Année politique Suisse 2005 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Staatsschutz
Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats präsentierte zu Jahresbeginn ihre Überlegungen zur Organisation und Beaufsichtigung des strategischen Nachrichtendienstes. Sie kam dabei zum Schluss, dass die Kontrolle in erster Linie Aufgabe der Regierung sein müsse. Die früher angestrebte Schaffung eines besonderen parlamentarischen Aufsichtsgremiums erachtete sie nicht mehr als zweckmässig; diese Arbeit solle weiterhin die Geschäftsprüfungsdelegation wahrnehmen, wobei deren Ressourcen allerdings aufzustocken seien. Vom Bundesrat verlangte die Nationalratskommission mit einer Motion, in einem Rahmengesetz die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Nachrichtendienste klar zu regeln. Eine Zusammenlegung des strategischen Nachrichtendienstes des VBS mit dem Dienst für Analyse und Prävention des EJPD sei nicht zwingend, aber die Stellung des Nachrichtenkoordinators müsse gestärkt werden. Der Nationalrat überwies diese Motion. Der Bundesrat gab sich skeptisch gegenüber diesem Anliegen und beurteilte die Verpflichtung, ein Rahmengesetz zu schaffen, für verfrüht und unüberlegt [11]. Er beschloss, noch bevor sich der Ständerat mit diesen Vorschlägen des Nationalrats befasst hatte, die Stelle des Nachrichtenkoordinators abzuschaffen. An seiner Stelle sollen themenspezifische Arbeitsgruppen geschaffen werden (so genannte Plattformen), welche die Aktivitäten und Erkenntnisse der beiden Nachrichtendienste zu koordinieren haben. Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments protestierte gegen diese Beschlüsse und verlangte erneut eine gemeinsame Führung für die beiden Nachrichtendienste [12]. Im Ständerat unterstützte der Bundesrat den Antrag der ständerätlichen sicherheitspolitischen Kommission, die Motion des Nationalrats in dem Sinn abzuändern, dass die Regierung nicht ein Gesetz, sondern bis Ende 2006 bloss einen Bericht über die Zweckmässigkeit einer Regelung auf Gesetzesstufe vorlegen muss. Nachdem der Ständerat dieser abgeschwächten Version zugestimmt hatte, wurde sie auch vom Nationalrat übernommen [13]. Eine Motion Schlüer (svp, ZH) für eine Zusammenfassung der strategischen Nachrichtendienste des VBS und des EJPD wurde vom Bundesrat bekämpft und vom Nationalrat abgelehnt [14].
Der Ständerat überwies im Einverständnis mit dem Bundesrat ein Postulat seiner sicherheitspolitischen Kommission, welches anregt, die Gesetzgebung in verschiedenen Bereichen an die Anforderungen der grösser gewordenen Gefährdung durch Terrorismus und organisiertes Verbrechen anzupassen. Konkret erwähnt wurde dabei etwa der Ausbau der Präventivüberwachung oder eine Verlängerung der Aufbewahrungsdauer von Telefongesprächsdaten [15]. Der Bundesrat selbst hatte von einer Arbeitsgruppe unter Federführung des Dienstes für Analyse und Prävention (d.h. des Nachrichtendienstes des EJPD) einen Vorentwurf für ein Bundesgesetz zur Stärkung der inneren Sicherheit ausarbeiten lassen. Dieser sah nicht nur einen umfangreichen Ausbau des präventiven Instrumentariums der Polizei, sondern auch eine Ausweitung des Tätigkeitsfelds der Staatsschützer auf den Bereich der organisierten Kriminalität vor. Sowohl der eidgenössische Datenschutzbeauftragte als auch die politische Linke protestierten gegen den Entwurf; einige bürgerliche Politiker zeigten sich ebenfalls skeptisch. Auch für den Chef des EJPD, Christoph Blocher, gingen die von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Ausbaupläne zu weit: Er wies sie zur Überarbeitung zurück [16].
 
[11] BBl, 2005, S. 3723 ff.; AB NR, 2005, S. 660 ff.; Presse vom 12.1.05.
[12] NZZ, 13.7. und 1.9.05; TA, 7.10.05.
[13] AB SR, 2005, S. 675 ff.; AB NR, 2005, S. 1560.
[14] AB NR, 2005, S. 1972.
[15] AB SR, 2005, S. 641 ff.
[16] NZZ, 19.8.05; Presse vom 20.8.05.