Année politique Suisse 2007 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Parteiensystem
Zu den Wahlergebnissen der Parteien auf eidgenössischer und kantonaler Ebene, den Sitzanteilen auf Exekutiv- und Legislativebene sowie zu den Frauenanteilen vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie Anhang (anhang_2007.pdf). Zu den Parolen der Parteien zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe die Tabelle parolen_2007.pdf am Ende dieses Kapitels. Siehe dazu auch die verschiedenen Sachkapitel.
Eine Studie des BFS zeigt die Veränderung der schweizerischen Parteienlandschaft in den letzten Jahrzehnten. CVP und FDP haben beide seit 1979 etwa einen Drittel ihrer gesamtschweizerischen Parteistärke verloren, während die SVP ihren Wähleranteil von durchschnittlich 10-12% (bis 1991) auf fast 29% (2007) ausbauen konnte. Die rechten Oppositionsparteien, welche 1991 noch auf 11% gekommen waren, verloren 2007 erneut an Wählerstimmen und befinden sich teilweise in einem Auflösungsprozess (FPS, SD). Die FDP musste im Vergleich zu 1979 in allen Proporzkantonen Verluste hinnehmen, die CVP wurde mit Ausnahme der Kantone Bern, Waadt und Neuenburg ebenfalls überall schwächer. Besonders stark ging ihr Wähleranteil in ihren Hochburgen St. Gallen und Luzern zurück. Die SVP konnte sich demgegenüber seit 1991 in allen Proporzkantonen steigern, in 18 Kantonen sogar um mehr als 10 Prozentpunkte. Der Prozess der Schwächung von CVP und FDP setzte in der Deutschschweiz früher ein als in der Romandie (wo zusätzlich auch die LPS zu den Verliererinnen im bürgerlichen Lager gehört). Die SVP konnte in der französischsprachigen Schweiz erst ab Ende der Neunzigerjahre grosse Erfolge verbuchen. Weniger deutlich sind die Umschichtungsprozesse auf der linken Seite des Parteienspektrums: SP und Grüne befinden sich in einer komplementären Beziehung, wobei sich die SP von 1979 bis 1987 auf der Verliererseite befand, in den Neunzigerjahren aber wieder zulegte, um dann erneut zugunsten der Grünen Stimmenanteile einzubüssen [1].
Die Studie Selects 2007 untersuchte unter anderem den Zusammenhang zwischen der Selbstverortung von Individuen auf der Links-Rechts-Skala und deren Wahlentscheid. Die Ergebnisse spiegeln die Veränderung der Parteienlandschaft wider. Während 1995 auch CVP und FDP bei den Wählern am rechten Ende des Spektrums erhebliche Zustimmung fanden, erhielt 2007 die SVP den bei weitem grössten Anteil der Stimmen dieser Wähler. Die konservativen Flügel von FDP und CVP haben von 1995 bis 2007 damit stark an Bedeutung verloren. Auf der linken Seite sprechen SP und Grüne wie bereits 1995 praktisch das gleiche Wählersegment an, beide haben nur wenig Ausstrahlung in die Mitte. Bei Wählern, die sich leicht links der Mitte einordnen, hat die SP im Vergleich zu 1995 sogar an Zustimmung verloren [2].
Die Gewinne der SVP bei den Wahlen 2007 gingen gemäss der Selects-Studie vor allem auf Kosten der FDP. Zudem gelang es der SVP, überdurchschnittlich viele Stimmen von Personen für sich zu gewinnen, welche 2003 noch nicht gewählt hatten. Die CVP konnte Stimmen von Wählern an sich ziehen, die sich bei den letzten Wahlen für die SP oder die FDP entschieden hatten. Die SVP vermochte ihre Wähler von 2003 überdurchschnittlich gut zu halten: 71% der SVP-Wähler von 2003 gaben an, sich 2007 erneut für die SVP entschieden zu haben. Die FDP konnte 62% ihrer Wähler von 2003 wieder von sich überzeugen, 10% verlor sie an die SVP. Der CVP blieben 59% ihrer Wählerschaft von 2003 treu, sie musste 5% zur SVP ziehen lassen. Die SP konnte nur 53% ihrer Wähler von 2003 erneut von sich überzeugen, 12% verlor sie an die Grünen [3].
Die SVP ist bei denjenigen Wählerinnen und Wählern stark übervertreten, welche nur die obligatorische Schulbildung oder eine Berufslehre als höchsten Bildungsabschluss aufweisen. 36% der ersten Gruppe und 39% der zweiten Gruppe gaben in der Selects-Studie an, 2007 SVP gewählt zu haben. Bei Personen mit hoher Bildung kam die SVP dagegen nur auf 16% Wähleranteil. Gegenüber 2003 konnte die SVP vor allem bei Personen mit einer Berufslehre als höchstem Abschluss zulegen (+7 Prozentpunkte), während die SP in diesem Wählersegment stark an Zustimmung verlor (-7 Prozentpunkte auf 15%). SP und Grüne sind bei Wählern mit hoher Bildung besonders beliebt. Die FDP hat bei diesen im Vergleich zu 2003 weniger Stimmen geholt (-4 Prozentpunkte). Das Bildungsniveau hatte 2007 kaum einen Einfluss auf den Wahlentscheid für die CVP, letztere war in den 90er Jahren noch klar bei den Wählern mit geringer Bildung übervertreten gewesen [4].
Nach der Abwahl ihres Bundesrats Christoph Blocher beschloss die SVP den Gang in die Opposition. Die SVP-Bundesräte Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf wurden aus der Bundeshausfraktion ausgeschlossen und die SVP betrachtete sich als nicht mehr in der Regierung vertreten. Ihre Rolle als Oppositionspartei musste die SVP allerdings erst finden. Es kam zu Spannungen innerhalb der Fraktion, da sich einige Parlamentarier, vor allem Vertreter der Berner und der Bündner SVP, gegen den Oppositionskurs wehrten. Die SVP gab an, keinen Systemwechsel vom Konkordanz- zu einem Konkurrenzsystem anzustreben. Auch an der Parlamentsarbeit wollte sie sich weiterhin beteiligen. Als Sofortmassnahme nahm die SVP nicht an den traditionellen Von-Wattenwyl-Gesprächen zwischen den Regierungsparteien teil und prüfte die Lancierung einer Initiative für die Volkswahl des Bundesrates. Zudem kündigte sie an, in Zukunft vermehrt auf die direktdemokratischen Instrumente Initiative und Referendum zu setzen. In der Presse überwog die Einschätzung, dass der Gang in die Opposition in erster Linie eine weitere Verschärfung des Tons bedeuten werde [5].
 
[1] Lit. Seitz/Schneider.
[2] Lit. Lutz.
[3] Lit. Lutz.
[4] Lit. Lutz.
[5] Bund, NZZ, SGT und TA, 15.12.07; Presse vom 19.12.07.