Année politique Suisse 2005 : Economie / Politique économique générale
 
Gesellschaftsrecht
Das Parlament verabschiedete die Vorschläge des Bundesrats für eine Verbesserung der Aufsicht über Gesellschaften (Teilrevision des OR) sowie für ein neues Gesetz über die staatliche Zulassung und Beaufsichtigung von Revisoren. Gleichzeit befasste es sich auch mit den Ende 2001 vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen OR-Bestimmungen über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Diese Zusammenlegung machte auch deshalb Sinn, weil der Bundesrat beantragt hatte, bei der Frage, ob eine ordentliche oder bloss eine eingeschränkte Revision einer Gesellschaft vorgeschrieben ist, nicht mehr nach der Rechtsform zu differenzieren (also eine AG strenger zu behandeln als eine GmbH), sondern nach der wirtschaftlichen Bedeutung, sprich der Grösse einer Unternehmung. Im erstbehandelnden Nationalrat war Eintreten unbestritten. In der Detailberatung setzte sich die bundesrätliche Version gegen die meisten Abänderungsanträge durch. So lehnte der Rat etwa einen Antrag der Linken ab, das Minimalkapital für die GmbH auf 40 000 Fr. zu erhöhen. In den Gesamtabstimmungen nahm der Nationalrat sowohl die neuen Vorschriften über die GmbH als auch die Bestimmungen über die Revision und die Revisoren einstimmig an. Der Ständerat schloss sich weitgehend der grossen Kammer an. In der Differenzbereinigung war vor allem die Frage der Rotation des leitenden Revisors bei der ordentlichen Revision umstritten. Die grosse Kammer plädierte für eine Mandatsdauer von höchsten fünf, der Ständerat für sieben Jahre. Durchgesetzt hat sich schliesslich der Ständerat [31].
Das Parlament hiess auch die im Vorjahr vom Bundesrat beantragte Verbesserung der Information der Öffentlichkeit über die finanziellen Entschädigungen der Verwaltungsratsmitglieder und der leitenden Manager von privaten börsenkotierten Firmen ohne wichtige Änderungen gut. Demnach müssen diese Firmen die individuellen Bezüge (Honorar resp. Lohn und alle anderen Entschädigungen, Kredite, Beteiligungen, Optionen) jedes einzelnen Verwaltungsratsmitglieds und des leitenden Managers sowie für die Gesamtheit der Geschäftsleitung angeben. Offen gelegt werden müssen auch aussergewöhnliche Zahlungen an Personen, welche den Spitzenkadern nahe stehen oder an ehemalige Verwaltungsratsmitglieder. Im Nationalrat unterlag ein Antrag der Linken, dass nicht nur die Entschädigung für den meistverdienenden Manager, sondern für jedes Geschäftsleitungsmitglied individuell auszuweisen sei. Die bürgerliche Mehrheit, zu der sich nach ursprünglichem Zögern auch die SVP-Fraktion gesellte, argumentierte, dass erstens die durchschnittliche Entschädigung angegeben werden müsse und zweitens die Angabe von individuellen Beträgen die Abwerbung von Managern durch Konkurrenzfirmen erleichtern würde. In der Gesamtabstimmung wurden die neuen Vorschriften oppositionslos angenommen. Der Ständerat schloss sich weitgehend der Nationalratsfassung an, lockerte aber die Bestimmungen über die Offenlegung von Leistungen an frühere Unternehmensangehörige etwas auf. So beschloss er, dass die Entschädigung für Leistungen Ehemaliger (z.B. Gutachten) zu marktüblichen Konditionen nicht deklariert werden müssen. Der Nationalrat war damit in der Differenzbereinigung einverstanden. Nicht durchsetzen konnte sich hingegen der Beschluss des Ständerats, dass die Generalversammlung einer Aktiengesellschaft in den Statuten festlegen kann, wie die Vergütungen für die Verwaltungsratsmitglieder zu bestimmen sind [32].
