäre er nach geltendem Recht nicht zur Anfechtung der Einzonung legitimiert. Es sei aber vorgesehen, diese Rechtslücke im Rahmen des Bundesgerichtsgesetzes, das sich in der parlamentarischen Beratung befinde, zu schliessen. Aufgrund der dargelegten Kompetenzordnung habe der Bund zurzeit nicht die Möglichkeit zu einer kantonsübergreifenden Koordination und könne sich daher auch nicht für einen anderen infrage kommenden Standort einsetzen. Dies wäre nur möglich, wenn der Bund die Kompetenz erhielte, bei Standortkonkurrenz aus gesamtschweizerischer Sicht übergeordnete Interessen einzubringen und den Kantonen gestützt darauf verbindliche Vorgaben zu machen. Ob es sinnvoll sei, dem Bund solche Kompetenzen zu erteilen, soll im Rahmen der im Legislaturprogramm 2003-2007 vorgesehenen Revision des Raumplanungsgesetzes geprüft werden
[2].
In einer ausführlichen Nationalratsdebatte zum Verhältnis zwischen Wirtschaftswachstum und
Verbandsbeschwerderecht betonte der Bundesrat, er sei nicht bereit, das Verbandsbeschwerderecht aufzuheben, wolle aber strenge Massnahmen ergreifen, um dessen Anwendung zu verbessern, insbesondere die Koordination des Vollzuges von Raumplanungs- und Umweltschutzgesetz bei publikumsintensiven Einrichtungen wie Einkaufszentren
[3].
Die grosse Kammer gab einer parlamentarischen Initiative Joder (svp, BE) Folge, welche eine
Änderung des Raumplanungsgesetzes verlangt. Künftig sollen auch Nichtlandwirte Gebäude in der
Landwirtschaftszone für die Kleintierzucht und -haltung nutzen können. Die kleine Kammer lehnte eine Standesinitiative des Kantons Bern zur Neukonzeption des Raumplanungsgesetzes ab. Mit der Stossrichtung des Begehrens erklärte sie sich zwar einverstanden, doch ging ihr die abschliessende Kompetenz der Kantone, Vorschriften zur Umnutzung von nicht mehr landwirtschaftlich genutztem Wohnraum zu erlassen, zu weit
[4].
[1]
AB NR, 2004, Beilagen V, S. 115 f.; Valda, Andreas / Westermann, Reto,
Die brachliegende Schweiz – Entwicklungschancen im Herzen von Agglomerationen, Bern (BA für Raumentwicklung / BA für Umwelt, Wald und Landschaft) 2004.
[2]
AB NR, 2004, Beilagen V, S. 363. Zur Diskussion um den „Fall Galmiz“ siehe Presse vom 26.11.-24.12.04 und zu den Lehren für die Raumplanung insbesondere den Beitrag des Direktors des ARE, Pierre-Alain Rumley, in
NZZ, 14.12.04. Siehe auch Schweizerischer Bundesrat,
Realisierungsprogramm 2004–2007; Massnahmen des Bundes zur Raumordnungspolitik. Bericht des Bundesrates, Bern 2004, sowie die in den Räten noch nicht behandelte Mo. 04.3593 Marty Kälin (sp, ZH), Nachhaltige Bauzonen, und die Antwort des BR auf die Frage derselben Parlamentarierin in
AB NR, 2004, S. 395. Zur Revision des Bundesgerichtsgesetzes siehe oben, Teil I, 1c (Gerichte).
[3]
AB NR, 2004, S. 1663 ff. Zur Initiative der FDP-ZH zur Aufhebung des Verbandsbeschwerderechts siehe unten, Teil I, 6d (Politique de protection de l’environnement) und Teil IIIa (FDP); zu den Einsprachen gegen das Zürcher Fussballstadion, das im Hinblick auf die Europameisterschaft 2008 erstellt werden soll, siehe unten, Teil I, 7b (Sport).
[4] Pa. Iv.:
AB NR, 2004, S. 1733 f.;
24h, 15.3.04;
TA, 29.9.04. Standesinitiative:
AB SR, 2004, S. 550 f. Vgl.
SPJ 2003, S. 181.
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