Année politique Suisse 2004 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport
Sport
Im November setzte der Bundesrat eine Massnahme des Entlastungsprogramms 03 um und strich seinen allgemeinen Förderbeitrag an die kantonalen Jugend- und Sportämter in der Höhe von rund 5 Mio Fr.; er kündigte an, im Rahmen des EP 04 noch einmal 2,5 Mio Fr. einsparen zu wollen. Im Voranschlag 2004 beantragte er eine Kürzung der Gelder für
Jugend + Sport um weitere 1,5 Mio Fr., da ja neuerdings Gelder aus dem Tabakpräventionsfonds in die Sportförderung fliessen. Gegen diesen Plan formierte sich parlamentarischer Widerstand. Viele Abgeordnete stiessen sich an den Kürzungen, die zeitlich mit dem UNO-Jahr des Sports korrelieren. Dieses war wenige Tage zuvor in New York lanciert worden und basiert im Wesentlichen auf einer Initiative von alt Bundesrat Ogi. Im Nationalrat erreichte Humbel Näf (cvp, AG) mit 103 zu 59 Stimmen den Verzicht auf die Kürzung. Im Ständerat wurde ein ähnlicher Antrag Bieri (cvp, ZG), der allerdings die Subvention nur um 1 Mio Fr. anheben wollte, was den der Pro Helvetia gestrichenen Mitteln entsprochen hätte (siehe unten, Teil I, 8b, Kulturpolitik), abgelehnt. Mit 104 zu 63 Stimmen beharrte der Nationalrat auf seinem ersten Entscheid. Auch der Ständerat war nicht zum Nachgeben bereit: mit 27 zu 11 Stimmen blieb er beim Entwurf des Bundesrates, worauf die grosse Kammer ihre Haltung mit 114 zu 65 Stimmen bekräftigte. Die Einigungskonferenz wollte dem Nationalrat zustimmen. Ihr Antrag scheiterte jedoch in beiden Kammern, womit es bei der vom Bundesrat vorgeschlagenen Kürzung blieb
[35].
Das Parlament genehmigte diskussionslos das Zusatzprotokoll zur Konvention des Europarates gegen
Doping. In Anbetracht des Ausmasses der Dopingproblematik hatte der Europarat eine Konvention gegen Doping angenommen, die in der Schweiz am 1. Januar 1993 in Kraft trat. Mittels des Zusatzprotokoll soll einerseits die gegenseitige Anerkennung der Dopingkontrollen vereinbart und anderseits ein verbindlicher Kontrollmechanismus verankert werden
[36].
Für den Ständerat ist Doping im Sport Betrug. Mit 27 zu 4 Stimmen nahm die kleine Kammer eine Motion Büttiker (fdp, SO) an, die vom Bundesrat die Ausarbeitung einer
Strafnorm gegen fehlbare Athleten verlangt. Mit dem Argument, eine juristische Expertise habe 1999 festgestellt, dass Sporttreibende in der Schweiz bei einem Dopingvergehen den Betrugstatbestand nicht erfüllen, hatte der Bundesrat Ablehnung beantragt
[37].
Die Aspirationen auf eine Kandidatur der Schweiz für die
Olympischen Winterspiele 2014 zerschlugen sich. Mitte Februar legten die privaten Promotoren der Variante mit
Zürich als so genannter Host City , welche die Unterstützung der Kantone Schwyz und Graubünden fand, in denen die meisten Wettkämpfe hätten stattfinden sollen, dem Zürcher Regierungsrat ihr Bewerbungsdossier vor. Dieser sprach sich für eine vertiefte Prüfung des Projekts aus, welches aber bereits zu diesem Zeitpunkt im Kantonsrat auf Skepsis stiess, umso mehr, als sich die Stadt schon früher von jeglicher finanziellen Beteiligung distanziert hatte. Gleichzeitig wurde bekannt, dass auch die Gemeinde
Davos (GR) eine Bewerbung ins Auge fasste. Beide Interessengruppen machten Anfang März eine entsprechende offizielle Eingabe an Swiss Olympic. Dessen Exekutivrat erteilte der Kandidatur von Davos eine klare Absage: Das Vorhaben werde weder von der Bündner Regierung unterstützt, noch entspreche es dem von Swiss Olympic vorgegebenen Profil. Das Zürcher Projekt wurde nur lau unterstützt. Das technische Dossier entsprach zwar den Anforderungen, durch wurde der ungenügende politische Sukkurs von Kanton und Stadt bemängelt, weshalb den Zürcher Promotoren diesbezüglich klare Vorgaben gemacht wurden, um eine Wiederholung des Debakels der Kandidatur „Berne 2010“ zu vermeiden. Da die Stadt Zürich ihre Haltung nicht änderte, warfen die Promotoren Mitte September das Handtuch. Der Kanton Wallis hatte bereits Ende Februar seinen Verzicht auf eine Bewerbung bekannt gegeben
[38].
