Année politique Suisse 2006 : Economie / Crédit et monnaie
 
Geld- und Währungspolitik
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Geldmenge
Die Nationalbank setzte ihre seit 2004 verfolgte Politik der Abschöpfung der bis 2003 etwas zu stark expandierten Geldmenge fort. Dies tat sie primär mit ihrer Zinspolitik. Nach einer ersten Heraufsetzung der angestrebten Zielgrösse für den Libor-Satz (Zins für Dreimonats-Gelder in Franken in London) im März um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25% (Zielband: 0,75-1,75%) folgten im Gleichschritt mit der Europäischen Zentralbank drei weitere Anpassungen um jeweils 0,25%, bis im Dezember eine Bandbreite des Libor-Satzes von 1,5%-2,5% erreicht war [1].
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Währung
Der Frankenkurs bewegte sich gegenüber dem Euro in einem engen Bereich zwischen 1.54 Fr. und 1.60 Fr. Obwohl die oben erwähnten Zinssatzerhöhungen parallel zu jenen der Europäischen Zentralbank vorgenommen worden waren, stieg der Eurokurs gegenüber dem Frankenkurs im Jahresverlauf kontinuierlich leicht an. Der Dollar büsste hingegen die Wertgewinne des Vorjahres gegenüber dem Franken wieder weitgehend ein. Der handelsgewichtete Kurs des Frankens ging im Berichtsjahr sowohl nominal als auch real leicht zurück [2].
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Zinsen
Die Geldmarktsätze stiegen, wie von der Nationalbank mit der in vier Schritten vollzogenen Erhöhung des Richtwertes für das Zinszielband angestrebt, im Verlauf des Berichtsjahres stetig an. Der Libor-Satz (Zins für Dreimonats-Franken in London) erhöhte sich von Anfang bis Ende Jahr von rund 1% auf ca. 2%. Damit verkleinerte sich der Abstand zu den langfristigen Zinssätzen. Letztere waren zwar zu Jahresbeginn von rund 2% auf fast 3% angestiegen (Zins für 10-jährige Bundesanleihen), hatten dann aber wieder auf rund 2,5% nachgegeben [3].
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Kapitalmarktregulierung
Der Nationalrat befasste sich in der Frühjahrssession als Erstrat mit der Totalrevision des Anlagefondsgesetzes (Gesetz über kollektive Kapitalanlagen). Die Kommissionsmehrheit schlug eine ganze Reihe von Änderungen vor, die ihrer Meinung nach noch besser als der Entwurf der Regierung geeignet waren, den Finanzstandort Schweiz im internationalen Wettbewerb zu stärken. Heftig umstritten war dabei der Antrag, die Investment- und Beteiligungsgesellschaften, die in der Form einer Aktiengesellschaft organisiert sind (so genannte SICAF), aus dem Geltungsbereich des Gesetzes auszuklammern. Dies bekämpften die Linke und eine Mehrheit der CVP als Abbau des Anlegerschutzes, der Rat nahm ihn aber knapp (89 zu 75 Stimmen) an. Gleich erging es auch allen anderen von der Linken und teilweise auch vom Bundesrat unterstützten Anträgen, die sich gegen die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen weniger restriktiven Bestimmungen wandten. In der Gesamtabstimmung lehnten die SP und die GP deshalb das neue Kollektivanlagengesetz geschlossen ab.
In der kleinen Kammer war Eintreten ebenfalls unbestritten. Der Ständerat beschloss aber einige Differenzen zum Nationalrat. Allerdings war keine davon grundlegend oder führte die Vorlage wieder vollständig auf den, die Anliegen der SP in Bezug auf Anlegerschutz besser entsprechenden bundesrätlichen Entwurf zurück. Die gewichtigste Änderung betraf den Geltungsbereich. Vom Gesetz ausnehmen wollte der Ständerat nur diejenigen als Aktiengesellschaft organisierten Fonds (SICAF), die sich ausschliesslich an qualifizierte (d.h. professionelle) Anleger richten oder an einer schweizerischen Börse kotiert sind. Der Nationalrat stimmte diesem Kompromiss zu. Das Parlament verabschiedete die Vorlage bereits in der Sommersession. Obwohl die Linke mit ihren Vorschlägen durchwegs unterlegen war, lehnte sie in der Schlussabstimmung das neue Kollektivanlagengesetz nicht ab [4].
