Année politique Suisse 2005 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
Berufsbildung
Der Bundesrat erliess eine Verordnung über das
Eidg. Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB). Das EHB, welches das Schweizerische Institut für Berufspädagogik ersetzt, soll seine Tätigkeit im Herbst 2006 in Zollikofen (BE), Lausanne und Lugano aufnehmen und ist als Kompetenzzentrum des Bundes für Lehre und Forschung in der Berufspädagogik, der Berufsbildung und der Berufsentwicklung konzipiert. Zu seinen Kernaufgaben gehören die Ausbildung von Lehrkräften und anderen Bildungsverantwortlichen wie Prüfungsexperten sowie die Entwicklung der Berufsbildungsforschung. Die EDK hätte es vorgezogen, das EHB in die bestehende Hochschullandschaft zu integrieren, da sie befürchtete, dass ein eigenständiges Hochschulinstitut die Anerkennung des schweizerischen Ausbildungssystems durch das Ausland zusätzlich erschwert
[19].
Diskussionslos überwies der Nationalrat ein Postulat Vollmer (sp, BE), welches den Bundesrat aufforderte zu klären, ob die Berufsbezeichnungen und Titel gemäss Berufsbildungsgesetz nicht eindeutig und transparent die verschiedenen Berufsbildungsstufen abbilden müssten. Aus der Bezeichnung gehe nicht immer klar hervor, um welchen Abschluss (zwei- oder vierjährige Berufsausbildung, höhere Berufsausbildung oder berufsorientierte Weiterbildung) es sich handle
[20]. Der Ständerat billigte eine vom Nationalrat im Vorjahr angenommene Motion Freysinger (svp, VS), welche den Bundesrat beauftragt, zum Schutz von privaten Anbietern von Ausbildungen, namentlich im Hotelmanagement, ein
branchenspezifisches Akkreditierungssystem einzuführen. Dieses soll die Transparenz zwischen den verschiedenen Bildungsgängen erhöhen und die Studierenden über Konditionen und Seriosität der Anbieter informieren
[21].
Ständerat Kuprecht (svp, SZ) bedauerte die vermehrte Streichung von Lektionen für obligatorisches
Berufsschulturnen zugunsten der Fachausbildung, zog sein Postulat, das vom Bundesrat einen entsprechenden Bericht verlangt hatte, aber mangels Unterstützung zurück
[22].
Angesichts der angespannten Situation auf dem Lehrstellenmarkt wurde ein Komitee von Jugendlichen bei Volkswirtschaftsminister Deiss vorstellig. Es forderte vom Bund mehr Engagement gegen die
Jugendarbeitslosigkeit: Das Angebot an Lehrwerkstätten, Handels- und Fachmittelschulen sei um 10% auszubauen, ausgelernte Lehrlinge seien während mindestens eines Jahres im selben Betrieb weiterzubeschäftigen und Betriebe, die selber keine Lehrlinge ausbildeten, sollten Lehrabgänger zu einem Teilzeitpensum von 3-4 Tagen übernehmen. Bundesrat Deiss versprach, vor allem bei den Übergangsangeboten aktiv zu werden und den Anteil der Betriebe mit Lehrlingsausbildung von zur Zeit 30% auf 40% zu erhöhen. Konkret setze der Bundesrat auf Lehrstellenverbünde, Motivationssemester und Kurz-Lehrstellen. Die Bundesratsparteien beschlossen die Einberufung einer Lehrstellenkonferenz
[23].
Im November trafen sich auf Einladung von Wirtschaftsminister Deiss 21 Spitzenvertreter aus Bund, Kantonen, Wirtschaft und Gewerkschaften zu dieser
ersten nationalen Lehrstellenkonferenz. Gewerkschaften und Linke zeigten sich vom Ergebnis enttäuscht, da sie keine ihrer Forderungen hatten durchsetzen können. Auf Ablehnung gestossen war sowohl der Vorschlag eines nationalen Delegierten (Mister Lehrstelle) als auch das Ansinnen, den Betrieben für jede neue Lehrstelle einen Bonus von 10 000 Fr. auszuzahlen. Beschlossen wurde hingegen eine Werbekampagne, wonach ausbildende Unternehmen sich mit der offiziellen Vignette „Lehrbetrieb“ schmücken dürfen. Wenige Tage nach der Konferenz lehnte der Bundesrat einen von Deiss in Aussicht gestellten Kredit von 20 Mio Fr. aus dem Innovationsfonds gemäss Berufsbildungsgesetz ab; mit diesem Betrag hätte der Bund die Projekte der Kantone zur Verbesserung der Lehrstellensituation vollständig und nicht nur zu 60% übernehmen sollen
[24].
