Année politique Suisse 2006 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications / Post und Telekommunikation
Gegen Stimmen aus der SVP- und der FDP-Fraktion und gegen den Antrag des Bundesrates verabschiedete das Parlament eine Revision des Postorganisationsgesetzes, welche auf eine parlamentarische Initiative der CVP-Fraktion zurückgeht. Sie verlangt, dass die
Post in ihrer Organisation und in Bezug auf ihre Produktionsstruktur der
regionalen Vielfalt des Landes Rechnung trägt, soweit dies wirtschaftlich tragbar ist. Ziel ist die Aufrechterhaltung dezentraler Betriebsstrukturen sowie von Arbeits- und Ausbildungsplätzen
[58].
Um dem wachsenden internationalen Wettbewerb zu begegnen, beabsichtigt die Post, ihren Logistikbereich (u.a.
Paketpost, Expresssendungen (Swiss-Express), Kurierdienste (Swiss-Kurier) und Stückgutsendungen) bis 2007 in eine
Aktiengesellschaft umzuwandeln. Für die Angestellten der ausgelagerten Bereiche soll statt des Bundespersonalgesetzes neu ein spezieller „Gesamtarbeitsvertrag“ der Post gelten, den die Gewerkschaften mittragen. Bis auf geringfügige Unterschiede entspricht er den bisherigen Anstellungsbedingungen – mit Ausnahme des absoluten Kündigungsschutzes. Ein von der Post und den Gewerkschaften in Auftrag gegebenes Gutachten des Bundesamtes für Justiz kam zum Schluss, dass die Auslagerung der Paketpost wegen ihres Grundversorgungsauftrags unzulässig ist. Gestattet wurde die Verselbständigung der
Postautodienste per 1. Juli 2006
[59].
Der Bundesrat beauftragte das UVEK, für 2007 eine Revision des Post- und Postorganisationsgesetzes vorzubereiten, um den
Postmarkt weiter zu liberalisieren. Die flächendeckende Grundversorgung soll gewährleistet bleiben. Grund für die Revision ist, dass sich die Schweiz dem Öffnungsprozess des Postmarkts in der EU nicht entziehen kann und die Post auf Rahmenbedingungen angewiesen ist, die es ihr ermöglichen, in geöffneten Märkten erfolgreich zu bestehen. Konkret sieht das Projekt folgende Punkte vor: 1.) Umwandlung der Post von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt in eine private Aktiengesellschaft, wobei das Personal nicht mehr nach Bundespersonal-, sondern nach Obligationenrecht angestellt wird. Das ermöglicht eine Aufteilung und Auslagerung einzelner Unternehmensbereiche (Paketpost, Postauto, Postfinance etc.) in allenfalls auch private Partner- oder Tochtergesellschaften, die heute gemäss dem oben erwähnten Gutachten des Bundesamtes für Justiz für den Universaldienst nicht zulässig ist. 2.) Senkung des Briefmonopols analog zur EU (50 Gramm) eventuell bis hin zu einer vollständigen Aufhebung. 3.) Ersatz des Postgesetzes durch ein Postmarktgesetz, das die Privilegien der Post beseitigt und für alle Marktteilnehmer gleiche Chancen schafft. 4.) Definition und Garantie der postalischen Grundversorgung. Für den Fall, dass das Briefmonopol fällt, stellt der Bundesrat Varianten für die Finanzierung des Service public zur Diskussion wie Lizenzgebühren der privaten Konkurrenz, staatliche Subventionen, Reduktion der Grundversorgung oder neue Betätigungsfelder wie z.B. eine Postbank. 5.) Präzisierung der Kompetenzen und der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde zur Sicherung der Grundversorgung. Die Post reagierte positiv auf diese Pläne des Bundesrates. Kritisch äusserte sich die private Konkurrenz, wenig begeistert zeigten sich auch die Gewerkschaften
[60].
Ende Oktober gab die Post bekannt, die Kosten für ihr
Poststellennetz bis 2009 um jährlich 50 Mio Fr. zu reduzieren, ohne dieses weiter auszudünnen. Anlass für die erneute
Reorganisation sei gemäss Postchef Gygi die schwindende Frequentierung der Poststellen (2001-2005: Abnahme der Briefe um 37%, der Pakete um 40%, der Einzahlungen um 10%) und der damit verbundene Anstieg der Fixkosten. Konkret beabsichtigt die Post, kleine Postbüros durch Agenturen zu ersetzen, in denen Dritte das Sortiment der rund 30 am stärksten nachgefragten Postdienste bereithalten. Die rund 200 Agenturen neuen Stils werden nicht mehr aus einem Postschalter innerhalb eines anderen Geschäfts bestehen, sondern lediglich aus einer gelben Ecke mit Waage und Frankiermaschine. Zudem will die Post die Administration der verbleibenden Stellen regional zentralisieren, indem 200 grössere Lead-Poststellen für 2-20 Zweig-Poststellen verantwortlich sind. Die Reorganisation führe zum Abbau von 400-500 Stellen. SP, Grüne, Gewerkschaften und CVP befürchteten Kündigungen und einen Abbau beim Service public, SVP und FDP hingegen unterstützten die Anpassungen
[61].
