Année politique Suisse 2005 : Economie / Politique économique générale
 
Strukturpolitik
Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Genehmigung von zwei Abkommen zum europäischen Patentsystem und die dazu erforderlichen Änderungen des Patentgesetzes. Die Neuerungen betrafen weitgehend technische Aspekte. Das Parlament hiess die Abkommen und die Gesetzesrevision gut [7]. Im November beantragte der Bundesrat dem Parlament eine weitere Revision des Patentrechts. Es ging dabei unter anderem um einige technische Neuerungen bei der Anmeldung und Behandlung von Patenten sowie bei der Bekämpfung von Piraterie an Geistigem Eigentum. Zudem beabsichtigte der Bundesrat, das vom Bundesgericht erlassene Verbot des Parallelimports patentrechtlich geschützter Waren (sog. Kodak-Entscheid aus dem Jahr 1999 [8]) ins Patentgesetz aufzunehmen. Eindeutig im Zentrum der Vorlage steht aber die Einführung eines Patentschutzes für biotechnologische Erfindungen. Die angestrebte Balance zwischen dem Schutz der Forschungstätigkeit und ihrer wirtschaftlichen Nutzung einerseits und ethischen Schranken andererseits soll gemäss Bundesrat in enger Anlehnung an die Biotechnologie-Richtlinie der EU geschehen [9].
Das Standortmarketing für die Schweiz wird vom Bund weiterhin unterstützt. Das Parlament genehmigte das Bundesgesetz zur „Förderung der Information über den Unternehmensstandort Schweiz“. Der Ständerat war als Erstrat mit dem Konzept einverstanden, kürzte aber die Geltungsdauer von zehn auf sechs Jahre und nahm die Bestimmung auf, dass das federführende Seco bereits nach drei Jahren, statt wie vom Bundesrat vorgeschlagen nach vier, eine Evaluation durchführen muss. Im Nationalrat stellten die Kommissionsmitglieder der SVP erfolglos einen Antrag auf Nichteintreten, da erstens die Vielfalt der Organisationen, die sich mit der Werbung für die Schweiz befassen, bereinigt werden müsse, und zweitens die beste Standortwerbung die Schaffung von wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen sei. Die Grünen hatten diesen Nichtseintretensantrag unterstützt, da für sie das Projekt kein ökologisch nachhaltiges Wachstum fördere. In der Detailberatung unterlagen Anträge der Kommissionsmitglieder der SP und der GP, die Anwerbung auf nachhaltig resp. sozial produzierende Unternehmen zu beschränken, und zudem in einem Grundsatzkonzept festzuhalten, welche Branchen und Firmen in der Schweiz überhaupt erwünscht seien. Nach diesen Abstimmungsniederlagen beteiligte sich die SP nicht an der Gesamtabstimmung und das Vorhaben scheiterte mit 54 zu 64 Stimmen bei 35 Enthaltungen. Da der Ständerat auf seiner Version beharrt hatte, aber mit der Einfügung des Begriffs „nachhaltige Entwicklung“ in den Zweckartikel den Anliegen der Linken etwas entgegen gekommen war, musste der Nationalrat ein zweites Mal darauf eintreten. Da nun auch die SP zustimmte, passierte die Vorlage diesmal auch die Gesamtabstimmung und wurde von beiden Räten in der Schlussabstimmung gutgeheissen [10].
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Regionalpolitik
Nach der doch recht massiven Kritik am Vernehmlassungsentwurf im Vorjahr befasste sich eine Arbeitsgruppe mit starker Kantonsbeteiligung mit der von der Landesregierung geplanten neuen Regionalpolitik. Diese Arbeitsgruppe sorgte dafür, dass entgegen der ursprünglichen Absicht des Bundesrats gewisse Instrumente der bisherigen Regionalpolitik beibehalten wurden. Nicht verzichtet werden soll insbesondere auf die einzelbetriebliche Förderung mit Steuererleichterungen für neu angesiedelte Unternehmen in strukturschwachen Regionen (sog. Bonny-Beschluss) [11].
