Année politique Suisse 2007 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Freisinnig-Demokratische Partei (FDP)
Am 19. Januar fand eine gemeinsame Veranstaltung der Freisinnigen und der Liberalen in Genf statt. Die beiden Parteien berieten über die Initiative für eine Einheitskrankenkasse. Die FDP fasste die Nein-Parole zur Initiative mit 101:2 Stimmen. Am darauf folgenden Tag führte die FDP ihre Delegiertenversammlung alleine weiter. Diskutiert wurde das
Positionspapier „für eine wachsende Schweiz“, in das folgende Forderungen Eingang fanden: Förderung der Ansiedlung von Spitzenunternehmen, Stärkung des Steuerwettbewerbs, Verbesserung des Innovationsschutzes und Schaffung eines Bundespatentgerichts, Deregulierung des Gesundheitssystems, Abbau von Handelshemmnissen, Vereinfachung von Bauvorschriften, Durchsetzung eines einheitlichen Beschaffungswesens, Konsolidierung der Schuldenbremse und Vereinfachung des Steuersystems mit der so genannten „Easy Swiss Tax“. Grosses Aufsehen erregte die Annahme eines Vorschlages der Genfer Freisinnigen mit 75 zu 43 Stimmen, die
direkte Bundessteuer abzuschaffen. Die Parteileitung der FDP war über diesen Entscheid verärgert
[18].
An ihrer Delegiertenversammlung in Winterthur am 31. März befasste sich die FDP mit dem letzten ihrer vier Projekte für eine erfolgreiche Schweiz. Sie beschloss ein
Positionspapier „für eine gerechte Schweiz“. Dieses war in drei Abschnitte unterteilt, die Vorschläge für mehr Chancengleichheit für Junge, Frauen und ältere Menschen enthielten. Was die Verbesserung der Chancengleichheit der Jungen betrifft, wurden folgende Forderungen aufgenommen: Umfassende Förderung durch familienergänzende Kinderbetreuung, Ganztagesstrukturen an Schulen und frühere Einschulung. Die FDP strebte zudem eine formelle Harmonisierung des Stipendienwesens und Ausbildungsdarlehen mit einer Leistungskomponente an. Wichtige Forderungen im Kapitel zur Gleichstellung der Frauen waren der Ausbau von familienergänzenden Betreuungsmöglichkeiten sowie die Einführung von
Betreuungsgutscheinen für Eltern anstelle der Subventionierung von Betreuungseinrichtungen. Die Berechtigung zu einem Betreuungsgutschein wurde an die Erwerbstätigkeit beider Eltern gekoppelt. Das Gutschein-Modell sei zunächst in Pilotprojekten zu testen, entschieden die Delegierten. Das Positionspapier enthielt zudem die Forderung, dass negative steuerliche Anreize, die Frauen von der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit abhielten, beseitigt werden sollten. Was die Chancengleichheit von älteren Menschen betrifft, forderte die FDP ein
flexibleres System für den Austritt aus dem Erwerbsleben. Das Pensionierungsalter soll demnach keine fixe Grenze mehr sein, sondern nur einen Richtwert darstellen. Wer sich früher als mit 65 pensionieren lässt, würde nur eine Teilrente erhalten, wer erst später aus dem Erwerbsleben austritt, dagegen eine Zusatzrente bekommen. Im Weiteren sprach sich die FDP einstimmig bei zwei Enthaltungen für die 5. IV-Revision aus
[19].
Parteipräsident Pelli betonte im nationalen Wahlkampf die wichtige Rolle seiner Partei für die Konkordanz und versuchte, die anderen Parteien zu einer
verbindlicheren Zusammenarbeit zu bewegen. Zu diesem Zweck machte die FDP den Bundesratsparteien im Mai konkrete Angebote für gemeinsam zu verfolgende Projekte. Das Echo blieb jedoch gering
[20].
