Année politique Suisse 2007 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement / Allgemeine Umweltpolitik
Im Frühjahr wurden gleich zwei
klimapolitische Volksinitiativen lanciert: Zum einen die
Initiative für „menschenfreundlichere Fahrzeuge“, die den Bund verpflichten möchte, Vorschriften zur Reduktion der negativen Auswirkungen von Motorfahrzeugen zu erlassen, insbesondere der Unfallfolgen und Umweltbelastung durch Personenwagen. Sie nimmt in erster Linie Offroader ins Visier, von denen 70% verboten würden. Aber auch andere Fahrzeugtypen wären betroffen. 24% der Sportwagen, 19% der hubraumstarken Limousinen und 4% der Mittelklassewagen würden die Emissionsgrenzwerte ebenfalls überschreiten
[6].
Die zweite Initiative will eine
„wirksame Klimapolitik“ und fordert, die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2020 im Vergleich zum Stand von 1990 um 30% zu reduzieren. Der Initiativtext geht damit über das von der EU ebenfalls im März angekündigte Ziel, die Klimagase bis 2020 um 20% zu reduzieren, hinaus. Konkrete Mittel, um diese Reduktion zu erreichen, sind nicht vorgegeben. Es wird lediglich festgehalten, die Ausführungsgesetzgebung solle den Schwerpunkt auf Energieeffizienz und erneuerbaren Energien legen
[7].
Die
Klima- und Energiepolitik beschäftigte im Berichtsjahr auch den
Nationalrat, im Rahmen einer fünfstündigen Sondersitzung, am 21. März behandelte er 77 Vorstösse
[8].
Mit 90 zu 86 Stimmen hiess die grosse Kammer die Motion Studer (evp, AG) gut, welche dem Bundesrat den Auftrag erteilt, eine Vorlage zur ökologischen Steuerreform auszuarbeiten. Alle nicht erneuerbaren Energien sollen vom Bund mit einer Lenkungsabgabe belastet werden. Ebenfalls Zustimmung fand das Postulat Leutenegger Oberholzer (sp, BL) zur Erarbeitung eines Strategieberichts für eine ökologische Steuerreform
[9].
Weiter gab der Rat der Motion Recordon (gp, VD) statt, welche die Autosteuern umfassend ökologisch ausrichten will, und verabschiedete eine Motion von Donzé (evp, BE), welche vom Bund Massnahmen fordert, um die Kantone zur Erhebung verbrauchsabhängiger Motorfahrzeugsteuern zu motivieren. Ebenfalls angenommen wurden die Postulate von Heim (sp, SO) zur Förderung verbrauchsarmer Motorfahrzeuge sowie von Nordmann (sp, VD) für strengere Normen bei Zweitaktmotoren
[10].
Ferner überwies der Rat eine Motion Wyss (sp, BE), mit der der Bundesrat aufgefordert werden soll, dem Parlament ein Konzept für die Klimapolitik nach dem Kyoto-Stichdatum 2012 vorzulegen sowie die Postulate der Grünen Fraktion für einen nationalen Klimabericht und von Riklin (cvp, ZH) zu einer kohärenten Klimapolitik im Rahmen eines nationalen Klimaprogramms
[11].
Er lehnte dagegen zwei Vorstösse zum Klimarappen ab: Die Motion Lustenberger (cvp, LU), mit welcher gefordert wurde, den Klimarappen nicht zu exportieren und die Motion der sozialdemokratischen Fraktion zur Legalisierung des Klimarappens
[12].
Ebenfalls verworfen wurden zwei Motioen der grünen Fraktion für eine Klimaschutzstrategie 2050 und für eine Klimaverträglichkeitsprüfung, eine Motion Teuscher (gp, BE) für eine Lenkungsabgabe auf dem Energieverbrauch, eine Motion Allemann (sp, BE) zur klima- und gesundheitsschädigenden Wirkung fossiler Treibstoffe, eine Motion Recordon (gp, VD) zur Installation von Treibstoffverbrauchsmessgeräten in allen Fahrzeugen sowie eine Motion Donzé (evp, BE) für eine Sensibilisierungskampagne zur Verringerung des Benzinverbrauchs
[13].