Die kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren hiessen die in ihrem Sinn abgeänderte Version Ende Juni gut, und der Bundesrat präsentierte im November seine Botschaft für eine neue Regionalpolitik. Seiner Ansicht nach geht es dabei um eine Konzentration auf das Kernanliegen „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ der Regionen. Der interregionale Ausgleich sei hingegen infolge der Neuregelung des Finanzausgleichs (NFA) und den Beschlüssen über die Grundversorgungspolitik des Bundes in den Hintergrund gerückt. Im Zentrum der neuen Regionalpolitik soll die Förderung von Programmen, Initiativen und Netzwerken stehen, welche die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Regionen und ihrer Unternehmen stärken. Mehr Wert als bisher soll auch auf die Koordination mit den einzelnen Politikbereichen (z.B. Verkehrspolitik) sowie auf die Ausbildung von Fachleuten für das Management und die Evaluation der Regionalpolitik gelegt werden. In den Genuss der Förderungsmassnahmen sollen die Bergregionen, die übrigen ländlichen Gebiete sowie nahe an der Landesgrenze gelegene Zonen kommen. Städtische Agglomerationen in Grenzzonen (Basel, Genf) sind davon aber explizit ausgenommen, da diese wirtschaftlich nicht darauf angewiesen seien resp. von anderen Instrumenten (z.B. Unterstützung für Verkehrsprojekte) profitieren könnten. Innerhalb der Förderregionen sollen vorab diejenigen Gebiete zum Zuge kommen, deren Wettbewerbskraft mit den Massnahmen am meisten gestärkt werden kann. Konkret heisst dies, dass sich die Hilfe auf regionale Zentren konzentriert und entlegene Bergtäler kaum mehr direkt berücksichtigt werden. Für deren Schicksal sollen zukünftig in erster Linie die Kantone verantwortlich sein.
Für die Realisierung dieser neuen Politik schlug der Bundesrat ein neues Bundesgesetz vor, das diejenigen bisherigen Instrumente, deren Beibehaltung sinnvoll erscheint, zusammenfasst und zum Teil mit neuen Zielsetzungen ausstattet. Dieses neue Gesetz soll zeitlich beschränkt sein, seine finanzielle Ausstattung wird über Mehrjahresprogramme geregelt. In diesem Zusammenhang wird auch eine begriffliche Neuerung eingeführt: Der Fonds für Investitionshilfe in Berggebieten wird in Fonds für Regionalentwicklung umbenannt. Er soll vom Bund mit jährlich etwa 30 Mio Fr. alimentiert werden; dazu fliessen noch etwa 40 Mio Fr. Rückzahlungen von Darlehen aus dem bisherigen Investitionshilfefonds. Die Kosten der im Rahmen des Bonny-Beschlusses gewährten Erleichterungen bei der Bundessteuer wurden auf rund 20 Mio Fr. pro Jahr geschätzt [12].
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KMU
Die WAK des Nationalrats reichte im November eine parlamentarische Initiative zur Stärkung des gewerblichen Bürgschaftswesens ein. Die in der Schweiz bestehenden elf gewerblichen Bürgschaftsgenossenschaften erleichtern Kleinunternehmen (KMU) die Aufnahme von Fremdkapital, indem sie gegenüber Banken Bürgschaften leisten. Der Bund unterstützt diese Tätigkeit seit 1949 im Rahmen des Gesetzes „über die Finanzhilfen an gewerbeorientierte Bürgschaftsorganisationen“, und er richtet den Genossenschaften Finanzhilfen zur Deckung von Verlusten aus und subventioniert deren Verwaltungskosten. Die grosse Anzahl Insolvenzen in den 90er Jahren und die restriktivere Kreditvergabepolitik der Banken hatten die Bürgschaften zusehendes unattraktiv gemacht. Die WAK schlug nun vor, die von der Bundesgarantie abgedeckte Bürgschaftslimite von 150 000 auf 500 000 Fr. anzuheben und den Bundesbeitrag an die Verlustdeckung von 50-60% auf 65% zu erhöhen. Im Gegenzug sollen die Anzahl der Bürgschaftsgenossenschaften reduziert und die administrativen Abläufe gestrafft werden [13].
Der Nationalrat überwies eine vom Bundesrat ebenfalls unterstützte Motion seiner WAK für eine die Anliegen der KMU berücksichtigende rechtliche Umsetzung der internationalen Empfehlungen an die Banken bezüglich der Eigenmittelvorschriften und des Ratings für Geschäftskredite (Basel I und Basel II) [14].
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Tourismus
Der Ständerat befasste sich als Erstrat mit den Vorschlägen des Bundesrats aus dem Vorjahr zur Vereinheitlichung und Vereinfachung des Verfahrens für die Bewilligung von Luftseilbahnen zur Personenbeförderung. Das Vorhaben wurde insbesondere auch von den Tourismusvertretern im Rat begrüsst. Die Vorlage war unbestritten und wurde mit einigen kleinen, von der Kommission vorgeschlagenen Veränderungen verabschiedet [15].
