Année politique Suisse 2005 : Economie / Politique économique générale
Konjunkturlage und -politik
Die Weltwirtschaft
wuchs 2005 weniger stark als im Vorjahr. Vor allem im ersten Halbjahr verlief die Entwicklung nur zögerlich. Mit ein Grund dafür war die Explosion des Rohölpreises, der um mehr als 50% anstieg. Konjunkturmotor waren weiterhin die USA, deren BIP-Wachstum mit 3,5% auch im Berichtsjahr deutlich über dem Mittel der OECD-Staaten (2,7%) lag. In Europa belebte sich die Wirschaft im zweiten Halbjahr ebenfalls spürbar. Der anhaltende Boom in China wirkte sich 2005 auf den ganzen südostasiatischen Raum inklusive Japan positiv aus. Infolge des rasanten Wirtschaftswachstums der Vorjahre namentlich in den USA und in den ostasiatischen Schwellenländern verteuerten sich auch wichtige andere Rohstoffe (v.a. Metalle). Die Preisentwicklung der Konsumgüter spiegelte weitgehend den Verlauf der Schwankungen des Erdölpreises. Die Inflationsrate stieg in den USA bis ins vierte Quartal auf 3,7% (so hoch wie seit 1991 nicht mehr) und in der Euro-Zone auf 2,3%. Zum ersten Mal seit vier Jahren nahm in der gesamten Euro-Zone die Arbeitslosigkeit wieder ab
[2].
Analog zur weltweiten Entwicklung stagnierte die
schweizerische Konjunktur im ersten Quartal. Bereits im zweiten Quartal führten starke Warenexporte zu einer Rückkehr auf den Wachstumspfad. Diese Tendenz verstärkte sich im dritten und vierten Quartal. Gemäss ersten Schätzungen nahm das reale Bruttoinlandprodukt um 1,9% (2004: 2,1%
[3]) zu. Der Aktivsaldo der Ertragsbilanz blieb mit geschätzten 63 Mia Fr. etwa gleich hoch wie im Vorjahr.
Die Zahl der Beschäftigten blieb weitgehend stabil. Das Wirtschaftswachstum führte zwar zu einem leichten Anstieg der Arbeitsplätze im Industriesektor und im Bauwesen; in wichtigen Bereichen des Dienstleistungssektors (Detailhandel, Finanzintermediäre und Versicherungen) nahm die Zahl der Beschäftigten jedoch ab. Die Arbeitslosenquote war leicht rückläufig. Im saisonbereinigten Jahresmittel senkte sie sich von 3,9% auf 3,8%; am Jahresende betrug sie 3,7% (Dezember 2004: 4,0%), was einer Zahl von 151 764 Personen entsprach. In der Deutschschweiz reduzierte sich die Arbeitslosenquote auf 3,2%, während sie in der Romandie und im Tessin mit 5,1% praktisch stabil blieb. Ausländer waren mit einer durchschnittlichen Jahresquote von 6,9% mehr als doppelt so häufig betroffen wie Schweizer (2,9%).
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene
Teuerung fiel mit einem Jahresmittel von 1,2% etwas höher aus als im Vorjahr (0,8%). Dabei verringerte sich die Inflationsrate inländischer Waren und Dienstleistungen auf 0,6%, diejenige der Importgüter stieg aber wegen der Explosion der Erdölpreise auf 2,7% an
[4].
Nachdem im Sommer und Herbst die Konjunkturkennzahlen nach der Flaute von Ende 2004 und zu Jahresbeginn wieder eindeutig nach oben zeigten,
erhöhte die Nationalbank im Dezember
den Leitzins um einen Viertelpunkt auf eine Bandbreite zwischen 0,5% und 1,5% (Dreimonats-Libor). Sie rechtfertigte das geringe Ausmass der Zinserhöhung mit dem Fehlen einer Inflationsgefahr und der Zaghaftigkeit des Wirtschaftsaufschwungs
[5].
Der einzige hörbare
Ruf nach staatlichen Interventionen in den Konjunkturablauf kam im Frühjahr von der SP. Sie erachtete die Konjunkturlage im März, als die provisorischen BIP-Zahlen für das vierte Quartal 2004 erschienen, welche eine Stagnation gegenüber dem Vorjahreswert auswiesen, als derart alarmierend, dass sie Massnahmen für erforderlich hielt. Aber auch sie verlangte in ihrer Interpellation nicht direkt eine Nachfragebelebung durch den Bund, sondern kritisierte vor allem das hohe Preisniveau im Wohnungsbereich, welches den Konsumenten Kaufkraft entziehen würde. Nachdem in den beiden ersten Quartalen des Berichtsjahres die ersten Schätzungen für das Wirtschaftswachstum leicht nach oben zeigten, verstummten auch die Rufe der SP wieder
[6].
[2] Schweizerische Nationalbank,
98. Geschäftsbericht 2005, Bern 2006, S. 14 ff.
[3] Die im Herbst 2005 publizierten Schätzungen zeigten, dass die Wirtschaft 2004 stärker gewachsen war als ursprünglich angenommen. Das reale BIP-Wachstum hatte demzufolge 2,1% (statt 1,7%) betragen (
NZZ, 3.9.05). Zu den Diskussionen um die Eignung des BIP als Messinstrument für die schweizerische Wirtschaftsentwicklung siehe Georg Rich, „Die Schweizer Wirtschaft wächst schneller als es scheint“, in
NZZ, 2.7.05. Presse vom 16.12.05.
[4] Schweizerische Nationalbank,
98. Geschäftsbericht 2005, Bern 2006, S. 18 ff. und Internetseiten des Seco und des BFS.
[6]
AB NR, 2005, Beilagen I, S. 420 ff.; Presse vom 10.9.05.
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