Anfangs Jahr veröffentlichte der Bundesrat seinen Entwurf für ein Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMAG). Ziel dieses Vorhabens ist es, die staatliche Aufsicht über Banken, private Versicherungen und weitere Finanzintermediäre in einer Behörde zusammenzufassen. Konkret sollen die drei bestehenden Aufsichtsorgane (Eidgenössische Bankenkommission, Bundesamt für Privatversicherungen und Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei) in die neue „Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA)“ zusammengeführt werden. Notwendig sei diese Konzentration wegen der dynamischen Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten sowie der immer grösseren Komplexität der Geschäfte, welche die Finanzmarktaufsicht kontrollieren muss. Die neue Organisation FINMA soll die schweizerische Finanzmarktaufsicht stärken und ihr als Gesprächspartner mit ausländischen Institutionen ein grösseres Gewicht verleihen, als es heute die drei sektoriellen Organe besitzen. Das neue Gesetz will zudem die Sanktionsmöglichkeiten vereinheitlichen. Der gesetzlich umschriebene Auftrag der Aufsichtsbehörde wird durch die Schaffung einer integrierten Aufsicht nicht verändert und berücksichtigt damit die Besonderheiten der verschiedenen Aufsichtsbereiche. So müssen die Banken weiterhin die Anforderungen des Bankengesetzes, die Versicherungsunternehmen diejenigen des Versicherungsaufsichtsgesetzes und die Anlagefonds diejenigen des Anlagefondsgesetzes erfüllen. Auch das System der Selbstregulierung, wie es das Geldwäschereigesetz und das Börsengesetz vorsehen, will der Bundesrat beibehalten [5].
Zu dem vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebenen Vorentwurf für eine Verschärfung des Geldwäschereigesetzes siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
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Nationalbank
Die GPK des Nationalrats publizierte im Februar ihren Untersuchungsbericht zur Ausschüttung der ausserordentlichen Gewinne, welche bei der Nationalbank aus dem Verkauf der nicht mehr für die Währungspolitik benötigten Goldreserven entstanden waren. Nachdem sich die beiden Parlamentskammern nicht hatten einigen können, hatte der Bundesrat (und nach ihm auch die zuständigen Gremien der Nationalbank) 2005 beschlossen, den bei der Verteilung der normalen SNB-Gewinne verfassungsmässig vorgeschriebenen Verteilschlüssel anzuwenden (zwei Drittel für die Kantone, einen Drittel für den Bund). Insbesondere die SP hatte damals dagegen protestiert. Die GPK-NR bemängelte in ihrem Bericht, dass die 21 Mia Fr. innerhalb von nur drei Monaten verteilt wurden, was ihrer Meinung nach dem bei der Gewinnausschüttung angewandten Prinzip der Verstetigung widerspricht. Sie kritisierte auch, dass die getroffene Lösung weder vom Parlament noch vom Volk beschlossen worden war. Sie kam allerdings zum Schluss, dass die Anwendung des üblichen Verteilschlüssels insgesamt der Rechtsordnung entsprochen habe. Um aber bei allfälligen weiteren ausserordentlichen Goldverkäufen ein Mitbestimmungsrecht des Parlaments zu sichern, reichte sie eine entsprechende Motion ein. Der Bundesrat wies diese Kritik vollumfänglich als unbegründet zurück. Auf die bei den normalen Gewinnen von den Kantonen gewünschte Verstetigung der Ausschüttungen (d.h. ihre Glättung über mehrere Jahre hinweg) habe er mit ausdrücklichem Einverständnis der Kantone in diesem Fall verzichtet. Der Vorwurf, dass sich Parlament und Volk nicht hätten äussern können, sei angesichts der zwei Volksabstimmungen (SVP-Gold-Initiative und Solidaritätsstiftung) und der Unfähigkeit der beiden Parlamentskammern, sich auf eine Lösung zu einigen, fehl am Platz [6].
Am 24. September entschieden Volk und Stände über die Volksinitiative „Nationalbankgewinne für die AHV“ (KOSA-Initiative). Diese verlangte die Zuweisung der ordentlichen Jahresgewinne der SNB (minus eines Gewinnanteils von einer Mia Fr. an die Kantone) an die AHV [7].
Die Fronten verliefen sehr klar. SP, GP, EVP, CSP, SD sowie die Gewerkschaften unterstützten das Volksbegehren. Obwohl die SP die Initiative nicht selbst lanciert hatte, sondern bloss ihr angehörende oder nahe stehende Personen, deklarierte sie sie zu einem wichtigen Parteianliegen. Während der Abstimmungskampagne führte die SP ins Feld, dass mit diesem Zuschuss die AHV noch auf mindestens ein Jahrzehnt hinaus ohne Beitrags- oder Mehrwertsteuererhöhung und ohne Leistungskürzungen sicher finanziert werden könnte. Die bürgerlichen Parteien, die Nationalbank und die Unternehmerverbände waren ebenso geschlossen gegen die Volksinitiative. Sie argumentierten, dass die angestrebte Zusatzfinanzierung der AHV mit den Nationalbankgewinnen nicht sicher sei, da diese Gewinne grossen Schwankungen unterliegen, und dass die infolge des demographischen Wandels entstehenden Probleme mit dieser Zusatzfianzierung nicht gelöst, sondern nur verschoben würden. Zudem käme die Nationalbank mit der Erwartung einer möglichst hohen Gewinnablieferung an die AHV unter unzulässigen politischen Druck, was sowohl für die Erfüllung ihrer Aufgabe einer inflationsfreien Geldversorgung als auch für den Ruf den Finanzplatzes Schweiz negativ wäre. Letzteres wäre um so mehr der Fall, als in keinem anderen Land die Gewinne der Nationalbank zweckgebunden sind. Gegen die Initiative wandten sich auch die Kantonsregierungen, welche Mindereinnahmen in der Höhe von jährlich rund 660 Mio Fr. befürchten mussten [8].