In der Sommersession hiess die grosse Kammer ein Postulat von Graf (gp, BL) zur Anpassung der schweizerischen
Anforderungen an Chemikalien an diejenigen der neuen EU-Chemikalienverordnung gut
[14].
Im Nationalrat folgte die
Umweltpolitik in der letzten Legislaturperiode weitgehend den
parteipolitischen Linien. Dies ergab die Auswertung von 22 Abstimmungen zu den Themen Klima, Naturräume, Atom- und Gentechnologie sowie Verkehr. Fast durchgehend für Umweltschutzanliegen stimmten die Grünen (94%) und die SP (92%), während die SVP in den meisten Fällen eine entgegengesetzte Position vertrat. Ein deutlicher Unterschied zeigte sich bei den beiden Mitteparteien. Die CVP hat Umweltanliegen zu 51% und die FDP zu 22% gutgeheissen
[15].
Obwohl mittlerweile bei den meisten Verantwortungsträgern unbestritten ist, dass Massnahmen gegen den Klimawandel notwendig sind, besteht noch wenig Einigkeit darüber, wie weit die Schweiz selber spürbare Anstrengungen zur Klimagasreduktion leisten oder eher verstärkt mit der Unterstützung von Klimaprojekten im Ausland ihre Pflicht erfüllen soll. Moritz Leuenberger präsentierte im Sommer seine Pläne zur langfristigen Energiepolitik. Ab 2012 – nach Ablauf des Kyoto-Protokolls – möchte er die Klimagase mittels einer
umfassenden Lenkungs- und Förderabgabe jährlich um 1,5% vermindern. Die Vorschläge von Leuenberger stiessen auf breite Kritik: Die Umweltorganisationen bemängelten, die Reduktionsziele genügten nicht, um den Klimawandel ausreichend zu bremsen. Wirtschaftsorganisationen und Automobilverbände forderten dagegen, dass die Schweiz ihre Klimagase mittels Kauf von Emissionszertifikaten mehrheitlich im Ausland reduzieren soll
[16].
Weit stärker als Moritz Leuenberger wollte auch Doris Leuthard einen internationalen Ansatz ins Zentrum der Klimapolitik stellen. Ihrer Ansicht nach könnten die CO2-Emissionen mittels
Zertifikatehandel und
Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern effizienter gesenkt werden als mit Massnahmen im Inland
[17].
[6]
Bund,
LT und
NZZ, 13.2.07;
BBl, 2007, S. 1541 ff.
[7]
NZZ,
SGT und
TG, 13.3.07;
BBl, 2007, S. 3667 ff.
[8]
AB NR, 2007, S. 463 ff. Vgl. auch unter Luftreinhaltung in diesem Kapitel sowie oben, Teil I, 6a.
[9]
AB NR, 2007, S. 500 (Motion Studer) und 497 (Postulat Leutenegger Oberholzer).
[10]
AB NR, 2007, S. 495 (Motion Recordon), 500 (Motion Donzé), 498 (Postulat Heim) und 496 (Postulat Nordmann).
[11]
AB NR, 2007, S. 501 (Motion Wyss), 502 (Postulat Grüne Fraktion) und 503 (Postulat Riklin).
[12]
AB NR, 2007, S. 493 (Motion Lustenberger) und 494 (Motion SP).
[13]
AB NR, 2007, S. 502 und 504 (Motionen Grüne Fraktion), 502 (Motion Teuscher), 500 (Motion Allemann), 498 (Motion Recordon) und 500 (Motion Donzé).
[14]
AB NR, 2007, S. 1144.
[15]
AZ, BaZ und
Lib., 27.6.07.
[16]
Lib., 17.8.07;
AZ und
TG, 18.8.07.
[17]
NZZ, 8.9.07;
BZ und
SGT, 20.9.07.
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