Année politique Suisse 2006 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires
Parlament
Nach deren Annahme durch den Ständerat befasste sich auch der Nationalrat mit der parlamentarischen Initiative von Pierre-Alain Gentil (sp, JU) und dem gleichzeitig eingereichten und gleichlautenden Vorstoss von Nationalrat Dupraz (fdp, GE) für die Ersetzung des heutigen Systems der vier Sessionen à drei Wochen (plus eine zum Usus gewordene einwöchige Sondersession im Frühjahr) durch einen
neuen Rhythmus mit einer Sessionswoche pro Monat. Auf Antrag ihrer SPK lehnte die grosse Kammer beide Initiativen im Verhältnis zwei zu eins ab. Das wichtigste Argument der Gegner war, dass damit die zeitliche Belastung für einen Milizparlamentarier noch grösser würde, da er sich praktisch permanent mit politischen Geschäften befassen müsste. Der Ständerat gab nach und beschloss in einer zweiten Abstimmung, der Initiative ebenfalls keine Folge zu geben
[27].
Mit dem neuen Parlamentsgesetz aus dem Jahre 2002 hatte das Parlament auch strengere Regeln für die
Unvereinbarkeit zwischen einem Parlamentsmandat und Tätigkeiten für den Bund oder ihm nahe stehende Institutionen eingeführt. Diese Bestimmungen, die erstmals in der neuen Legislatur nach den Nationalratswahlen vom Herbst 2007 angewendet werden, galt es nun zu präzisieren. Die Büros der beiden Ratskammern gaben zu Beginn des Berichtsjahres ihre Vorschläge für die detaillierte Auslegung dieser Norm bekannt. Unvereinbar mit einem Parlamentsmandat sind demnach alle Funktionen als Direktor, Geschäftsführer, Verwaltungs- oder Stiftungsratsmitglied in Institutionen, welche vom Bund beaufsichtigt oder zu mindestens 50% mitfinanziert werden, oder bei denen er sonst eine beherrschende Stellung ausübt. Dazu gehören auch solche, die (wie etwa die Stiftung Schweizerischer Nationalpark) nur ideellen Zwecken dienen. Die nicht abschliessende Liste zählt mehr als 30 Institutionen auf, bei denen in Zukunft die Ausübung einer leitenden Funktion nicht mehr mit einem Parlamentsmandat vereinbar sein wird. Darunter befinden sich mehrere, welche in ihren Leitungsorganen bisher stets auch Parlamentarier aufwiesen (u.a. Pro Helvetia, Nationalfonds, Post). Der Bundesrat war mit diesen neuen Regeln einverstanden und schlug vor, für Parlamentsmitglieder auch die Tätigkeit in ausserparlamentarischen Kommissionen (so genannte Expertenkommissionen) zu verbieten. Der Ständerat hiess die neuen Unvereinbarkeitsregeln gut. Er änderte aber den Antrag des Bundesrates in dem Sinne ab, dass der Ausschluss aus Expertenkommissionen nur für Gremien mit Entscheidungsfunktionen, nicht aber für solche mit reinen Beratungsfunktionen gelten soll
[28].
Das Büro des Nationalrats beantragte mit einer parlamentarischen Initiative, die rechtlichen Voraussetzungen für den
elektronischen Versand von vertraulichen Kommissionsunterlagen zu schaffen. Diese Akten werden damit im Intranet für Berechtigte zugänglich. Beide Parlamentskammern hiessen die Neuerung in der Herbstsession gut. Damit sind rechtlich auch die wichtigsten Voraussetzungen für die Umsetzung der von einer Motion Noser (fdp, ZH) geforderten vollständig elektronischen Führung aller schriftlichen Verhandlungsunterlagen sowohl in den Kommissionen als auch im Plenum geschaffen
[29].
Im April begann die umfassende
Sanierung des zentralen Teils des Bundeshauses, des
Parlamentsgebäudes. Im 104 Jahre alten Bau soll nach Möglichkeit der ursprüngliche Zustand, wie er vor dem Einbau von Büros und Teilwänden bestand, wieder hergestellt werden. Aussen werden Dachkuppeln, Sandsteinmauern und Dächer gereinigt und repariert; innen werden nicht mehr gebrauchte technische Anlagen (z.B. die Kessel der Kohleheizung) eliminiert und die Arbeitsräume der Medienschaffenden aufgehoben. Letzteres wurde möglich durch den Bau eines neuen Medienzentrums auf der gegenüberliegenden Strassenseite, welches im Berichtsjahr eröffnet wurde
[30]. Die Parlamentarier wichen den Bauarbeiten teilweise aus, indem sie nach Genf und Lugano nun auch noch die Region der vierten Landessprache besuchten: Sie hielten die Herbstsession in Flims (GR), also am Rande des rätoromanischen Sprachgebiets ab
[31].
