Année politique Suisse 2006 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Forschung am Menschen
Nach mehrjähriger Vorarbeit schickte der Bundesrat im Februar einen Verfassungsartikel und einen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung, welche die Forschung am Menschen erstmals umfassend regeln. Das primäre Ziel des Gesetzes ist der Schutz der Würde und der Persönlichkeit. Es regelt so heikle Bereiche wie die Forschung an Kindern, Schwangeren und Embryonen im Mutterleib. Embryonen in vitro fallen nicht unter den Geltungsbereich des Gesetzes; für diese gelten weiterhin die Regeln des Stammzellenforschungsgesetzes, welche unter anderem das therapeutische Klonen verbieten. Versuche an Personen, die selber nicht urteilsfähig sind, sollen zugelassen sein, aber mit Auflagen. Hier unterscheidet der Gesetzesentwurf klar zwischen Eigen- und Fremdnutzen, d.h. die Auflagen sind weniger streng, wenn es beispielsweise um die Erforschung von Erbkrankheiten innerhalb einer Familie geht, als wenn die Wissenschaftler dabei ein übergeordnetes Forschungsprojekt verfolgen. Erstmals geregelt wird auch die Forschung an Verstorbenen, wobei es analog zur Entnahme von Organen der Zustimmung des Betroffenen zu Lebzeiten bedarf resp. der Einwilligung seiner nächsten Angehörigen. Das Gesetz regelt zudem den Umgang mit menschlicher Herkunft, wie etwa den Zugang zu Biobanken. Ethikkommissionen müssen die wissenschaftliche Qualität von Forschungsprojekten prüfen. Schliesslich sieht der Gesetzesentwurf die Schaffung eines Forschungsregisters vor, in dem alle Studien und Ergebnisse aufgeführt werden müssen [22].
Die Nationale Ethikkommission (NEK) hatte kurz zuvor ihre Stellungnahme zum geplanten Gesetz veröffentlicht. Der Schutz von keimendem menschlichem Leben und von betroffenen Frauen in ihrer Verletzbarkeit gegenüber Fremdinteressen ist das Grundanliegen der Kommission. Dem Embryo gebühre Schutzwürdigkeit, seine Würde nehme jedoch erst mit seiner Entwicklung graduell zu. Heilversuche an Ungeborenen seien äusserst streng zu beurteilen. Die Kommission hält „verbrauchende“ Embryonenforschung (Untersuchungen, die eine gesunde Weiterentwicklung des Embryos gefährden oder verunmöglichen) für zulässig, jedoch nur an überzähligen Embryonen aus der künstlichen Befruchtung im Blastozytenstadium (bis zu sechs Tage alt). Das therapeutische Klonen will die NEK zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erlauben, wobei dem Vernehmen nach nur eine Minderheit der Kommission dies aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnte [23].
 
[22] Presse vom 2.2.06. Siehe SPJ 2005, S. 186.
[23] Presse vom 11.1.06.