Année politique Suisse 2006 : Politique sociale / Population et travail
 
Arbeitswelt
Beide Kammern nahmen diskussionslos vom Bericht des Bundesrates zu den von der 92. und 93. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz verabschiedeten Empfehlungen, insbesondere von der Empfehlung Nr. 195 zur Entwicklung der Humanressourcen Kenntnis. Diese hält fest, dass Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Interessen von einzelnen Menschen, Unternehmen, der Wirtschaft und der Gesellschaft als Ganzes leisten [3].
Erstmals führte das Bundesamt für Statistik (BFS) eine Schätzung der durchschnittlichen Arbeitskosten in der Schweiz durch. Die Arbeitskosten umfassen die Gesamtheit aller von den Arbeitgebern im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Arbeitskräften getragenen Aufwendungen. Sie machen in der Regel den grössten Anteil der Produktionskosten aus und beliefen sich 2004 in der Industrie und in weiten Teilen des Dienstleistungssektors auf durchschnittlich 50,7 Fr. pro geleistete Arbeitsstunde. Die Arbeitskosten setzten sich zu 82,6% aus Löhnen und Gehältern, zu 14,8% aus Sozialbeiträgen der Arbeitgeber und zu 2,6% aus Kosten für die berufliche Bildung und die Personalrekrutierung sowie aus sonstigen Aufwendungen zusammen. 2002 hatten die Arbeitskosten 50,1 Fr. betragen. Im Zeitraum 2002-2004 nahmen sie um 1,2% zu, während sie zwischen 2000 und 2002 noch um 5% zugelegt hatten.
Die Arbeitskosten variieren stark von Land zu Land. Sie bilden einen Schlüsselindikator zum Vergleich der Attraktivität der einzelnen Wirtschaftsstandorte. Nicht nur innerhalb der EU als Ganzes (EU-25), sondern auch zwischen dem Norden und dem Süden der EU-15 bestehen Unterschiede. 2004 betrugen die Arbeitskosten in der Schweiz 32,9 € pro geleistete Arbeitsstunde. Damit bildet das Land zusammen mit Dänemark (30,7 €) und Belgien (30,0 €) die Spitzengruppe. Die Nachbarländer der Schweiz, deren Arbeitskosten das EU-15-Mittel übersteigen (Frankreich, Deutschland und Österreich), verzeichneten Werte zwischen 25 und 28 €. Von den südlichen Ländern der EU-15 mit unterdurchschnittlichen Arbeitskosten wurde einzig Portugal (9,6 €) durch ein neues Mitgliedsland der EU-25 übertroffen. 2004 reichte die Bandbreite der Arbeitskosten der Neumitglieder von 11,1 (Zypern) bis hinunter zu 3,0 € (Lettland) [4].
Für ausländische Unternehmen, die im Rahmen der Freizügigkeit bewilligungsfrei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für höchstens 90 Tagen in die Schweiz entsenden, steht ein sehr einfaches Meldeverfahren zur Verfügung. Umgekehrt trifft dies für Schweizer Unternehmen, die im EU-Raum tätig werden wollen, nicht überall zu. Gerade Nachbarländer der Schweiz verlangen zum Teil sehr komplizierte Anmeldeprozeduren. Gegenrecht ist also in diesem Bereich noch nicht durchgehend gewährleistet. Ausgehend von dieser Feststellung forderte der Nationalrat mit einer überwiesenen Motion Robbiani (cvp, TI) den Bundesrat auf, in der EU im Sinne der Reziprozität auf eine Vereinfachung bzw. Optimierung der Vorschriften hinzuwirken [5].
 
[3] BBl, 2006, S. 3199 ff. und 3205 ff.; AB SR, 2006, S. 508; AB NR, 2006, S. 1393.
[4] Presse vom 19.5.06.
[5] AB NR, 2006, S. 1573. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine noch nicht abschliessend behandelte Interpellation im NR (a.a.O., S. 2040).