Année politique Suisse 2006 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires / Regierung
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Kollegialitätssystem
Im Zusammenhang mit der von einer Subkommission der Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte vorgenommenen Abklärung der Informationspolitik der Landesregierung Ende November 2005 bei ihren Entscheiden über die Geschäftsstrategie der Swisscom reichte die GPK des Nationalrats eine Motion ein. Sie verlangt darin vom Bundesrat eine klare Definition seiner Rolle als Eigner von Unternehmen, die sich mehrheitlich in Bundesbesitz befinden. Nachdem der Bundesrat erklärt hatte, Massnahmen zur Entwicklung einer genaueren Definition seiner Unternehmenspolitik seien bereits eingeleitet, überwiesen der Nationalrat und nach ihm auch der Ständerat die Motion. Der Bundesrat verabschiedete im Herbst einen entsprechenden Bericht und leitete ihn dem Parlament zu. In ihrem eigenen Untersuchungsbericht kritisierte die GPK sowohl die Art der Beschlussfassung als auch die Kommunikationspolitik der Landesregierung im Fall Swisscom [8].
Die SPK des Nationalrats beantragte dem Plenum, der parlamentarischen Initiative Wobmann (svp, SO) für die Veröffentlichung der namentlichen Abstimmungsresultate im Bundesrat keine Folge zu geben [9].
Der Nationalrat lehnte es mit 118 zu 34 Stimmen ab, ein von Simoneschi (cvp, TI) mit einer Motion gefordertes Gesetz mit Sanktionen für die Verletzung des Kollegialitätsprinzips zu schaffen. Auch der Bundesrat hatte dagegen opponiert und angeführt, dass sich die Regeln des Kollegialitätsprinzips nicht genau definieren lassen und die Anwendung des Gesetzes daher nicht praktikabel wäre [10].
Im Zentrum von Diskussionen über die Zusammenarbeit im Bundesrat und über das Verhalten einzelner Mitglieder stand auch im Berichtsjahr Bundesrat Christoph Blocher. Besonders heftig waren die Reaktionen auf seine Rede an einer SVP-Veranstaltung am 20. Januar im Albisgüetli in Zürich. Er hatte dort zwei albanische Asylbewerber als Kriminelle tituliert und die Asylrekurskommission (ARK) angegriffen, welche zum Schluss gelangt war, dass die Anschuldigungen des albanischen Staates gegen die beiden aus politischen Gründen fingiert seien. Nachdem Blocher vor dem Ständerat abgestritten hatte, die beiden als Kriminelle bezeichnet zu haben, eröffnete die GPK des Ständerats eine Untersuchung. In ihrem Bericht kritisierte sie Blocher dafür, vor dem Ständerat die Unwahrheit gesagt zu haben. Sie rügte den Justizminister zudem wegen der Nichtbeachtung der Unschuldsvermutung bei den beiden Asylbewerbern und wegen seiner öffentlichen Kritik an den Urteilen der ARK. Derartige Aussagen beeinträchtigten, vor allem wenn sie vom Justizminister kämen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtssprechung. Konkrete Massnahmen beantragte die GPK aber nicht. Der Bundesrat seinerseits „bedauerte“, dass es eines seiner Mitglieder an der gebotenen Ausgewogenheit und Sachlichkeit habe fehlen lassen und teilte die Haltung der GPK bezüglich der Respektierung der Gerichte durch die Exekutive. Auch der Präsident des Bundesgerichts, Guisep Nay, hatte Blocher für seine unvollständige Darstellung und seine Kritik an Gerichtsurteilen getadelt [11]. Bundesrat Blocher selbst entschuldigte sich an einer Medienkonferenz Ende März dafür, dass er von „Kriminellen“ und nicht von „mutmasslichen Kriminellen“ gesprochen habe [12].
 
[8] AB NR, 2006, S. 649 f.; AB SR, 2006, S. 886 f.; NLZ, 29.3.06. Bericht des BR: BBl, 2006, S. 8233 ff.; NZZ, 14.9.06. Siehe dazu auch unten, Teil I, 6b (Post und Telekommunikation). Vgl. SPJ 2005, S. 31.
[9] Pa.Iv. 05.423. Siehe SPJ 2005, S. 31.
[10] AB NR, 2006, S. 586 ff. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Stöckli (sp, BE) in AB NR, 2006, IV, Beilagen, S. 338 f.; im SR fand eine kurze Debatte über eine entsprechende Interpellation Inderkum (cvp, UR) mit Beteiligung von BR Leuenberger statt (AB SR, 2006, S. 239 ff.).
[11] BBl, 2006, S. 9051 ff. (GPK) und 9095 f. (BR); BZ, 25.1. und 30.1.06 (Nay); TA, 28.3.06; Presse vom 12.7.06.
[12] AZ, 29.3.06; Presse vom 30.3.06. Zu den umstrittenen Äusserungen Blochers zum Anti-Rassismusgesetz anlässlich eines Besuchs in der Türkei siehe Presse vom 6.10. und 7.10.06 sowie oben, Teil I, 1b (Grundrechte).