Im Dezember gab der Bundesrat eine Teilrevision des Aktien- und des Rechnungslegungsrechts (rechtliche Bestimmungen für Aktiengesellschaften) in die Vernehmlassung. Vorgeschlagen werden darin insbesondere eine Stärkung der Aktionärsrechte durch verbesserte Transparenz sowie Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten. In Zukunft sollen zudem die Banken die Stimmrechte der bei ihnen deponierten Aktien nicht mehr ausüben können; zugelassen wäre nur noch eine speziell vom Aktionär beauftragte unabhängige Stellvertretung [33].
Nach dem Nationalrat hiess auch der Ständerat die Aufhebung der Bestimmung gut, dass bei der Gewährung von Bürgschaften die Zustimmung des Ehepartners dann nicht verlangt ist, wenn der Bürgschaftsnehmer als Mitglied einer im Handelsregister eingetragenen Firma handelt. In der kleinen Kammer war diese parlamentarische Initiative Chevrier (cvp, VS) allerdings sehr umstritten. Eine knappe Mehrheit der Rechtskommission beantragte, auf die Vorlage nicht einzutreten. Es diene zwar in einzelnen Fällen dem Schutz einer Familie, wenn auf jeden Fall die Unterschrift des Ehepartners verlangt werde; andererseits würde dadurch die Gründung von neuen Firmen behindert. So könnte etwa ein getrennt lebender Ehepartner die Unterschrift nur aus Rachegründen verweigern. Mit 16 zu 15 Stimmen beschloss der Ständerat Eintreten und hiess dann ebenfalls sehr knapp (21 zu 19 Stimmen) die Neuerung, welche auch die Schlussabstimmung passierte, gut [34].
Wie es sowohl die Bankiervereinigung als auch eine vom Parlament als Postulat überwiesene Motion Suter (fdp, BE) verlangten, legte der Bundesrat Vorschläge für eine verbesserte rechtliche Definition von Trusts vor. Die Reform soll im Rahmen der Genehmigung des „Haager Übereinkommens über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung“ geschehen. Erforderlich dazu sind aber auch Teilrevisionen des Zivilgesetzbuchs, des OR, des Aufsichts- und des Steuerrechts [35].
Der Nationalrat forderte mit der Zustimmung zu einer Motion Bührer (fdp, SH) die Schaffung von rechtlichen Voraussetzungen für die Gesellschaftsform „Limited Partnership“ (so genannte Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen). Diese Rechtsform ist vor allem für die Anlage von Risikokapital sehr attraktiv, was in den letzten Jahren dazu geführt hatte, dass solche Gelder nicht in der Schweiz, sondern im Ausland angelegt wurden. Der Bundesrat war bereits vor der Überweisung der Motion aktiv geworden und hatte das Anliegen in die Revision des Anlagefondsgesetzes, welches er im Herbst dem Parlament vorlegte, aufgenommen [36].
 
[31] AB NR, 2005, S. 88 ff., 1256 ff., 1824 ff. und 1995; AB SR, 2005, S. 617 ff., 984 ff. und 1218; BBl, 2005, S. 7289 ff. (OR) und 7349 ff. (Revisoren); SHZ, 2.3. und 27.4.05.Vgl. SPJ 2004, S. 85 sowie zur Botschaft zum GmbH-Recht SPJ 2001, S. 82.
[32] AB NR, 2005, S. 106 ff., 1265 ff. und 1528; AB SR, 2005, S. 538 ff., 831 und 878; BBl, 2005, S. 5963 ff. Vgl. SPJ 2004, S. 85 f. Der NR konnte damit zwei parlamentarische Initiativen von Chiffelle (sp, VD) resp. der SVP-Fraktion als erfüllt abschreiben (AB NR, 2005, S. 117. Siehe SPJ 2002, S. 92 resp. 2003, S. 108).
[33] LT und NZZ, 6.12.05. Vgl. auch Peter V. Kunz in NZZ, 1.12.05.
[34] AB SR, 2005, S. 152 ff., 616 f. und 665; AB NR, 2005, S. 969; BBl, 2005, S. 4041. Vgl. SPJ 2004, S. 86.
[35] BBl, 2006, S. 551 ff. Vgl. SPJ 2003, S. 108 und 2004, S. 86.
[36] Motion: AB NR, 2005, S. 786. Zum Anlagefondsgesetz siehe unten, Teil I, 4b (Geld- und Währungspolitik).