Die WAK des Ständerates beschloss im Frühjahr, eine parlamentarische Initiative für eine Verlängerung des ermässigten Sondersatzes der MWST von 3,6% für Übernachtungen in Hotels auszuarbeiten. Die WAK des Nationalrats erklärte sich mit dieser neuerlichen Verlängerung der Reduktion bis Ende 2010 einverstanden. Der Bundesrat bekämpfte diesen Vorschlag im Gegensatz zum letzten Mal, als das Parlament eine Verlängerung beschlossen hatte, nicht mehr. Da er eine umfassende Neukonzeption der Mehrwertsteuer mit einem einheitlichen Satz anstrebe, verzichte er darauf, die Verlängerung der Gültigkeit einzelner Sondersätze zu bekämpfen. Diese Ausnahmen würden dann, so seine Hoffnung, der Reform ohnehin zum Opfer fallen [16]. Gegen den Widerstand der SP und der GP im Nationalrat stimmte das Parlament der Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Sondersatzes für die Hotellerie zu [17].
Die Kantone gaben zu Jahresbeginn bekannt, dass sie ein Konkordat für die Durchführung von Lotterien und Wettspielen ausgehandelt haben. Ein solches Abkommen mit verbindlichen einheitlichen Regeln hatte der Bundesrat von ihnen gefordert, wenn sie ihr Monopol auf die Konzessionierung von Lotterien behalten wollten. Die Vereinbarung, welche anstelle der vom Bund geplanten, in der Vernehmlassung 2004 aber heftig kritisierten Teilrevision des Lotteriegesetzes treten soll, sieht unter anderem die Einsetzung einer nationalen Fachkommission für die Bewilligung von Lotterien und Wetten vor. Gestützt auf deren Entscheide könnten die Kantone dann die Konzession für die Durchführung der Veranstaltungen auf ihrem Gebiet erteilen. Verbessert werden soll auch die Transparenz über die Verwendung der Reinerträge der kantonalen Lotterien. Da bis Jahresende noch nicht alle Kantone das Konkordat ratifiziert hatten, konnte es nicht wie vorgesehen auf Anfang 2006 in Kraft treten [18].
 
[7] BBl, 2005, S. 3773 ff.; AB SR, 2005, S. 833 ff. und 1223; AB NR, 2005, S. 1918 ff. und 2002; BBl, 2005, S. 7489 ff. und 7495 f.
[8] Siehe SPJ 2000, S. 97.
[9] BBl, 2006, S. 1 ff.; NZZ, 24.11.05. Zu den Details bezüglich Biotechnologie siehe unten, Teil I, 8a (Forschung).
[10] AB SR, 2005, S. 487 ff., 813 ff., 1045 und 1221; AB NR, 2005, S. 1304 ff., 1607 ff. und 2000; BBl, 2005, S. 7465 f. Vgl. SPJ 2004, S. 81. Siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Bührer (fdp, SH) bezüglich Standortwerbung in China (AB NR, 2005, Beilagen I, S. 298 f.).
[11] BaZ und TA, 1.7.05; NZZ, 18.8.05.
[12] BBl, 2006, S. 231 ff.; Presse vom 17.11.05. Vgl. SPJ 2004, S. 80 f. Siehe auch die Antworten des BR auf die Interpellationen Hassler (svp, GR) und Rey (sp, VS) vor der Publikation der Botschaft (AB NR, 2005, Beilagen II, S. 430 und 465 f.).
[13] BBl, 2006, S. 2975 ff. und 3003 ff. (Stellungnahme des BR vom März 2006). Zu einem Bericht vom Februar 2005 über die Instrumente zur Messung der KMU-Verträglichkeit von staatlichen Massnahmen und Vorschriften siehe BBl, 2006, S. 3217 ff.
[14] AB NR, 2005, S. 415. Vgl. zur Umsetzung von Basel II durch die Bankenkommission auch NZZ, 1.10.05; SHZ, 26.10.05.
[15] AB SR, 2005, S. 1175 ff. Vgl. SPJ 2004, S. 81 f.
[16] BBl, 2005, S. 5771 ff. und 5781 ff. (BR). Der Sondersatz war bereits 1999 bis 2003 sowie 2003 bis Ende 2006 verlängert worden (SPJ 2003, S. 106).
[17] AB SR, 2005, S. 847 f. und 1224; AB NR, 2005, S. 1887 ff. und 2003; BBl, 2005, S. 7277; BaZ, 25.8.05. Zum Gastgewerbe siehe auch unten, Wettbewerb.
[18] BZ, 10.1.05; QJ, 29.1.05. Zum Moratorium der Spielbankenkommission vom Vorjahr für das Aufstellen von Tactilo-Automaten siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Studer (sp, NE) in AB SR, 2005, S. 386 f. Vgl. SPJ 2004, S. 82.