Année politique Suisse 2005 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Schweizerische Volkspartei (SVP)
In einer auf Umfragedaten zu den eidgenössischen Wahlen 1995, 1999 und 2003 basierenden Analyse kamen Zürcher Politologen zum Schluss, dass das Thema
EU-Beitritt die
zentrale Determinante des SVP-Erfolges war; eine gewisse Rolle spielten auch die Ausländer- und die Asylpolitik, nicht aber die Finanz- oder die Steuerpolitik. Die Kombination nationalkonservativer und neoliberaler Positionen, verbunden mit einer straffen Parteiorganisation und professionellen Kampagnenführung ermöglichten es der Partei, unterschiedliche Wählergruppen über Sprach-, Schicht- und Konfessionsgrenzen hinaus zu mobilisieren
[28].
Mit 297:94 Stimmen gaben die SVP-Delegierten in La Chaux-de-Fonds (NE) die
Nein-Parole zur Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Länder heraus und stellten sich damit gegen Bundesrat Blocher und die Nationalräte und Unternehmer Peter Spuhler (TG) und Hansruedi Wandfluh (BE), welche sich für die Vorlage ausgesprochen hatten. Blocher hatte vor übertriebenen Hoffnungen gewarnt, mit der Personenfreizügigkeit die Schweizer Wirtschaft retten zu wollen, aber festgehalten, dass die Schweiz den Schritt wagen sollte. Zu einer kleinen Debatte führte ein Thesenpapier über die Liberalisierung der Agrarpolitik. Dieses bekräftigte die Multifunktionalität der Landwirtschaft und die Forderung nach einer staatlichen Abgeltung für bäuerliche Leistungen, verlangte jedoch von den Bauern, von „Staatsbeamten“ zu Unternehmern zu werden
[29].
Eine Woche, nachdem die SVP die nötigen Unterschriften für das Referendum gegen die
Abkommen von Schengen und Dublin eingereicht hatte, sprachen sich die Delegierten an ihrem Parteikongress im Mystery Park in Interlaken (BE) erneut gegen die Vorlage aus – 2004 hatten sie sich bereits zweimal für ein Nein entschieden. Die Nein-Parole zum Partnerschaftsgesetz beschloss der Zentralvorstand
[30].
Die SVP-Bundeshausfraktion forderte ihre Mitglieder dazu auf, künftig
auf gegenseitige Verunglimpfungen zu verzichten. Sie reagierte damit auf eine Kolumne des Zürcher Nationalrats Christoph Mörgeli, in der dieser Bundesrat Schmid Charakterschwäche vorgeworfen hatte. Um dem Dissens innerhalb der Partei bezüglich Personenfreizügigkeitsabkommen Rechnung zu tragen (mehr als ein Drittel der Fraktion befürwortete die Vorlage), beschloss sie, dass ihre Mitglieder an Podien nicht gegeneinander antreten und keine eigenen Abstimmungskomitees gründen sollten. Stattdessen sollten sie sich in überparteilichen Komitees engagieren
[31].
An ihrem Parteitag auf dem Säntis (AR) verabschiedeten die SVP-Delegierten einstimmig eine
„Agenda 2007 – Wachstum statt Bürokratie“. Darin verlangten sie von Bundesrat und Parlament bis zu den Wahlen im Oktober 2007 weniger Bürokratie und Steuern (so die Abschaffung der direkten Bundessteuer für Unternehmen), die Sanierung der Bundesfinanzen und Sozialwerke sowie keine neuen Schulden
[32].
Mitte Oktober beschloss die SVP an ihrer Delegiertenversammlung in Näfels (GL) mit 229:103 Stimmen die
Nein-Parole zur Volksinitiative „für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft“ und empfahl mit 330:27 Stimmen die Revision des Arbeitsgesetzes, das die Sonntagsarbeit in Zentren des öffentlichen Verkehrs regelt, zur Annahme. Wirtschaftliche Überlegungen hatten bei beiden Vorlagen den Ausschlag gegeben: Während die Legalisierung der Sonntagsverkäufe kaum bestritten war, führte das vom Bauernverband mitinitiierte Gentech-Moratorium zu einer rund einstündigen Debatte. Gemäss dem Luzerner Landwirt und Nationalrat Josef Kunz vertrete die Initiative die ureigensten Interessen der Bauern, für den Berner Unternehmer und Nationalrat Hansruedi Wandfluh schädigte sie hingegen Wirtschaft und Forschung
[33].
Um nach internen Gehässigkeiten im Zusammenhang mit der Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit die Reihen wieder zu schliessen, verabschiedeten die SVP-Delegierten an einem Sonderparteitag in Suhr (AG) einstimmig ein Grundsatzpapier mit zehn
europapolitischen Forderungen. Darin verlangten sie den sofortigen Rückzug des Beitrittsgesuches und lehnten jegliche Kohäsionszahlungen an die EU ab – inklusive der vom Bundesrat bereits in Aussicht gestellten einmaligen Zahlung an die neuen, osteuropäischen EU-Mitglieder. Künftige bilaterale Verträge mit der EU wolle die SVP mit dem Referendum bekämpfen, wenn sie durch diese die Souveränität des Landes bedroht sähe
[34].
Ende Jahr reichte die SVP ihre
Einbürgerungsinitiative ein. Das Volksbegehren verlangt, dass die Stimmberechtigten der Gemeinden in ihrer Gemeindeordnung festlegen können, welches Organ (Gemeindeversammlung, Urnenabstimmung, Parlament, Exekutive oder Kommission) das Gemeindebürgerrecht erteilt. Der Entschied dieses Organs soll endgültig sein
[35].
Nachdem Thomas Schmidt Ende 2004 sein Amt abgegeben hatte, um eine Eskalation des schwelenden Konflikts innerhalb der
Jungen SVP zu vermeiden, bestimmte die Jungpartei im Frühjahr den 21-jährigen Basler Joël Thüring zum neuen Präsidenten. Dieser gab seinen Posten jedoch nach lediglich acht Monaten wieder auf, um sich nach eigenen Angaben auf seine neue Aufgabe als Geschäftsführer der Basler SVP konzentrieren zu können
[36].
In den kantonalen Parlamentswahlen verlor die SVP insgesamt 8 Sitze: sechsundzwanzig im Aargau und vier in Solothurn (in beiden Kantonen waren die Legislativen verkleinert worden); in Neuenburg schaffte sie dafür den Sprung in den Grossen Rat gleich mit siebzehn Abgeordneten; zulegen konnte sie auch im Wallis mit vier Sitzen und in Genf mit einem Mandat. Während es der SVP in den Ersatzwahlen für den Regierungsrat des Kantons Zürich nicht gelang, den Sitz ihres zurückgetretenen Vertreters Christian Huber zu verteidigen, zog sie in Luzern mit Daniel Bühlmann erstmals in die Exekutive ein.
[28] Presse vom 15.9.05;
Lit. Kriesi e.a.
[29]
NZZ, 8.1.05; Presse vom 10.1.05. Zum Thesenpapier siehe auch Presse vom 13.8.05.
[30] Presse vom 4.4.05; vgl.
SPJ 2004, S. 297.
[33] Presse vom 17.10.05.
[35]
Lib., 19.11.05; vgl.
SPJ 2004, S. 297.
[36]
NF und
TA, 3.1.05;
BZ, 11.4.05; Presse vom 13.4.05;
BaZ, 19.9. und 2.12.05; vgl.
SPJ 2002, S. 331 und
2004, S. 298.
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