Die
Fussball-Europameisterschaft 2008, die in Österreich und der Schweiz durchgeführt werden soll, geriet etwas in Turbulenzen, weil der Stadionneubau im Zürcher Hardturm durch Einsprachen von Anwohnern und Umweltschutz-Organisationen massiv verzögert wurde und zu scheitern drohte. Die für Zürich vorgesehenen Vorrundenspiele müssten deshalb nach Basel, Bern oder Genf verlegt werden, es sei denn, der ohnehin geplante Ausbau des Letzigrund-Stadions könne rechtzeitig realisiert werden
[39]. Die Zürcher Querelen beschäftigten schliesslich auch den Nationalrat. In einer Erklärung, der sich alle Fraktionen anschlossen, richtete er den Aufruf an alle Beteiligten, sich für die planmässige Durchführung zu engagieren
[40]. Der Bundesrat setzte eine interdepartementale Arbeitsgruppe für die Realisierung der Euro 2008 ein. Die zentrale Aufgabe des Gremiums unter Federführung des BASPO ist die Koordination der durch die öffentliche Hand zu erbringenden Leistungen bei der Vorbereitung und Durchführung des Grossanlasses. Eine weitere Arbeitsgruppe unter der Leitung des BAP beschäftigt sich mit der Lösung der komplexen Sicherheitsproblematik
[41].
Gegen den vehementen Widerstand der Grünen, welche das Ganze als unverantwortliche Spielerei bezeichneten, nahm der Nationalrat mit 88 zu 75 Stimmen eine parlamentarische Initiative Giezendanner (svp, AG) für eine Aufhebung des geltenden Verbots für
Autorennen auf Rundstrecken in der Schweiz an. SP- und GP-Fraktion lehnten geschlossen ab, eine Mehrheit der bürgerlichen Fraktionen sprach sich dafür aus, insbesondere jene von FDP und SVP, bei denen es jeweils nur zwei ablehnende Stimmen gab. Fachleute stuften allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass jemals ein Formel-1-Rennen in der Schweiz durchgeführt werden könnte, als äusserst gering ein
[42].
Basierend auf ihrer Ethik-Charta und im Rahmen der im Vorjahr lancierten nationalen Fairplay-Kampagne verstärkten Swiss Olympic und das BASPO den Kampf gegen
sexuelle Übergriffe im Sport. Die Kampagne, die auf Prävention, aber auch auf Intervention und Hilfestellung setzt, richtet sich in einem ersten Schritt an Jugendliche. Mit verschiedenen Partnern in allen Landesteilen wurde ein breites Beratungsangebot entwickelt
[43].
[35]
AB NR, 2004, S. 1839 f., 2044 f. und 2137 ff.;
AB SR, 2004, S. 815 f., 869 f., 905 und 941 ff.;
TA, 19.1.04;
BZ, 6.11. und 11.11.04;
NLZ, 15.11.04. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Frage im NR (
AB NR, 2004, S. 1553). Zum Tabakpräventionsfonds siehe zwei ähnlich lautende Interpellationen im SR und im NR (
AB SR, 2004, S. 85 f.;
AB NR, 2004, S. 154 f.). Vgl.
SPJ 2003, S. 214. Zu den EP und dem Voranschlag vgl. oben, Teil I, 5 (Sanierungsmassnahmen und Voranschlag).
[36]
AB SR, 2004, S. 122 f.;
AB NR, 2004, S. 924;
AS, 2005, S. 415 f. Siehe
SPJ 2003, S. 220.
[37]
AB SR, 2004, S. 771 ff.
[38] Presse vom 22.1., 16.2., 24.2., 25.2., 27.2., 2.3., 3.3., 28.3., 30.3., 1.4., 2.4., 7.5. und 15.9.04. Für eine von 106 Mitunterzeichnern signierte, aber noch nicht behandelte Motion, die den Bundesrat auffordert, ein Führungsteam zu schaffen, das bei sportlichen Anliegen von nationaler oder internationaler Bedeutung sportpolitische Verantwortung übernehmen kann, siehe Geschäft 04.3458. Vgl.
SPJ 2003, S. 220.
[39] Presse vom 14.1., 27.2., 3.4., 15.4., 23.4., 25.5., 10.6., 11.6., 13.6., 7.7., 29.8., 6.9., 9.9., 10.10., 28.10., 5.11., 7.11., 2.12., 21.12. und 22.12.04, insbesondere
TA, 4.10. (Fifa-Präsident) und 7.10.04 (Uefa-Präsident). Zu den Einsprachen aus Umweltschutzkreisen siehe oben, Teil I, 6d (Protection des sites et de la nature).
[40]
AB NR, 2004, S. 992 ff. Siehe auch die (zurückhaltende) Beantwortung mehrerer parlamentarischer Vorstösse durch den Bundesrat in
AB NR, 2004, 319 f., 914 f., 1401 sowie Beilagen I, S. 316 ff. und 349 ff., Beilagen III, S. 451, Beilagen IV, S. 437 ff. und Beilagen V, S. 117, 258 f., 260 und 279 f.
[41] Presse vom 27.5.04. Für die auf über 50 Mio Fr. geschätzten Sicherheitskosten und deren Verteilung auf Bund, Kantone, Gastgeberstädte und SFV siehe Presse vom 11.12.04. Vgl.
SPJ 2002, S. 209. Zu den geplanten Massnahmen gegen Hooligans siehe oben, Teil I, 1b, Strafrecht. Der Bund will die „sportökonomischen“ Auswirkungen dieses Grossanlasses in Österreich und in der Schweiz evaluieren lassen (
NZZ, 15.7.04). Zu einer im Auftrag von Uefa und SFV erstellten Berechnung siehe
BaZ, 10.11.04.
[42]
AB NR, 2004, S. 1350 ff.; Presse vom 23.9.04.
[43] Presse vom 29.10.04.
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