An ihrer Delegiertenversammlung in Zug Ende Juni befassten sich die Freisinnigen mit einem Positionspapier zur Klimapolitik. Kontrovers wurde die Diskussion darüber geführt, ob die Automobilsteuer (erhoben vom Bund) und die Motorfahrzeugsteuer (erhoben von den Kantonen) durch eine
höhere Mineralölsteuer zu ersetzen seien. Dadurch würden die Benzinpreise deutlich steigen. Die zusätzlichen Einnahmen aus der Mineralölsteuer könnten den Kantonen überwiesen werden. Eine Benzinpreiserhöhung erschien vielen Delegierten angesichts der bevorstehenden Wahlen aber ein zu heikles Thema zu sein. Die Erarbeitung eines Konzeptes für den Wechsel von der Fahrzeug- zur Treibstoffbesteuerung wurde auf die Zeit nach den Wahlen verschoben. Weiter wurden im Positionspapier die
rasche Planung eines neuen Atomkraftwerks und die Förderung der Wasserkraft verlangt. Ein Antrag der Delegierten aus Basel-Stadt, auf neue Atomkraftwerke zu verzichten, wurde abgelehnt. Die FDP beschloss zudem einstimmig die Ja-Parole zur Unternehmenssteuerreform II
[21].
Im Juli geriet die FDP bezüglich ihrer Vertretung im Bundesrat unter Druck. Umfragen zeigten, dass die CVP die FDP fast an Stimmenanteilen einholen könnte und die CVP stellte dementsprechend die Forderung nach einer Zweiervertretung in der Regierung. Die FDP äusserte sich deshalb früher als geplant, sie werde
bei den Bundesratswahlen
mit ihren beiden bisherigen Bundesräten Couchepin und Merz wieder antreten. Gleichzeitig kündigte sie an, sie werde die personellen Entscheide der anderen Parteien respektieren. Dies wurde in der Presse als Zusage einer Wiederwahl von Christoph Blocher durch die Freisinnigen gewertet
[22].
Im August äusserte sich die FDP zur Armeepolitik. Sie forderte eine systematischere, auf einer soliden rechtlichen Basis beruhende Kooperation mit der EU im militärischen Bereich. Zu diesem Zweck sei ein Rahmenabkommen abzuschliessen. Die FDP forderte zudem, dass die Armee verstärkt für die militärische Friedensförderung im Ausland eingesetzt werden solle. Ebenfalls im August präsentierte die FDP ein detailliertes
Konzept für die „Easy Swiss Tax“. Die Einführung dieser an die Schweiz angepassten Flat Rate Tax würde drei grundlegende Neuerungen bringen: Erstens würde es nur noch drei Abzüge geben, einen Individualabzug für Erwerbstätige und Rentner, einen Abzug für Kinder sowie einen für gemeinnützige Zuwendungen. Zur Diskussion stellte die FDP einen möglichen vierten Abzug für den Unterhalt und die Renovation von Wohneigentum. Damit nahm sie auf die von ihr mitlancierte Bausparinitiative Rücksicht. Als zweite Neuerung würde ein einheitlicher Steuersatz die Progression ersetzen. Drittens würde beim Vermögen eine Soll-Kapitalrendite ermittelt, die als Einkommen versteuert werden müsste
[23].
FDP-Generalsekretär Guido Schommer kündigte im September seinen Rücktritt per Ende Februar 2008 an. Er war seit 2001 im Amt gewesen. Die Partei betonte, er trete nicht aufgrund eines schlecht laufenden Wahlkampfes von seinem Posten zurück. Der
Jurist und Ökonom
Stefan Brupbacher, tätig bei der Economiesuisse und Wunschkandidat des wirtschaftsliberalen Flügels der FDP, wurde zum neuen Generalsekretär gewählt. Zu einer personellen Veränderung kam es auch in der FDP-Bundeshausfraktion. Die Urner Nationalrätin Gabi Huber wurde als Nachfolgerin von Felix Gutzwiller (ZH) zur Fraktionspräsidentin gewählt. Sie trat als Vizepräsidentin der FDP Schweiz zurück. Auch Léonard Bender, ebenfalls Vizepräsident der FDP, kündigte seinen Rücktritt aus der Parteileitung an
[24].