In der Sommersession nahm sich auch das Parlament des Themas an: Gemäss Lehrstellenbarometer waren 27 000 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, und auch wenn alle offenen
Lehrstellen besetzt würden, fehlten immer noch 2000. Die grosse Kammer billigte eine Motion Vollmer (sp, BE), die ein Konzept mit den notwendigen rechtlichen Anpassungen für eine Ausweitung und Aufwertung der Lehrstellen und Praktikumsplätze in der Bundesverwaltung verlangte; der Ständerat lehnte das Begehren ab. Der Nationalrat überwies auch zwei Vorstösse der Zürcherin Galladé (sp): ein Postulat, das einen Massnahmenplan zur Verbesserung der Lehrstellensituation forderte, und, gegen den Willen von Bundesrat und Gewerbevertretern, eine Motion, welche die Lehrlingsausbildung im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen als Vergabekriterium verankert; bereits im Frühjahr hatte der Rat einer in die gleiche Richtung zielenden parlamentarischen Initiative Lustenberger (cvp, LU) Folge gegeben. Chancenlos blieben hingegen drei weitere Motionen Galladé (sp, ZH): Die erste hatte vom Bundesrat verlangt, eine Informationskampagne durchzuführen, welche internationale Firmen über das duale schweizerische Bildungssystem aufklärt und sie motiviert, Lehrstellen anzubieten; da die Kantone bereits entsprechende Marketingmassnahmen unternehmen, sei ein Engagement des Bundes laut Bundesrat nicht nötig. Der zweite Vorstoss forderte Projekte, welche arbeitslosen Jugendlichen den Einstieg ins Erwerbsleben oder in eine Ausbildung erleichtern; dem hielt die Regierung entgegen, dass das Berufsbildungsgesetz keine gesetzliche Grundlage für Beiträge an Arbeitslosenprojekte biete, das Arbeitslosenversicherungsgesetz sehe jedoch entsprechende Massnahmen vor. In Bezug auf die dritte Motion erklärte der Bundesrat, es seien bereits genügend Zwischenlösungen und Brückenangebote für Jugendliche ohne Lehrstelle vorhanden, die von der Motionärin angeregten Basislehrjahre fügten sich nicht in den bewährten Berufsbildungsmechanismus ein, da die Jugendlichen ein Bildungsangebot besuchen würden, ohne über eine vorgängige Zusage zu einer späteren Lehrstelle zu verfügen. Abgelehnt wurde ferner ein Postulat Hofmann (sp, AG) für eine bessere Gestaltung des Übergangs von der Volksschule in die Berufsbildung, insbesondere für benachteiligte Jugendliche; hier existierten laut Bundesrat ebenfalls bereits Angebote. Mit 21:20 Stimmen hiess der Ständerat hingegen eine Motion Berset (sp, FR) gut, welche eine rasche Umsetzung der individuellen Begleitung von Lehrlingen und Lehrtöchtern mit schulischen Schwierigkeiten forderte; Bundesrat Deiss hatte vergeblich vor einem Eingriff in die Kompetenzen der Kantone gewarnt
[25].
