Année politique Suisse 2006 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Medienpolitische Grundfragen
Im Jahr 2006 gab in der Schweiz jeder Haushalt im Durchschnitt 3137 Fr. für Medienprodukte aus, dass sind 2% mehr als im Vorjahr. Von den insgesamt 10.4 Mia Fr. welche pro Kopf für Medienkonsum aufgewendet wurden, entfallen 30,4% auf den Bereich IT und Telekommunikation, 24% auf das Fernsehen, 17,1% auf die Presse und 14,8% auf den Bereich Unterhaltungselektronik [1].
Das Berichtsjahr war geprägt von einer Debatte um den Strafgesetzartikel 293, der die „Veröffentlichung amtlich geheimer Verhandlungen“ mit Haft oder Busse bedroht. Die Norm wurde stark kritisiert, weil sich die Informanten in der Verwaltung so gut wie nie eruieren liessen und bloss die Journalisten, welche die Informationen verbreiteten, belangt wurden. Anlässlich der Ermittlungen gegen den Sonntagsblick, wegen der Publikation eines als geheim deklarierten Fax mit Informationen zu Verhörzentren der CIA, wurde die Schweiz vom Beauftragten für Medienarbeit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gerügt. Er forderte die zuständigen Bundesräte auf, Medienschaffende wegen der Publikation von Geheimdokumenten nicht mehr zu belangen und die entsprechende Lücke im Strafgesetzbuch zu schliessen. Der Bundesrat hatte dem Parlament bereits 1997 erfolglos die Streichung dieser Strafnorm beantragt und prüfte dies nun erneut. Dabei ging es namentlich darum, ob das Strafgesetz nach der Streichung von Art. 293 mit anderen Bestimmungen noch genügend Handhabe böte, um Schaden für das Land infolge von Publikationen zu verhindern. Dies bedeutete einen Etappensieg für den grünen Nationalrat Lang (ZG), der die Streichung von Art. 293 mittels einer Motion forderte [2].
Als Folge dieser Polemik passte die Bundesanwaltschaft ihre internen Richtlinien an. Journalisten die amtliche Geheimnisse publizieren, müssen seltener mit einer Strafverfolgung rechnen als bis anhin. Gerichtspolizeiliche Verfahren werden nur noch bei Verletzung von materiellen Geheimnissen eröffnet. Zusätzlich muss das Geheimhaltungsinteresse des Staates das öffentliche Interesse an der Information überwiegen [3].
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente durch Medienschaffende hob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zwei Urteile des Bundesgerichts auf. Er warf der Schweiz vor, sie habe mit der Bestrafung der beiden Journalisten gegen die Meinungsfreiheit und damit gegen Art. 10 EMRK verstossen. Eines der Urteile, gegen einen Journalisten der Sonntags-Zeitung wegen der Publikation geheimer Diplomatenpost, wollte die Schweiz nicht hinnehmen und verlangte eine Neubeurteilung. Es war das erste Mal, dass sie eine Verurteilung durch den EGMR nicht akzeptierte. Dies überraschte namentlich darum, weil der Bundesrat gleichzeitig die Abschaffung des Strafgesetzartikels prüfte, der dem Urteil zugrunde lag (siehe oben) [4].
Im Juni wurde das neue Medienzentrum für die Bundeshausmedien eröffnet. Das Geschenk des Bundes wurde nicht von allen begrüsst. Die Vertreterinnen und Vertreter der Presse hatten sich von Anfang an gegen die Auslagerung aus dem Bundeshaus gewehrt, weil sie die räumliche Nähe zu den politischen Akteuren nicht aufgeben wollten. Anlass zu Kritik gaben auch die Kosten des Neubaus. Eine Motion Kaufmann (svp, ZH), die forderte, den Medienschaffenden für die Benutzung des Medienzentrums kostendeckende Mieten zu verrechnen, wurde aber vom Nationalrat abgelehnt [5].
In der Maisession stimmte der Nationalrat der Motion Stahl (svp, ZH) zu, die verlangt, dass die akkreditierten Bundeshausjournalisten ihre Interessenbindungen offen legen müssen. Der Ständerat änderte den Motionstext in der Wintersession dahingehend, dass der Bundesrat verpflichtet wird, im Rahmen der Revision der Akkreditierungsverordnung die Offenlegung der Interessenbindungen der Bundeshausjournalisten zu prüfen [6].
Der deutsche Medienkonzern Axel Springer wurde mit dem Kauf der Jean-Frey-Gruppe ein bedeutender Akteur im Schweizerischen Mediengeschäft. Während bisher in der Schweizer Medienlandschaft ausländische Einflüsse punktuell auf elektronische Medien beschränkt waren, geriet mit dem „Beobachter“ eine traditionsreiche Publikation der Schweiz in deutsche Hände [7].
Zu den Stellungnahmen des Bundesrats im Vorfeld von Abstimmungen, siehe oben, Teil I, 1c (Volksrechte).
 
[1] AZ und NZZ, 5.7.07.
[2] NZZ, 20.1. und 4.2.06; BaZ, 10.6.06; Motion: Mo. 06.3038. Vgl. SPJ 1997, S. 333 f.
[3] LT und NZZ, 16.10.06.
[4] NZZ, 26.4.06; TA, 26.4. und 16.8.06; TG, 22.9.06. Für das Bundesgerichtsurteil gegen den Journalisten der Sonntags-Zeitung vgl. SPJ 2000, S. 296.
[5] Presse vom 24.6.06; AB NR, 2006, S. 580 f.
[6] AB NR, 2006, S. 588 f.; AB SR, 2006, S. 1159.
[7] AZ, LT und TA, 20.12.06.