Mitte September führte die FDP einen
Mobilisierungs-Parteitag nach amerikanischem Vorbild in Zürich durch. Die Partei bemühte sich an diesem Anlass um Optimismus, obwohl tags zuvor eine für die FDP schlechte Wahlprognose veröffentlicht worden war. Die FDP beklagte sich, dass sie durch die Polarisierung zwischen der SVP und der SP kaum mehr wahrgenommen werde, betonte aber gleichzeitig, an Inhalt und Stil ihrer Politik festhalten zu wollen
[25].
Die
Verluste der FDP bei den Nationalratswahlen im Oktober fielen mit minus 5 Sitzen (-1,5 Prozentpunkte Stimmenanteil) überraschend hoch aus. Dennoch kam es nicht zu Rücktrittsforderungen gegenüber Parteipräsident Pelli. Kritik wurde aber im rechten Parteiflügel an Bundesrat Couchepin laut. Einige FDP-Nationalräte, darunter Leutenegger (ZH) und Ineichen (LU), forderten Couchepin zu einem gemeinsamen Rücktritt mit den Bundesräten Schmid und Leuenberger auf. Im liberalen Flügel der FDP führte dies zu Protesten. Pelli forderte als Reaktion auf die Niederlage bei den Parlamentswahlen einen einheitlicheren Kurs der FDP, die Kantonalparteien hätten ein zu grosses Gewicht in der Partei. Zudem solle die FDP die Anzahl ihrer Themen reduzieren
[26].
Beide FDP-Bundesräte wurden im Dezember problemlos bestätigt und Couchepin zudem zum Bundespräsidenten gewählt.
Die
FDP-Frauen führten einen eigenen nationalen Wahlkampf unter dem Motto „Où sont les femmes?“, dies mit dem Ziel, ihre Vertretung im Nationalrat zu verdoppeln. Dazu sollte auf allen Wahllisten der FDP ein Frauenanteil von 30% erreicht werden. Das Ziel der zehn Mandate wurde jedoch weit verfehlt, die FDP-Frauen holten nur sechs Sitze. Nach den Wahlen waren die FDP-Frauen bei der Annäherung an die Liberale Partei aktiv. Sie beschlossen das Zusammengehen mit den Frauen der LP in der Gruppe „FDP Frauen Schweiz – Wir Liberalen“ per 1. März 2008
[27].
Die
Initiative zum Verbandsbeschwerderecht, welche die FDP Zürich im Vorjahr eingereicht hatte, wurde im Bundesrat und im Ständerat behandelt. Der Bundesrat befürwortete die Initiative. Der Ständerat lehnte das Ansinnen dagegen ab und es kam auch kein Gegenvorschlag zustande. Damit wurde ein Rückzug der auch innerhalb der FDP umstrittenen Initiative erschwert
[28].
[18]
TA, 20.1. und 23.1.07;
AZ,
NZZ und
TG,
22.1.07.
[19]
NZZ, 22.3. und 2.4.07;
BaZ,
LT und
TA, 2.4.07.
[20]
BaZ und
NZZ, 8.5.07;
NZZ und
TA, 19.5.07; Presse vom 17.9.07.
[21]
LT,
NZZ und
TA, 2.7.07;
NZZ, 3.7.07.
[23] Armeepolitik:
BaZ und
Bund, 7.8.07. Easy Swiss Tax:
BaZ,
Bund und
NZZ, 17.8.07.
[24] Rücktritt von Schommer: Presse vom 14.9.07;
NZZ, 6.10.07. Fraktionspräsidium:
TA, 27.11.07;
BaZ, 19.12.07. Rücktritt von Bender:
LT, 16.11.07.
[26]
NZZ, 23.10.07;
SGT und
TA, 24.10.07;
NZZ und
TA, 9.11.07;
SoZ, 18.11.07.
[27] Wahlkampf der FDP-Frauen:
TA, 28.2.07. Zusammengehen mit den Liberalen Frauen:
TA, 31.12.07.
[28] Siehe dazu oben, Teil I, 6d (Natur- und Heimatschutz).
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