Année politique Suisse 2005 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Grundschulen
Die Leistungen der Neuntklässler in Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösen, die 2003 parallel zum internationalen PISA-Test auch in zwölf Kantonen (AG, BE, FR, GE, JU, NE, SG, TG, TI, VD, VS, ZH) und in Liechtenstein erhoben wurden, förderten zwar statistisch signifikante Leistungsunterschiede zutage. Gemäss BFS liessen sich aber keine Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit kantonaler Schulmodelle oder den pädagogisch optimalen Zeitpunkt zur Einschulung ableiten, da der Test viele zentrale inner- und ausserschulische Parameter nicht berücksichtigt hatte. Generell bestätigte er, was schon PISA International zutage gefördert hatte: Die soziale und kulturelle Herkunft der Schülerinnen und Schüler hat einen grossen Einfluss auf die Leistung – Jugendliche aus bildungsfernen Schichten erzielten in allen Kantonen tendenziell schlechtere Resultate, wobei die Westschweizer Kantone bei der Förderung von ausländischen Schülern und Jugendlichen markant besser abschnitten als jene der Deutschschweiz; dies sei kein Zufall, da sich die Romandie generell stärker um die Integration von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bemühe. Bestätigt wurden auch die fachspezifischen Resultate des internationalen Vergleichs und die Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern: Während sich die Ergebnisse in Mathematik und beim Problemlösen fast überall auf hohem Niveau bewegten und auch bei den Naturwissenschaften beachtlich ausfielen, war die Lesekompetenz mangelhaft. In Mathematik und in den Naturwissenschaften schnitten die Buben überall deutlich besser ab ausser in Liechtenstein, im Lesen hingegen die Mädchen. Insgesamt über dem Durchschnitt aller vier getesteten Bereiche lagen Freiburg, St. Gallen, Thurgau, Wallis und Aargau, im Mittelfeld Jura, Zürich und Liechtenstein, darunter Bern, Neuenburg, Waadt, Tessin und Genf [9].
Da die nötigen Massnahmen bereits getroffen seien, lehnte der Nationalrat diskussionslos ein Postulat Hochreutener (cvp, BE) ab, das den Besuch von Sportschulen mit Erleichterungen bei den Schulgeldern hatte fördern wollen [10].
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Lehrkräfte
Seit Januar 2004 führte die EDK eine Liste von Lehrpersonen ohne Unterrichtsbefugnis (pädophile, süchtige oder gewalttätige Lehrkräfte) – rechtmässig, wie sie überzeugt war. Nach Einwänden der Vereinigung der schweizerischen Datenschutzbeauftragten entschlossen sich die Bildungsdirektoren dennoch, im Rahmen der Revision der interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen eine explizite Rechtsgrundlage für die schwarze Liste zu schaffen. Das Vorhaben stiess bei allen Kantonen auf Anklang [11].
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Schulreformen und -modelle
2004 hatten die Bildungsdirektoren der Romandie und des Tessins (BE, FR, GE, JU, NE, TI, VD, VS) ein Konzept zur Harmonisierung der Lernziele (PECARO) in die Vernehmlassung gegeben. PECARO definiert nicht nur die Lernschwerpunkte für die drei Altersstufen (1.-2., 3.-6. und 7.-9. Schuljahr), sondern legt auch fest, wie viel Zeit die Lehrkräfte für die Vermittlung des entsprechenden Lernstoffes aufzuwenden haben. In der Konsultation stiess das Konzept auf ein positives Echo, sowohl bei den Lehrkräften als auch bei den Eltern. PECARO soll in einer interkantonalen Vereinbarung verankert werden, die ab 2007 den kantonalen Parlamenten zur Genehmigung unterbreitet wird [12].
Aufgrund der erfolgreichen Zusammenarbeit im Fachhochschulbereich beschlossen die Regierungen der Kantone Aargau, beider Basel und Solothurns, im Rahmen eines „Mini-HarmoS“-Projekts ihre Volksschulen besser zu koordinieren – „HarmoS“ (Harmonisierung der obligatorischen Schule) bezweckt die inhaltliche Abstimmung der Schule Schweiz [13].
Gemäss der EDK-Ost sind die Schulversuche mit der so genannten Basis- oder Grundstufe (dem flexiblen Schuleintritt und der Zusammenfassung von Kindergarten und Unterstufe) gut angelaufen. Am Projekt, das im Sommer 2002 gestartet wurde, beteilige sich mittlerweile fast die ganze Deutschschweiz. Die bis 2008 erwarteten Versuchsergebnisse sollen die Grundlagen für die nötigen Gesetzesänderungen liefern, allerdings sei mit einer allfälligen flächendeckenden Einführung der Basisstufe nicht vor 2011 zu rechnen. Gemäss ersten Erhebungen stiess die Grundstufe nach anfänglicher Skepsis auf grosse Akzeptanz: Die meisten Kinder fühlten sich, zumindest nach Einschätzung der Eltern, wohl. Häufig kritisiert wurde indes der Mangel an geeigneten Lehrmitteln [14].
