Année politique Suisse 2005 : Enseignement, culture et médias / Médias / Radio und Fernsehen
print
Radio- und Fernsehgesetz
Als Zweitrat befasste sich der Ständerat in der Frühlingssession mit der Totalrevision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG). Nachdem der Nationalrat das revidierte RTVG in der Frühlingssession 2004 gutgeheissen hatte, war im Ständerat Eintreten unbestritten. Kommissionssprecher Escher (cvp, VS) hob in der Eintretensdebatte das Hauptmerkmal dieser Revision hervor, nämlich einen Ausgleich zwischen der SRG und den privaten Anbietern. Auch Bundesrat Leuenberger lenkte die Aufmerksamkeit auf die Erleichterung des Marktzutritts für Private. Die Dualität, die sich durch die gesamte Detailberatung und die vielfältigen Anträgen zog, lautete: „eine starke, aber nicht allmächtige SRG einerseits und gestärkte private Veranstalter andererseits“. So wurde immer wieder für bessere Bedingungen für Private plädiert, allerdings stets unter Betonung der Wichtigkeit des Service public, auch bei privaten Programmveranstaltern. Unablässig und über Parteigrenzen hinweg wurden die Berücksichtigung aller Sprachregionen und der politisch identitätsstiftende Beitrag der SRG betont. Die Beratung zog sich über mehrere Tage hinweg und war von vielen Minderheits- und Mehrheitsanträgen gekennzeichnet. Die Differenzbereinigung konnte 2005 noch nicht abgeschlossen werden [23].
In der Detailberatung lehnte der Ständerat die vom Nationalrat beschlossene Zulassung der politischen und religiösen Werbung bei den privaten Stationen ab. Die Werbung für Wein und Bier bei privaten Sendern fand hingegen auch in der kleinen Kammer Zustimmung. Sie lehnte es aber mit 18:17 Stimmen ab, das für die SRG geltende Alkohol- und Tabakwerbeverbot auch auf die Programm- und Werbefenster ausländischer Fernsehsender auszuweiten. Weitere Differenzen zum Nationalrat gab es bei der Unterbrecherwerbung und beim Sponsoring. Die Unterbrecherwerbung wurde gänzlich untersagt, das Sponsoring hingegen auch für Radiosender zugelassen [24].
Beim Gebührensplitting zugunsten der privaten Veranstalter standen fünf Varianten zur Diskussion. Die vom Nationalrat vorgenommene Aufteilung in einen Topf für das Fernsehen und einen für das Radio wurde bestätigt. Anstelle der von der grossen Kammer beschlossenen Obergrenze von je 4% legte der Ständerat die zu verteilenden Anteile an den Gebühren auf 3-5% für Radio- und 2-5% für Fernsehveranstalter fest. Die vom Nationalrat eingeführte Bestimmung, die Anzahl der Konzessionen auf zwei Fernseh- und zwei Radiosender je Unternehmen zu beschränken, fand in der kleinen Kammer keine Zustimmung und wurde ersatzlos gestrichen. Nicht einverstanden war eine Mehrheit im Ständerat auch mit der vom Nationalrat beschlossenen Herauslösung der Nutzungsforschung und der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (UBI) aus dem Bereich der SRG. In der Gesamtabstimmung hiess der Ständerat die Gesetzesrevision mit 23 zu 0 Stimmen gut [25].
In der Herbstsession begann der Nationalrat mit der Differenzbereinigung, welche aber im Berichtsjahr noch nicht beendet werden konnte. Er schloss sich bei der politischen und religiösen Werbung sowie beim Sponsoring dem Ständerat an. Bei allen anderen wichtigen Differenzen beharrte er jedoch auf seinen Positionen. Er hielt am Verbot für Wein- und Bierwerbung in den ausländischen Programmfenstern fest, sprach sich für einen fixen Satz von 4% der zu verteilenden Gebühren aus (in erster Lesung hatte er sich für einen Maximalsatz von 4% ausgesprochen), wollte nur höchstens je zwei Fernseh- und Radiokonzessionen pro Anbieter vergeben, und hielt daran fest, die Nutzungsforschung und die UBI als von der SRG unabhängige Institutionen neu zu gründen [26].
Der Ständerat konnte in der Wintersession nicht alle Differenzen ausräumen. Er gab zwar beim Verbot der Alkoholwerbung in ausländischen Programm- und Werbefenstern und auch bei der Verselbständigung der Nutzungsforschung nach. Beim Gebührensplitting fasste er einen Kompromissentscheid: Er verzichtete auf eine Differenzierung zwischen Radio- und Fernsehstationen, lehnte aber einen fixen Satz weiterhin ab und schlug für beide einen Anteil von 3% bis 5% vor. Mit der Beschränkung der Anzahl Konzessionen je Anbieter und der Neustrukturierung der UBI konnte er sich immer noch nicht befreunden [27].
Im Rahmen des Media-Abkommens mit der EU (Bilaterale II) wurde die Radio- und Fernsehverordnung an die EU-Normen angepasst. Überregionale Fernsehstationen müssen somit den Hauptteil ihrer Programme europäischen Werken widmen. Ausserdem müssen mindestens 10% der Sendungen von unabhängigen Produzenten stammen [28].
 
[23] AB SR, 2005, S. 44 ff. Siehe SPJ 2004, S. 243 ff.
[24] AB SR, 2005, S. 60 ff. und 191 ff.
[25] AB SR, 2005, S. 87 ff.
[26] AB NR, 2005, S. 1108 ff. und 1275 ff.
[27] AB SR, 2005, S. 933 ff.
[28] NZZ, 3.11.05. Siehe auch SPJ 2004, S. 245.