Année politique Suisse 2004 : Politique sociale / Population et travail
 
Löhne
Laut den Berechnungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) stieg der Nominallohnindex im Jahr 2004 um durchschnittlich 0,9% gegenüber 2003. Unter Einbezug der Inflationsrate von 0,8% ergab sich bei den Reallöhnen eine Steigerung um +0,1%. In dieser mässigen Steigerung bestätigt sich ein seit 2002 anhaltender Trend: Die Nominallöhne wachsen immer langsamer. Wurden 2001 noch aussergewöhnliche +2,5% notiert, waren es 2002 noch +1,8% und 2003 +1,4% Die Wachstumsverlangsamung im Jahr 2004 erklärt sich grösstenteils durch die schwache Konjunktur im Jahr 2003.
Die Nominallohnwachstumsraten der einzelnen Wirtschaftssektoren drifteten 2004 auseinander. Im sekundären Sektor wurden +0,6%, im tertiären Sektor hingegen +1,2% registriert. Mit +1,2% verzeichnete die chemische Industrie klar das höchste Nominallohnwachstum im sekundären Sektor. Da sich der Geschäftsgang im sekundären Sektor 2003 nur bescheiden entwickelte, verfolgten die Unternehmen 2004 eine zögerliche Lohnpolitik. Der tertiäre Sektor lag mit einer Nominallohnsteigerung von 1,2 Prozent leicht über der Lohnerhöhung der Gesamtwirtschaft. Die kräftigsten Wachstumsimpulse gingen hier von den Branchengruppen Immobilienwesen, Informatik; F+E; Dienstleistungen für Unternehmen (+1,8%), Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen (+1,9%) sowie von der Branche Nachrichtenübermittlung (+2,2%) aus. Demgegenüber kamen die auf Finanzdienstleistungen spezialisierten Unternehmen erneut unter dem Mittel des Sektors zu liegen. Diese Situation erklärt sich mit der allgemeinen Stagnation auf den Finanzmärkten sowie den 2003 unternommenen Restrukturierungen. Die geringste Nominallohnerhöhung verzeichnete die öffentliche Verwaltung mit +0,6% [15].
Für die Lohnrunde 2005 verlangten die Gewerkschaften den Teuerungsausgleich von 1% und Reallohnerhöhungen von bis zu 2% für kleine und mittlere Einkommen. Sie begründeten ihre Forderung mit der Erholung der Schweizer Wirtschaft. Gemäss den Ergebnissen der von der Bank UBS jeweils im Herbst durchgeführten Umfragen konnten die Gewerkschaften jedoch im Mittel lediglich um 1,4% höhere Nominallöhne aushandeln, was bei einer Jahresteuerung von 0,9% eine Reallohnerhöhung um 0,5% bedeutet [16].
Insgesamt haben sich in der Schweiz die Bruttoeinkommen in den Jahren 1990 bis 2001 um durchschnittlich 0,6% pro Jahr erhöht. Dies ergab eine Wohlstandsstudie der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Je nach Alter, Lebensstandard und regionaler Herkunft der einzelnen Personen zeigte sich jedoch ein deutlich weniger einheitliches Bild. Überdurchschnittliche Einkommen wurden vor allem im Raum Zürich sowie in der Nordwestschweiz, in der Genferseeregion und in touristischen Hochburgen erzielt. In Gebieten mit eher ländlichem Charakter lag die Höhe der Einkommen im Schnitt um 20% unter dem Niveau der städtischen Gebiete. Wegen kontinuierlich angestiegener Zwangsabgaben war in den letzten Jahren der untere und obere Mittelstand der eigentliche Verlierer. Er verzeichnete zwischen 1990 und 2001 lediglich ein Einkommenswachstum von 0,5%, während die ärmeren und wohlhabenden Haushalte eine Zunahme von mindestens 1,0% erzielten. In den Jahren 1996 bis 2000 stiegen zudem vor allem die hohen Löhne überdurchschnittlich an, so dass sich die Lohnschere weiter öffnete [17].
Die Exzesse bei den Managerlöhnen der letzten Jahre waren zunehmend zu einem Politikum geworden, was auch zur Einreichung mehrerer parlamentarischer Vorstösse geführt hatte. Der Bundesrat legte nun eine Botschaft zu einer diesbezüglichen Revision des Obligationenrechts vor, welche die Transparenz verbessern soll. Bis anhin gab es keine rechtlichen Vorschriften für börsenkotierte Unternehmen punkto Offenlegung der Löhne ihrer Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen, sondern lediglich die Transparenzvorschriften der Schweizer Börse SWX. Neu sollen die Bezüge der einzelnen Verwaltungsräte und die Gesamtsumme der Geschäftsleitung (inklusive Tantiemen, Pensionskassenzuschüssen, Optionsrechten usw.) publiziert werden müssen. Ebenfalls offen zu legen ist das höchste Salär in der Geschäftsleitung [18].
 
[15] Presse vom 29.4.04. Für die im Rahmen der 42 wichtigsten GAV für 2004 vereinbarten Lohnerhöhungen siehe Presse von 14.8.04. Vgl. SPJ 2003, S. 200. Für die Querelen um die Einführung eines neuen Lohnausweises vgl. oben, Teil I, 5 (Direkte Steuern).
[16] Presse vom 5.8., 12.8. und 30.10.04; SHZ, 17.11.04; Bund, 18.11.04; NZZ, 22.12. und 24.12.04. Siehe SPJ 2003, S. 201.
[17] Presse vom 15.6.04. Für die nach wie vor tieferen Löhne der Frauen siehe unten, Teil I, 7d (Frauen).
[18] BBl, 2004, S. 4471 ff.; Presse vom 24.6.04. Für die Lohnentwicklung in den bundesnahen Betrieben siehe oben, Teil I, 6b (Chemins de fer resp. Poste).