Année politique Suisse 2004 : Politique sociale / Population et travail / Kollektive Arbeitsbeziehungen
Da sich die Arbeitgeber gegen die Forderung einer Frühpensionierung mit 62 Jahren stellten, kündigten die
Maler und Gipser den GAV per Ende März und drohten mit Streiks. Nachdem mehrere Verhandlungsrunden erfolglos gescheitert waren, kam es Ende April zu einer Arbeitsniederlegung in der Deutschschweiz, im Tessin und im Kanton Jura. Der Vorstand des Unternehmerverbands stimmte den Frühpensionierungen zu, doch lehnte die Delegierten diese ab, worauf es Ende Mai zu weiteren punktuellen Streiks kam. Weil weiterhin keine Einigung in Sicht war, schloss die Gewerkschaft GBI mit den Stadtzürcher Gipsermeistern einen Separatvertrag ab, der den 500 Beschäftigten der rund 20 Gipserunternehmen auf dem Platz die Frühpensionierung zusichert
[23].
Mitte November trat die Belegschaft des Buntmetallverarbeiters Swissmetal Boilat im bernjurassischen
Reconvilliers in einen unbefristeten Streik. Die fristlose Entlassung des Werkleiters, die mit Meinungsverschiedenheiten über die künftige Geschäftsstrategie begründet wurde, brachte einen seit längerem schwelenden Konflikt zum Eskalieren. Für Zorn auf die Geschäftsleitung sorgten auch tiefe Löhne, steigender Druck auf die Belegschaft und die Befürchtung, die Produktion solle nach Asien ausgelagert werden, eine Behauptung, welche die Firmenleitung vehement bestritt. Obgleich sich die Unternehmensspitze und die Gewerkschaft Unia einigten, wurde der Streik fortgesetzt. Nachdem die Berner Volkswirtschaftdirektorin eine Vermittlerrolle eingenommen hatte, konnte der Arbeitskonflikt nach neun Tagen beigelegt werden. Die Geschäftsleitung versprach, den Standort Reconvilliers (wie auch jenen in Dornach, SO) zu stärken und Investitionen zu tätigen. Ebenfalls zugesagt wurden Lohnverhandlungen und eine Intensivierung des Dialogs mit den Mitarbeitenden; von Strafmassnahmen gegenüber den Streikenden wurde abgesehen. Im Gegenzug verzichtete die Belegschaft auf eine Ablösung des Konzernleiters
[24].
Wenige Tage später traten die 150 Angestellten des Zigaretten-Filter-Herstellers Filtrona in
Crissier (VD) in einen unbefristeten Streik, da sie eine Schliessung des Werks befürchteten, das ein Jahr zuvor von einer grossen britischen Firma aufgekauft worden war. Zwei Woche nach Streikbeginn einigten sich Personal und Firmenleitung unter Mithilfe der Waadtländer Schiedsstelle auf Verhandlungen über einen Kollektivvertrag und einen Sozialplan im Fall einer Schliessung des Werks; zudem wurde der Mietvertrag für das Firmengebäude um zwei Jahre verlängert. Die Arbeit wurde provisorisch aufgenommen, nach 24 Stunden aber schon wieder niedergelegt. Belegschaft und Gewerkschaften beschuldigten die Firmenleitung, leere Versprechungen abgegeben zu haben und auf Repressalien gegen die Streikenden offenbar nicht verzichten zu wollen. Nach knapp drei Wochen Arbeitskonflikt betrachtete auch die Schiedsstelle auf Grund von Informationen aus London ihre Vermittlungsbemühungen als gescheitert. Ende Jahr wurden die Verhandlungen über den Umfang eines allfälligen Sozialplans ebenso wie die Produktion zwar wieder aufgenommen, eine definitive Einigung konnte im Berichtsjahr aber nicht mehr erreicht werden
[25].
[23]
NZZ, 23.2., 22.4., 28.5., 29.5. und 14.7.04; Presse vom 23.4. und 27.4.04;
TA, 13.5., 21.5. und 29.5.04.
[24] Presse vom 18.11.-26.11.04.
[25] Presse vom 1.12.-28.12.04.
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