Im Berichtsjahr behandelte der
Nationalrat das
Medizinalberufegesetz (MedBG); ihm unterstellt sind Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Tierärztinnen und Tierärzte und neu auch Chiropraktorinnen und Chiropraktoren. Das MedBG ist so flexibel gestaltet, dass der Bundesrat später weitere Medizinalberufe hinzufügen kann. Eintreten war unbestritten. In der Detailberatung folgte die grosse Kammer weitgehend dem Entwurf des Bundesrates. Auf Antrag ihrer SGK beschloss sie mit 73:70 Stimmen, dass die Kantone keine weiteren als die im Gesetz als universitäre Medizinalberufe definierten Berufe bezeichnen können. Eine Minderheit, unterstützt von Bundesrat Couchepin, hatte den Kantonen diese Kompetenz einräumen wollen. Einstimmig nahm der Rat einen Antrag Gutzwiller (fdp, ZH) an, wonach auch die Palliativmedizin, d.h. die Behandlung und Pflege von unheilbar Kranken, Teil der Weiterbildung von Medizinalpersonen bildet. Einigkeit bestand auch darin, dass Ärzte und andere Medizinalpersonen über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügen sollen. Mit 100:60 Stimmen sprach sich der Nationalrat auf Antrag von Humbel Näf (cvp, AG) jedoch dafür aus, diese Versicherung nicht als Voraussetzung für die Berufsausübungsbewilligung zu definieren, sondern als Berufspflicht. Bei den Berufspflichten betonte der Rat, dass das Medizinalpersonal die Rechte der Patientinnen und Patienten zu wahren habe. Mit 88:82 Stimmen folgte er ferner einem Minderheitsantrag Triponez (fdp, BE) und strich eine Bestimmung, welche Medizinalpersonen nur objektive und dem öffentlichen Bedürfnis entsprechende Werbung erlaubt, die weder irreführend noch aufdringlich ist. Der Passus sei überflüssig und führe zu Auslegungsschwierigkeiten und Unsicherheiten. Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag, bei der Zusammensetzung der Medizinalberufekommission neben Vertretungen des Bundes, der Kantone, der universitären Hochschulen und der betroffenen Berufskreise auch Patientenorganisationen zu berücksichtigen. Die Vorlage passierte die Gesamtabstimmung mit 160:1 Stimmen
[26].
Im Sommer gab der Bundesrat das
Bundesgesetz über die Psychologieberufe in die Vernehmlassung. Schwerpunkt des Gesetzesentwurfes bilden der Gesundheitsschutz und der Schutz gegen Täuschung und Irreführung bei der Ausübung von Psychologieberufen
[27].
[19]
NZZ, 1.7. und 15.9.05;
LT und
SGT, 15.7.05. Siehe auch die Antworten des BR auf die Interpellationen Häberli (cvp, TG) und Weyeneth (svp, BE) in
AB NR, 2005, Beilagen II, S. 551 f. und 591 f.
[20]
AB NR, 2005, S. 454 und Beilagen I, S. 506.
[21]
AB SR, 2005, S. 496 f.;
NF, 8.6.05;
24h, 22.6.05;
TA, 28.7.05; vgl.
SPJ 2004, S. 223.
[22]
AB SR, 2005, S. 499 f.; siehe auch die Antworten des BR auf die Interpellationen Vollmer (sp, BE) und Vaudroz (fdp, VD) in
AB NR, 2005, Beilagen II, S. 544 und Beilagen IV, S. 419 f.
[23] Presse vom 4.2., 8.2. und 11.-12.2.05; siehe auch den Beitrag von Chantal Galladé (sp, ZH) in
NZZ, 22.2.05 und die Sonderbeilage „Bildung und Erziehung“ der
NZZ, 26.4.05.
[24] Presse vom 11.-12.11. und 24.11.05.
[25]
AB NR, 2005, S. 51 ff. (pa. Iv.), 862 ff., 897 ff., 907 f., 936 ff. und 1990 sowie Beilagen IV, S. 66 f. (Verlängerung eines Po. Galladé (sp, ZH) betreffend ein umfassendes Ausbildungsfinanzierungskonzept);
AB SR, 2005, S. 497 ff. (Berset) und 1076 ff. (Vollmer); siehe auch die Antworten des BR auf die Fragen Wyss (sp, BE) und Amherd (cvp, VS), eine Interpellation Wyss (sp, BE) und eine Anfrage Galladé (sp, ZH) in
AB NR, 2005, S. 160 (Integration Jugendlicher mit Schwierigkeiten) und 758 (Lehrstellenangebot im ländlichen Raum) sowie Beilagen I, S. 448 ff. (niederschwellige Lehrstellenangebote) und Beilagen III, S. 104 (Lehrstellenmarkt bei den öffentlichen Verwaltungen).
[26]
AB NR, 2005, S. 924 ff. und 1356 ff.; vgl.
SPJ 2004, S. 225. Siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Rossini (sp, VS) in
AB NR, 2005, Beilagen II, S. 158 ff.
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