Als Reaktion auf die Ankündigung Gygis forderten die Poststellenleiter
Arbeitsplatz- und Lohngarantien und drohten mit einem Streik kurz vor Weihnachten. In Neuenburg, Luzern und Lugano kam es zu Demonstrationen. Mitte Dezember einigten sich Post und Gewerkschaften auf die Grundsätze beim Umbau des Poststellennetzes: Die Post verzichtet auf Kündigungen und gewährt eine Lohngarantie. Die Leiter zurückgestufter Poststellen erhalten bis spätestens 2011 die heutigen Nominallöhne; ihren über 55-jährigen Kollegen wird das, zusammen mit einer Beschäftigungsgarantie, bis zum Pensionsalter zugesichert
[62].
Im Geschäftsjahr 2006 erwirtschaftete die Post einen
Konzerngewinn
von 837 Mio Fr. (3,2% mehr als im Vorjahr). Der Betriebsertrag stieg im Vergleich zu 2005 um 5,3% auf 7,895 Mia Fr., der Betriebsaufwand um 5,6% auf 7,072 Mia Fr. Wie schon in den beiden vorangegangenen Jahren trugen wiederum sämtliche Geschäftsfelder und -einheiten zum positiven Ergebnis bei. Ein höheres Betriebsergebnis als 2005 erzielten PostMail, die internationalen Dienstleistungen und die Neugeschäfte (GHP-Gruppe und MailSource), ein tieferes die Finanzdienstleistungen, der Personenverkehr, das Poststellennetz und die Philatelie. Auch im Berichtsjahr gingen die traditionellen in- und ausländischen Briefsendungen zurück. So wurden 1,8% weniger adressierte und 4,3% weniger unadressierte Briefsendungen verarbeitet als im Vorjahr. Noch kaum spürbar war die Öffnung des Marktes für Briefe über 100 Gramm
[63].
Der Nationalrat lehnte eine parlamentarische Initiative der SP-Fraktion im Vorprüfungsverfahren ab, welche die Post gesetzlich dazu verpflichten wollte,
abonnierte Tageszeitungen am Erscheinungstag zuzustellen. Die Ratsmehrheit vertrat die Auffassung, das Begehren schränke den Handlungsspielraum der Post zu stark ein. Die Minderheit hielt dem entgegen, von der verspäteten Zustellung seien insbesondere Regionalzeitungen betroffen. Für das Überleben kleinerer Lokalzeitungen sei es aber sehr wichtig, dass sie ihrer Leserschaft eine rechtzeitige Zustellung garantieren könnten
[64].
[58]
BBl, 2006, S. 3967 ff. (Kommission) und 3979 ff. (BR);
AB NR, 2006, S. 1071 ff. und 2045;
AB SR, 2006, S. 818 ff., 1130 ff. und 1265;
BBl, 2007, S. 3; Presse vom 3.10.06; vgl.
SPJ 2003, S. 172 f.
[59] Presse vom 22.2., 28.4. und 10.6.06; zur Zusammenarbeit zwischen der Post und dem Verband privater Postdienstleister im Bereich Paketpost siehe
QJ und
TA, 26.1.06; zur Zusammenarbeit zwischen Post und Mobility Carsharing siehe Presse vom 9.2.06.
[61] Presse vom 30.10. und 1.11.06.
[62] Presse vom 6.11., 27.-28.11. und 16.12.06. Bereits im November verständigten sich die Post und die Gewerkschaften Kommunikation und Transfair auf Lohnerhöhungen. Angestellte mit tieferen Löhnen erhalten 2007 2% mehr, jene mit höheren Gehältern 1,8% mehr Lohn. Weitere 0,4% der Lohnsumme werden für leistungsbezogene Massnahmen eingesetzt (Presse vom 18.11.06).
[63] Presse vom 25.3.06; zur Aufhebung des Monopols für Briefe ab 100 Gramm vgl.
SPJ 2005, S. 154 f.
[64]
AB NR, 2006, S. 711 f.
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