Der Nationalrat stimmte einem Postulat Huguenin (pda, VD) für eine vermehrte
Nutzung des Parlamentsgebäudes für öffentliche Veranstaltungen oppositionslos zu. Die Postulantin stellt sich dabei die Verwendung von Räumen für allgemein zugängliche Veranstaltungen und Ausstellungen vor, wobei auch ein Abbau von Sicherheitsmassnahmen in Kauf zu nehmen sei
[32].
Ein recht grosser Teil der Mitglieder des Nationalrats nahm die Gelegenheit wahr, sein Misstrauen oder zumindest
Unbehagen gegenüber den akkreditierten Bundeshausjournalisten auszudrücken. Mit 105 zu 52 Stimmen überwies der Rat eine Motion Stahl (svp, ZH), welche ein Verzeichnis verlangt, in dem öffentlich aufgelistet wird, welchen Parteien, Verbänden und anderen politischen Organisationen diese Medienschaffenden angehören. Der Ständerat lehnte dieses Begehren als Gesinnungsschnüffelei ab; auf Antrag seiner SPK überwies er aber eine abgeänderte Motion Stahl, welche den Bundesrat auffordert, im Rahmen der ohnehin laufenden Revision der Akkreditierungsverordnung eine Offenlegungspflicht zu prüfen
[33].
Keine Chance hatte hingegen die parlamentarische Initiative Huguenin (pda, VD), die
minimale Grösse einer Fraktion von fünf auf drei Personen zu senken. Hintergrund ihres Vorstosses waren die Nachteile für fraktionslose Parlamentsmitglieder (keine Kommissionssitze, weniger Redezeit, weniger finanzielle Entschädigungen). Der Sprecher der ablehnenden SPK gab zu bedenken, dass es nicht im Sinne einer speditiven Verhandlungsführung sei, wenn sich das Parlament in allzu viele Fraktionen aufsplittere. Die geltenden Gesetzesbestimmungen seien zudem derart offen, dass auch Kleinstparteien die Möglichkeit hätten, sich zu einer gemeinsamen Fraktion zu vereinigen. Wenig später sprach sich der Nationalrat auch gegen eine weitere parlamentarische Initiative Huguenin aus, welche ein besonderes Statut für fraktionslose Abgeordnete verlangte, damit diese gegenüber Fraktionsmitgliedern nicht benachteiligt sind. Konkret erwähnte sie als zu eliminierende Nachteile den Ausschluss von Kommissionen und die niedrigeren finanziellen Entschädigungen
[34].
Die gemessen an der Bevölkerungszahl bestehende Übervertretung der kleinen Kantone (und der bürgerlichen Parteien) im
Ständerat veranlasste Nationalrat Zisyadis (pda, VD), dessen Umwandlung in eine Regionskammer zu fordern. Deren 46 Mitglieder würden in sieben etwa gleich grossen Regionen nach dem Proporzsystem gewählt. Dieser parlamentarischen Initiative wurde mit 139 zu 33 Stimmen keine Folge gegeben
[35].
[27]
AB NR, 2006, S. 472 ff.;
AB SR, 2006, S. 310 f. Vgl.
SPJ 2005, S. 35. Siehe auch
Lit. Parlament.
[28]
BBl, 2006, S. 4043 ff. und 8009 ff. (BR);
AB SR, 2006, S. 1220 ff.;
TA, 15.8.06;
NZZ, 23.9.06.
[29]
BBl, 2006, S. 7529 ff. und 7537 f. (BR);
AB NR, 2006, S. 1192 f. und 1606;
AB SR, 2006, S. 802 f. und 926. Die Motion Noser fand zwar Anerkennung durch das Ratsbüro, wurde aber nicht überwiesen (
AB NR, 2006, S. 1573 sowie IV, Beilagen, S. 448 f.).
[30]
NZZ, 7.4.06;
BZ, 24.6.06 (Medienzentrum);
Bund, 1.12.06.
[31]
TA, 24.8.06;
NZZ, 9.9.06; Presse vom 18.9. und 19.9. sowie 6.10. und 7.10.06. Vgl. dazu
SPJ 2004, S. 32. Die Wintersession fand dann wieder in Bern statt, obwohl die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren.
[32]
AB NR, 2006, S. 492.
[33]
AB NR, 2006, S. 588 f.;
AB SR, 2006, S. 1159.
[34]
AB NR, 2006, S. 656 ff. und 919 f.
[35]
AB NR, 2006, S. 663.
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