Die Initiative wurde mit einem Nein-Stimmenanteil von 58,3% abgelehnt. Das Ergebnis fiel damit wesentlich klarer aus, als Meinungsumfragen, welche noch einen Monat vor dem Abstimmungstag die Befürworter in Front sahen, hatten erwarten lassen. Zustimmende Mehrheiten ergaben sich nur in den Kantonen Basel-Stadt, Genf und Tessin [9].
Volksinitiative „Nationalbankgewinne für die AHV“
Abstimmung vom 24. September 2006

Beteiligung: 48,8%
Ja: 973 831 (41,7%) / 2 ½ Stände
Nein: 1 359 514 (58,3%) / 20 ½ Stände

Parolen:
Ja: SP, GP, EVP (1*), SD, CSP; SGB, Travail Suisse.
Nein: SVP, FDP, CVP, LP, EDU, Lega; Economiesuisse, SGV, SBV, Arbeitgeberverband.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Gemäss Vox-Analyse hatten Personen aus dem linken Lager der Initiative weit überdurchschnittlich stark zugestimmt. Trotz des grossen Engagements der SP legten allerdings nur zwei von drei ihrer Sympathisanten ein Ja in die Urne. Bei den bürgerlichen Wählern kam die Forderung bei den SVP-Anhängern bedeutend besser an als beim Freisinn (30% resp. 15% Ja-Stimmen). Neben Linken stimmten Frauen, ältere Personen und Stimmende aus niedrigen Einkommensschichten überdurchschnittlich oft zu. Das Hauptargument für die Zustimmung war gemäss der Repräsentativbefragung die Sorge um die finanzielle Lage der AHV. Bei den Gegnern waren die Ablehnungsgründe vielfältiger; die Angst um die Unabhängigkeit der Politik der Nationalbank spielte dabei eine untergeordnete Rolle [10].
Nach der Ablehnung der Volksinitiative „Nationalbankgewinne für die AHV“ (KOSA-Initiative) durch Volk und Stände, konnte die 2005 vom Parlament beschlossene vollständige Überweisung des Bundesanteils von einem Drittel aus den ausserordentlichen Goldverkäufen in den AHV-Fonds in Kraft gesetzt werden [11].
 
[1] Schweizerische Nationalbank, 99. Geschäftsbericht 2006, Bern 2007, S. 24 ff.; NZZ, 17.3.06; BZ, 15.12.06.
[2] Schweizerische Nationalbank, 99. Geschäftsbericht 2006, Bern 2007, S. 26.
[3] Schweizerische Nationalbank, 99. Geschäftsbericht 2006, Bern 2007, S. 24 f.
[4] AB NR, 2006, S. 49 ff., 838 ff., 859 ff., 992 ff. und 1146; AB SR, 2006, S. 340 ff., 449 ff., 536 f. und 617; BBl, 2006, S. 5805 ff.; SHZ, 13.9.06. Vgl. SPJ 2005, S. 98 f.
[5] BBl, 2006, S. 2829 ff.; Bund und NZZ, 2.2.06. Zur Vernehmlassung siehe SPJ 2005, S. 89. Vgl. auch Schaerer, Barbara, „Die integrierte Finanzmarktaufsicht auf der Zielgeraden,“ in Die Volkswirtschaft, 2006, Nr. 11, S. 8-9.
[6] BBl, 2006, S. 6251 ff. und 6293 ff. (BR); TA, 14.2.06 (GPK-Bericht). Siehe SPJ 2005, S. 99. Nach Ansicht der SNB besteht in naher Zukunft kein Anlass für weitere Verkäufe von Goldreserven (AB NR, 2006, S. 864).
[7] Siehe SPJ 2005, S. 99.
[8] TA, 5.5.06 und NZZ, 24.6.06 (Kantone); TA, 30.5. (SP) und 31.7.06 (Zweckbindung); Presse vom August und September. Die einzige abweichende Kantonalsektion einer Partei war die EVP-SG mit ihrer Nein-Parole.
[9] BBl, 2006, S. 9455 ff.; Presse vom 25.9.06.
[10] Milic, Thomas / Scheuss, Urs, Vox – Analyse der eidgenössischen Volksabstimmungen vom 24. September 2006, Bern und Zürich 2006.
[11] BBl, 2006, S. 8195. Siehe SPJ 2005, S. 99. Vgl. dazu auch unten, Teil I, 7c (AHV).