Die Auseinandersetzung um den Fremdsprachenunterricht ging 2005 weiter: Ein Komitee aus Lehrpersonen und Politikern aus der Ost- und Zentralschweiz (SG, TG, SH, ZH, ZG, OW, NW, SZ) machte sich gegen die Einführung einer zweiten Fremdsprache auf Primarschulstufe stark und sprach sich damit indirekt gegen das Französische aus, weil in all diesen Kantonen Englisch als erste Fremdsprache gelehrt werden soll. Das Nidwaldner Parlament entschied, Englisch ab dem 3. und Französisch ab dem 7. Schuljahr (und damit erst in der Oberstufe) zu unterrichten. Damit setzte sich der Kanton als zweiter nach Appenzell Innerrhoden über die Empfehlungen der EDK (Beginn des Fremdsprachenunterrichts im 3. und 5. Schuljahr) hinweg. Die Freiburger Erziehungsdirektorin Chassot (cvp) hingegen erklärte, eine allfällige Abschaffung des Französischunterrichts in den Primarschulen Zürichs, wo eine entsprechende Initiative hängig ist, nicht hinnehmen zu wollen, und im Tessin erwog die Vereinigung „Coscienza svizzera“ die Lancierung eines eidgenössischen Volksbegehrens, das als erste Fremdsprache eine Landessprache verlangt [15].
Im Berichtsjahr verstärkte sich der öffentliche Druck zur Schaffung von Tagesstrukturen an den Schulen: Nicht nur wurden auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene zahlreiche politische Vorstösse eingereicht, im Sommer forderte auch der Schweizerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (LCH) alle Kantone und Gemeinden auf, für Schülerinnen und Schüler Tagesschulen anzubieten. LCH schätzte die Kosten auf 500 Fr. pro Schüler und Monat. Kurz darauf präsentierte Avenir Suisse ein rund 160-seitiges „Einmaleins der Tagesschule“, das den zuständigen Behörden konkrete Hilfe bei der Einrichtung kommunaler Tagesschulen auf freiwilliger Basis geben will und das an die Schulbehörden aller Gemeinden verschickt werden soll. Der Leitfaden zeigt praxisnah und mit den nötigen Hinweisen auf die politischen und finanziellen Fallgruben auf, wie Gemeindeschulen etappenweise in funktionsfähige Tagesschulen umgewandelt werden können. In der Herbstsession reichte eine breite Koalition von Nationalrätinnen aus allen grossen Parteien fünf parlamentarische Initiativen ein, die einen Verfassungsartikel für Tagesschulen verlangen [16].
 
[9] Presse vom 3.5.05; Lit. BFS (PISA 2003, kantonale Ergebnisse).
[10] AB NR, 2005, S. 952 und Beilagen II, S. 573 f.
[11] Presse vom 26.2.05; vgl. SPJ 2004, S. 221.
[12] Presse vom 16.4.05; vgl. SPJ 2004, S. 222.
[13] Presse vom 1.6.05; vgl. SPJ 2004, S. 222. Zur Kooperation bei den FHS siehe unten (Fachhochschulen).
[14] BaZ und SGT, 17.5.05; SN, 6.7.05; NZZ, 7.11.05; vgl. SPJ 2004, S. 222.
[15] NF, 14.2.05; LT, 7.3.05; BaZ, 13.4.05; BZ und LT, 22.4.05 (FR); TG, 20.6.05 (TI); NLZ, 24.11.05 (NW); zur Bedeutung des Englischen siehe Presse vom 13.4.05. Der NR verlängerte die Frist zur Behandlung einer parlamentarischen Initiative Berberat (sp, NE), welche von den Kantonen als erste Fremdsprache den Unterricht in einer Amtssprache des Bundes verlangt, bis zum Abschluss der Beratungen des Sprachengesetzes (AB NR, 2005, S. 1965 und Beilagen IV, S. 33 ff.); siehe auch unten, Teil I, 8b (Sprachen).
[16] Pa. Iv. 05.429 Egerszegi (fdp, AG), 05.430 Genner (gp, ZH), 05.431 Fehr (sp, ZH), 05.432 Riklin (cvp, ZH) und 05.440 Haller (svp, BE); Presse vom 13.6., 6.7. und 20.9.05. Siehe auch die kantonale Gesetzgebung zur Einführung von Tagesstrukturen, unten, Teil II (Bildung und Kultur).